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Ala-Artscha-Fluss: Wasserverschmutzung gibt Aktivisten aus Bischkek Anlass zur Sorge

In den zurückliegenden Jahren hat sich die ständige Verschmutzung des Flusses Ala-Artscha in der Region Tschüj zu einem der schwerwiegendsten Umweltprobleme in Kirgistan entwickelt. Die Qualität des Flusswassers ist sowohl Umwelt- als auch Kulturaktivisten ein Anliegen.

TRASH 4 Festival Bischkek
Im Oktober 2022 haben Initiativen wie BiSCA, Tazar Mekenim und die Umweltorganisation MoveGreen die Umweltbedenken rund um den Fluss Ala-Artscha zusammen mit Bürgern und Behörden im Rahmen des Öko-Festivals „TRASH-4: Folge dem Müllstrom“ angespochen

In den zurückliegenden Jahren hat sich die ständige Verschmutzung des Flusses Ala-Artscha in der Region Tschüj zu einem der schwerwiegendsten Umweltprobleme in Kirgistan entwickelt. Die Qualität des Flusswassers ist sowohl Umwelt- als auch Kulturaktivisten ein Anliegen.

Der 78 Kilometer lange Fluss Ala-Artscha spielt eine entscheidende Rolle im Leben der kirgisischen Hauptstadt Bischkek. Er ist eine wichtige Trinkwasserquelle und dient der Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen in der gesamten Region Tschüj. „Viele kommerzielle Faktoren verschmutzen jedoch weiterhin den Ala-Artscha Fluss und seine Stauseen, darunter Ziegelfabriken, die städtische Mülldeponie oder private Wohnungen“, sagt Bermet Borubajewa, Umwelt- und Kulturaktivistin und Mitbegründerin der Bischkek School of Contemporary Art (BiSCA), im Gespräch mit Novastan.

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Der Ala-Artscha entspringt an den Nordhängen des kirgisischen Ala-Too-Gebirges. Es ist ein Zuläufer des Fluss Tschüj, der weiter nach Kasachstan fließt. „Ala-Artscha“ bedeutet „bunter Wacholder“, in Anspielung an die im gleichnamigen Nationalpark verbreitete Pflanze. Der Fluss fließt durch Vororte von Bischkek und Siedlungen wie Kaschka-Suu, Bajtyk, Orto-Saj, Tasch-Döbö und Majewka. Flussaufwärts ist das Wasser noch klar, wird aber beim Eindringen in die Stadt immer schmutziger. Weiter Flussabwärts, am nördlichen Stadtrand von Bischkek, füllt der Ala-Artscha drei Stauseen.

Ala-Artscha Fluss
Flussaufwärts ist das Wasser noch klar, wird aber beim Eindringen in die Stadt immer schmutziger

Im Jahr 2020 gab der Pressedienst der Kirgisischen Staatlichen Agentur für Umweltschutz und Forstwirtschaft die Ergebnisse chemischer Tests von Wasserproben aus dem Fluss und den Stauseen bekannt: Die maximal zulässige Konzentration von Ammoniumstickstoff wurde um das Zwei- bis Vierfache, von Ölprodukten um das Zwei- bis 11,4-fache überschritten. Bei Nitritstickstoff lagen die Werte sogar 11- bis 45-mal höher als erlaubt.

Eine Mülldeponie bei den Stauseen

Gemäß Artikel 6 des 2005 verabschiedeten kirgisischen Wassergesetzes sollten Entscheidungen über die Nutzung und den Schutz der Wasserressourcen die Bedürfnisse heutiger und künftiger Generationen, sowie die Auswirkungen auf den globalen Klimawandel und Wasserressourcen berücksichtigen. Artikel 69 sieht vor, dass die staatliche Wasserverwaltung im Einvernehmen mit der zuständigen staatlichen Umweltschutzbehörde und den örtlichen staatlichen Verwaltungsbehörden Wasserschutzzonen in der Nähe von Gewässern einrichtet.

In solchen Zonen sollen bestimmte Aktivitäten, die Wasserressourcen kontaminieren oder schädigen können, eingeschränkt oder verboten werden. Zu diesen Aktivitäten gehören zum Beispiel landwirtschaftliche Aktivitäten und der Betrieb industrieller Produktionsanlagen sowie die Lagerung, Verarbeitung und Entsorgung von Abfällen.

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Ganz in der Nähe der Ala-Artscha-Stauseen befindet sich jedoch die städtische Mülldeponie von Bischkek. „Die kommunale Deponie verzeichnet verschmutzte Leckagen von fast 50 Hektar Abfall – Deponiesickerwasser, das den Fluss Ala-Artscha erreichen kann“, sagt Ajmeerim Tursalijewa im Gespräch mit Novastan. Sie ist Mitbegründerin der Abfall-Initiative Tazar Mekenim, die eine mobile Anwendung für Abfallwirtschaft in Bischkek entwickelt hat.

Mülldeponie Bischkek
Die kommunale Deponie verzeichnet verschmutzte Leckagen von fast 50 Hektar Abfall – Deponiesickerwasser, das den Fluss Ala-Artscha erreichen kann

Laut einer Studie der UN Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) aus dem Jahr 2022 verfügt die Stadt Bischkek über eine solide Infrastruktur für die Sammlung fester Abfälle, hat aber eine sehr schwache Leistung beim Abfallrecycling. Lebensmittel und andere organische Abfälle machen fast 50 Prozent aller festen Abfälle in der Stadt aus. Allerdings werden nur 2,5 Prozent davon zu Biogas recycelt.

Organische Stoffe aus Deponien bilden Methanemissionen. Die Verwendung von landwirtschaftlichen und Lebensmittelabfällen für die Entwicklung von Biogas kann die Emissionen an Methan – ein Treibhausgas – reduzieren, so eine Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) aus dem Jahr 2021. Die Verarbeitung organischer Abfälle zu Düngemitteln kann weiterhin die Abfallmenge auf Deponien reduzieren.

Die städtische Mülldeponie bei Bischkek wurde in den 1970er Jahren für einen Zeitraum von zehn bis zwanzig Jahren errichtet, ist nun aber seit fast einem halben Jahrhundert in Betrieb. Bischkek hat im Jahr 2013 Investitionszuschüsse zur Verbesserung der Abfallwirtschaft von der Europäischen Union und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung erhalten – auch für die Sammlung, Entfernung und Entsorgung fester Abfälle.

Die alte Deponie sollte geschlossen und rekultiviert werden und eine neue sollte 2020 eröffnet werden. Laut Radio Azattyk, dem kirgisischen Dienst von Radio Free Europa/Radio Liberty, wurde das zunächst mit 22 Millionen Euro dotierte Bauprojekt jedoch um mehrere Jahre in die Länge gezogen, unter anderem wegen fehlender Mittel und der Corona-Pandemie.

Informelle Siedlungen

Zudem wurde in dem Gebiet um die Deponie und die Stauseen eine sogenannte Neusiedlung namens Altyn-Kasyk illegal errichtet. Es ist eine unter vielen solcher Siedlungen in der Gegend, wie ein Beitrag im „MANAS Journal of Engineering“ aus dem Jahr 2021 erläutert. Die dortigen Einwohner, die in einstöckigen Häusern in schlechten Bedingungen leben, seien demnach an der Sammlung von Wertstoffen auf der Deponie beteiligt. Die Dämpfe der Deponie betreffen alle Bewohner von Altyn-Kazyk.

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Borubajewa erklärt, dass auch der Immobilienmarkt die Umwelt in Bischkek negativ beeinflusst.  Bauunternehmen nutzen städtische Landressourcen wie Parks und öffentliche Gärten. Die Stadtverwaltung muss die Landnutzung überprüfen, versucht aber gleichzeitig, so viel Geld wie möglich herauszuschlagen, indem sie Land in der Nähe von Flüssen und Wasserreservoirs zum Bau freigibt“, erklärt die Aktivistin.

Erholungszonen und ihre Gefahren

Bei Ausflügen und Picknicks in der Nähe des Flusses hinterlassen Stadtbewohner viel Müll am Flussufer. Es ist auch weit bekannt, dass die Menschen ihre Autos und Teppiche direkt am Flussufer mit Waschmitteln waschen – und das nicht nur entlang des Flusses Ala-Artscha, sondern aller Gewässer Kirgistans“, erläutert Tursalijewa.  

Ala-Artscha Stausee
Wasser aus dem Ala-Artscha-Fluss wird verwendet, um drei Stauseen am nördlichen Stadtrand von Bischkek zu füllen

In Kirgistan haben wir nicht genug Kontrolle darüber, was die Menschen wegwerfen. Die Leute können ihren Müll direkt in den Fluss, die Berge, den Wald werfen“, fügt sie hinzu. „Im Sommer gibt es Campingplätze rund um alle Stauseen desAla-Artscha. Fischer sind dort auch oft zu sehen, da die Fischerei weiter flussaufwärts eingeschränkt ist und der Wasserstand in der Stadt niedrig ist“, ergänzt Borubajewa.

Im Laufe der vergangenen Jahre haben Aktivisten der Umweltinitiative Ecostan in der Nähe des Dorfes Baytik eine improvisierte Müllkippe in einer Überschwemmungsebene des Flusses Ala-Artscha entdeckt. Anwohner hatten Bauschutt, Möbel und Hausmüll unkontrolliert in der Brache und Grünzone abgeladen.

Ein Festival gegen die Umweltverschmutzung

Das Problem des Recyclings, die allzu lange aktiv genutzte Mülldeponie und die Wasserverschmutzung sind Themen, denen sich Aktivisten aus Kirgistan in ihrer Tätigkeit nähern. Im Oktober 2022 haben Initiativen wie BiSCA, Tazar Mekenim und die Umweltorganisation MoveGreen die Umweltbedenken rund um den Fluss Ala-Artscha zusammen mit Bürger:innen und Behörden im Rahmen des Öko-Festivals „TRASH-4: Folge dem Müllstrom“ angesprochen.

Der Fokus des Festivals lag auf der Schlucht Ala-Artscha, dem Wohngebiet Altyn-Kazyk und den Ala-Artscha-Stauseen. Im Magazin „Aralasch“ (Kirgisisch für „Mix“) sollen schriftliche und künstlerische Reflexionen über Flussverschmutzung als Teil des Projektkatalogs veröffentlicht werden. Das TRASH-Festival geht auf die Initiative „ArtEast“ von Studierenden der School of Contemporary Art zurück, die 2009 von den bildenden Künstlern Gulnara Kasmalijewa und Muratbek Dschumalijew gegründet wurde. Borubajewa, eine Absolventin von ArtEast, glaubt, dass Kunst politische Probleme aufwerfen und Menschen dazu bringen kann, das ohnehin schon fragile Umweltgleichgewicht zu retten.

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Das erste TRASH-Festival (2009) zum Thema Umweltverschmutzung und das zweite TRASH-Festival (2011) zum Thema Entwaldung wurden von ArtEast und Studierenden durchgeführt. Das dritte TRASH-Festival über Kunst und Ökologie (2021) und das vierte über Wasser und Abfall wurden von Bermet Borubajewa, dem BiSCA-Team und Aimeerim Tursalijewa von Tazar Mekenim veranstaltet.

Im Jahr 2022 arbeiteten die Aktivistinnen auch mit der Plattform Urban Hub zusammen, um ein „Schaarkana“ zu Fragen der Abfallwirtschaft abzuhalten. Diese „Schaarkana“ ist ein Format für Stadtgespräche, bei denen Umweltaktivisten und Bewohner mit Vertretern des Bürgermeisteramtes  zusammensitzen und Ansichten, Wissen und gemeinsame Überlegungen über die Verschmutzung des Flusses Ala-Artscha und die Sammlung und Verarbeitung von Abfällen austauschen.

Irina Radu Autorin für Novastan.org

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