Die Artemia, auch Salinenkrebs genannt, ist ein kleines Krustentier, das im Salzwasser lebt. In Usbekistan ist sie zum Hauptprodukt des Aralsees geworden. Die usbekische Regierung hat die Artemia-Produktion kürzlich in einem einzigen Unternehmen zentralisiert – ein Plan, der nicht allen Menschen am See zu gefallen scheint.
Vor 60 Jahren war der Aralsee der viertgrößte See der Welt. Heute ist er aufgrund menschengemachter Einflüsse fast vollständig ausgetrocknet, was zum Verschwinden von Millionen von Fischen führte und die Anzahl der in ihm lebenden Arten um den Faktor fünf reduzierte. Doch eine Spezies konnte diese Umweltkatastrophe bisher überleben: Die Artemia. Da der See zunehmend austrocknet, schenken die lokalen Fischer dieser Art nun besondere Aufmerksamkeit und erhoffen sich damit, Profit zu erzielen. Aufgrund des Fischmangels im Aralsee haben die Fischer des im Westen Usbekistans gelegenen Moynaq begonnen, diese Garnelen zu fangen und weiterzuverarbeiten.
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Das Schrumpfen des Aralsees hat zu einem höheren Salzgehalt im Wasser geführt, was die steigende Anzahl der Artemia erklärt, die sich in sehr salzigem Wasser vermehren können. Das einen Millimeter lange Krustentier wird in der Regel als Fischfutter verwendet, findet aber auch in der Wissenschaft, Fischzucht, Medizin, Pharmazie und Kosmetik Verwendung. Die Larven (so genannte Cysten) sind jahrelang lagerfähig und können extreme Temperaturunterschiede aushalten.
Droht ein Monopol?
Doch die Zukunft der Artemia-Industrie ist seit 2019 unsicher. Am 31. Oktober 2019 schlug die usbekische Regierung vor, die rund 23 Unternehmen, die in der Weiterverarbeitung des Fangs tätig sind, zusammenzulegen und zu zentralisieren.
Trotz der Proteste des staatlichen Antimonopolkomitees und der öffentlichen Kritik an dem Projekt, unterzeichnete der usbekische Premierminister Abdulla Aripov im Jahr 2020 ein Dekret zur Schaffung eines staatlichen Unternehmens für den Handel mit den Cysten. Das Unternehmen namens ‚Orol Artemia Sanoat‘ soll auch die wissenschaftliche und technische Entwicklung der Branche unterstützen.
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Das Antimonopolkomitee Usbekistans hält diese Zentralisierung für unklug und empfiehlt der usbekischen Regierung, sich weniger in die Wirtschaft einzumischen. Dieser Standpunkt steht im Einklang mit der neoliberalen Philosophie von Präsident Shavkat Mirziyoyev, der für mehr Privatisierung und weniger staatliche Eingriffe in die heimische Wirtschaft steht.
Mangel an Daten
Es lässt sich nur schwer messen, wie sich eine solche Entscheidung bisher auf den Markt auswirkte und in Zukunft weiter auswirken wird. Im Jahr 2020 versuchte Novastan, vor Ort Informationen zu erhalten. Jedoch waren nur sehr wenige Menschen waren bereit, über dieses Thema zu sprechen. Die mangelnde Transparenz und die ungleichen Verhandlungspositionen führten dazu, dass die Fischer von Moynaq keine Kommentare abgeben wollten.
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Lediglich die Pressestelle des Antimonopolkomitees erklärte sich bereit, die Fragen von Novastan zu beantworten und betonte die Bedeutung der Artemia für das Land. Die Leiterin des Pressedienstes, Manzura Khasanova, teilte mit, dass weder Daten über den Verkaufspreis und das Exportvolumen von Artemia, noch die Löhne in der Branche existieren. Die Fangregionen der Artemia stehen unter Aufsicht des usbekischen Staatskomitees für Geologie und Bodenschätze.
Obwohl der Fang der Artemia zunächst kein sehr verdächtiger Industriezweig zu sein scheint, bleibt sie in Usbekistan undurchsichtig und abgeschottet. Die einzigen verfügbaren Daten stammen vom internationalen Handelsverband ‚Global Aquaculture Alliance‚, der Usbekistan im Jahr 2017 mit einer Produktion von über 20 Tonnen pro Jahr zu den weltweit führenden Lieferanten der Artemia zählte.
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Von usbekischer Seite sind nur wenige Informationen für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Produzenten aus Moynaq gründeten 2018 einen Verband, um sich für mehr Transparenz einzusetzen und den Privatexport zu fördern – ohne bisher Erfolge vorweisen zu können.
Die Fischer von Moynaq sammeln, verarbeiten und verkaufen Artemia-Larven seit den frühen 2000er Jahren. Damals lag der weltweite Bedarf bei 2.000 Tonnen pro Jahr. Die Artemia – Ein kleines Schalentier, aber eine wichtige wirtschaftliche Lebensader für die Fischer von Moynaq.
Malaurie Le Bail für Novastan France
Aus dem Englischen von Olga Jager
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