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„Darmarka“: Wie Umweltaktivist:innen in Almaty alte Dinge recyclen

In Almaty, der größten Stadt Kasachstans, werden seit vielen Jahren regelmäßig verschiedene Umweltinitiativen umgesetzt. „Darmarka“ – eine dieser Initiativen – ist bereits zu einem wichtigen Bestandteil von Almatys Ökokultur der Stadt geworden.

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Auf einem „Darmarka“ in Almaty, Photo: Marina Hegai

In Almaty, der größten Stadt Kasachstans, werden seit vielen Jahren regelmäßig verschiedene Umweltinitiativen umgesetzt. „Darmarka“ – eine dieser Initiativen – ist bereits zu einem wichtigen Bestandteil von Almatys Ökokultur der Stadt geworden.

„Darmarka“ [ein Wortspiel aus Russisch „darit“ (geben) und „jarmarka“ (Jahrmarkt)] ist eine Plattform zum Spenden und Tauschen gebrauchter Dinge. Auf dem „Darmarka“ kann man auch „entrümpeln“ – man verschenkt, was man nicht braucht, und findet, was man braucht. Und das kostenlos. Alle Seiten profitieren. Darüber hinaus erhält der Gegenstand selbst ein zweites Leben, anstatt im Müll zu landen. „Darmarka“ gibt es in Almaty seit 2017 und wird mittlerweile monatlich durchgeführt. Bis Mitte August fanden bereits 39 „Darmarkas“ statt.

„Der erste „Darmarka“ unter meiner Leitung fand 2019 statt. Damals kamen etwa 20 Besucher, heute sind es jedes Mal etwa 2.000“, sagt Kamila Akimbekova, Öko-Influencerin und Organisatorin der „Darmarkas“. „Unser Projekt ist sozial und gemeinnützig, weil wir zwei Ziele verfolgen: Umweltbildung und Hilfe für Bedürftige.“

Verbrauch weniger!

Laut Kamila Akimbekova wollen die Umweltaktivist:innen mit Hilfe von „Darmarka“ die Menschen auf das Problem des Überkonsums aufmerksam machen. Ihrer Meinung nach ist der Konsum nahezu unkontrollierbar geworden. Menschen kaufen Dinge, auch wenn sie von schlechter Qualität sind. Die Lebensdauer solcher Dinge ist kurz, darüber hinaus werden viele dieser gekauften Artikel gar nicht verwendet.

„Kaum jemand weiß, dass die Textilindustrie eine bedeutende Rolle bei der Umweltverschmutzung spielt“, fährt Kamila fort. „Wir sprechen nicht nur davon, dass Dinge auf Mülldeponien landen und Müllberge bilden, was sich negativ auf die Umwelt auswirkt. Sondern wir reden auch über den Produktionsprozess selbst, wenn Farben verwendet werden, wenn Fabriken Schadstoffe in die Atmosphäre abgeben und viel Strom verbrauchen. Wir müssen auch die schlecht bezahlte Arbeit in Ländern der Dritten Welt erwähnen.“

Die Initiative „Darmarka“ versucht den Menschen zu vermitteln, dass es besser ist, nur hochwertige Dinge zu kaufen, die sie auch tatsächlich nutzen. Wenn etwas nicht gebraucht wird, kann es an andere Menschen weitergegeben werden, wodurch weniger natürliche Ressourcen für die Herstellung unnötiger Dinge verbraucht werden.

Und was findet man auf dem „Darmarka“? Fast alles: Spielzeug, Kinderbedarf, Accessoires, Taschen, Bettwäsche, Vorhänge, Sportgeräte, Geschirr, Elektrogeräte, Bücher und mehr. Die größte Nachfrage besteht laut den Organisator:innen nach Kinderspielzeug, Kinderwagen, Hochstühlen etc. Das alles ist sofort vergriffen. Auch Schuhe sind sehr gefragt.

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Die von den Besucher:innen mitgebrachten Dinge werden vorsortiert und dann zur Schau gestellt. Nicht alle Dinge finden gleich beim ersten Mal neue Besitzer:innen – nach einem „Darmarka“ bleibt immer etwas übrig. Kamila erinnert sich, dass es nach den ersten „Darmarkas“ mehrere Pakete gab, die sie selbst an gemeinnützige Stiftungen spendete. Jetzt sind noch 2-3 Tonnen an Dingen übrig, für deren Transport ein LKW benötigt wird.

Das zweite Leben der Rohstoffe

Auch Aliıa Salmenova, Direktorin und Mitbegründerin der öffentlichen Stiftung Greenup.kz und der Umweltbewegung Recycle Birge, beteiligt sich ständig an der Organisation von „Darmarkas“. Die gesamte Wertstoffsammlung liegt auf ihren Schultern. Im Laufe der Jahre wurde im Rahmen von Öko-Aktionen mehr als 23 Tonnen wiederverwertbare Materialien und mehr als 10 Tonnen Kleidung für gemeinnützige Stiftungen gesammelt.

„Wir haben die größte Liste recycelbarer Materialien, die in Almaty akzeptiert werden. Wir nehmen 17 verschiedene Arten an: Kunststoff mit der Markierung 1, 2, 4, 5 (die Zahlen geben die Art des Kunststoffs an – Anm. CABAR) in harter und weicher Form, Altpapier, Pappe, Aluminium, Glas, auch farbiges Glas, Dosen, Schaumstoff, Plastik, abgelaufene Medikamente, Elektroschrott, quecksilberhaltiger Abfall, gebrauchtes Pflanzenöl“, listet Salmenova auf.

Die Leute in Almaty bringen vor allem Plastik, Altpapier und farbiges Glas mit. „Weil niemand außer uns das akzeptiert“, erklärt Aliıa Salmenova.

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Alle Arten von wiederverwertbaren Materialien werden sofort an Verarbeiter:innen oder Handwerker:innen weitergegeben (Darmarka unterstützt 18 kreative soziale Projekte). Handwerker:innen verwenden Stoffreste, alte Knöpfe, kaputte Uhren, Geräte, kaputte Mechanismen von Regenschirmen usw. „Aus kaputten Uhren wird Spielzeug für Neujahr, Schmuck und Dekorationsgegenstände hergestellt“, nennt Salmenova als Beispiel.

Darüber hinaus gibt es bei „Darmarka“ immer einen separaten Container zum Sammeln von Ersatzteilen aus defekten Computern. Der Freiwillige Ravil Nasifullin baut aus diesen Komponenten funktionierende Computer zusammen. Er spendet sie kostenlos an Kinder in Not. Insgesamt unterstützt „Darmarka“ vier Wohltätigkeitsorganisationen.

„Die Kasachen werfen alte Bettwäsche normalerweise nicht weg, sie liegt also in Stapeln und sammelt sich jahrelang an… Bringt sie zu uns!“ – appelliert Aliıa. Diese Wäsche würden Tierheime gerne entgegennehmen. Sie stellen daraus Verbandmaterial und Betten für ihre Schützlinge her. Die Liste dessen, was die Aktivist:innen sammeln, wird ständig erweitert.

Langsam, aber sicher

Die Organisator:innen von „Darmarka“ wollen ökologische Gewohnheiten und verantwortungsvollen Konsum in den Alltag der Bürger:innen bringen. Um dies zu erreichen, hält die Organisation Vorträge in Schulen, Universitäten, Privatunternehmen und bei städtischen Veranstaltungen. „Alle Umweltschützer haben das gleiche Ziel – dass unsere Aktivitäten überflüssig werden, dass die Menschen umweltfreundlicher werden, achtsamer mit ihrem Konsum umgehen und verantwortungsvoller in ihren Entscheidungen sind. Neulich beschwerte sich einer der Besucher der „Darmarka“: Man sortiert die Sachen, bringt sie und dann sind es wieder viele. Was bedeutet das? Wir müssen den Verbrauch reduzieren und Ressourcen sinnvoll nutzen“, sagt Aliıa Salmenova.

Sie ist zuversichtlich, dass den Kasachstaner:innen bereits im Kindergarten beigebracht werden sollte, Müll zu trennen, den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern und verantwortungsvoller zu konsumieren. Kinder sind dabei die besten Motivator:innen für ihre Eltern, die sich auch an diesem Prozess beteiligen sollten.

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Die Umweltaktivist:innen haben bereits festgestellt, dass ökologisches Denken für immer mehr Menschen zur Leitlinie wird. „Bei den ersten Öko-Subbotniks (sie werden seit 2017 von Recycle Birge veranstaltet – Anm. CABAR) reagierten die Leute um mich herum so: „Die Stadtverwaltung hat dich bezahlt, komm zu mir nach Hause und räume auf.“ Die Leute haben nicht verstanden, warum wir aus eigener Initiative an Subbotniks teilnahmen. Jetzt sind wir bekannt, unsere Aktivitäten haben die Zustimmung und Unterstützung der Bürger gefunden – sie kommen selbst zu unseren Veranstaltungen. Dies ist einer der Indikatoren dafür, dass unsere Gesellschaft für die umfassende Umsetzung von Öko-Prinzipien bereit ist. Wir müssen uns nur ein wenig anstrengen“, sagt Aliıa Salmenova.

Auch die Behörden haben ihre Einstellung verändert: Staatliche Organe begannen sich für das Projekt „Darmarka“ zu interessieren. Sie helfen bei der Verbreitung von Informationen, der Suche nach Veranstaltungsorten etc.

Eine weitere Errungenschaft der Aktivist:innen aus Almaty besteht darin, dass das Format „Darmarka“ auch in anderen Städten übernommen wurde. „Ich habe Mädels aus Astana, Atyrau und Aqtau beraten, die die Idee ebenfalls unterstützten und begannen, in ihren Städten „Darmarkas“ abzuhalten. Auch in Qarağandy, Aqtöbe, Petropavl und Shymkent finden Aktionen statt. Letztes Jahr haben wir einen landesweiten Chat für diejenigen erstellt, die in ihren Städten „Darmarkas“ organisieren möchten. Wir sind immer offen und bereit, anderen zu helfen“, versichert Kamila Akimbekova.

Marina Hegaı für CABAR

Aus dem Russischen von Robin Roth

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