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Fünf Gründe, die Asiade in Aschgabat zu boykottieren

Die Asiade in der turkmenischen Hauptstadt Aschgabat dient nicht dem Sport, sondern nur dem Machtapparat, schreibt das Oppositionsmedium Alternative Turkmenistan News (ANT) und nennt fünf Hauptgründe für einen Boykott der Spiele. Wir übersetzen den Artikel mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Flaggen Turkmenistan Eröffnung Asiade Aschgabat
Die Flagge des asiatischen olympischen Rats und von Turkmenistan bei der Eröffnungsfeier der Asiade

Die Asiade in der turkmenischen Hauptstadt Aschgabat dient nicht dem Sport, sondern nur dem Machtapparat, schreibt das Oppositionsmedium Alternative Turkmenistan News (ANT) und nennt fünf Hauptgründe für einen Boykott der Spiele. Wir übersetzen den Artikel mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Seitdem bekannt ist, dass Aschgabat die diesjährigen Asiatischen Hallen- und Kampfsportspiele organisiert, war die Organisation des Sportereignisses eine schwere Bürde für die Einwohner Turkmenistans. Das autoritäre Regime des Präsidenten Gurbanguly Berdimuchammedow nutzt jede Gelegenheit, um seiner Bevölkerung die internationale Anerkennung des Landes und seiner Führung zu demonstrieren.

Die Teilnahme von demokratischen Ländern aus Asien und Ozeanien an den Spielen ist eine solche Gelegenheit. So gäbe es mehrere Gründe für diese Länder, ihre Athleten nicht zu den Asiade in Aschgabat zu schicken.

Die Asiade hat Zehntausende um ihre Wohnung gebracht

Zwischen März 2014 und April 2015 wurden im den aschgabater Vorort Tschoganly für die Vorbereitung auf die Spiele mehr als 10 000 Häuser abgerissen. Dabei wurden mindestens 50 000 Menschen um ihre Wohnung gebracht.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International schließt auf diese Zahlen aus der Beobachtung von Satellitenaufnahmen vor und nach den Baumaßnahmen und aus Gesprächen mit der lokalen Bevölkerung. Laut Zeugenaussagen schützten die Einwohner ihr Eigentum, so gut sie konnten. Manche stellten sich mit ihren Kindern vor die Bagger, doch in Turkmenistan hilft das wenig gegen die Regierung.

So berichtete etwa Radio Free Europe 2015, wie die Polizei eine Gruppe Frauen vertrieb, die gegen die Willkür der lokal Behörden protestierte. Eine der Frauen starb an den Folgen der Aktion.

Den wegen der Asiade Umgesiedelten wurden weder alternative Wohnungen noch Bauland als Kompensation angeboten.

Die Organisation ist finanziell intransparent

Einer der Gründe für den Abriss von Tschoganly war der Bau des neuen internationalen Flughafens in der Nähe. Es ist der größte Flughafen Zentralasiens und zeichnet sich durch sein Design in Form eines riesigen Vogels aus.

Der alte Flughafen wurde abgerissen, dabei war er erst 22 Jahre in Betrieb und bei weitem ausreichend für den relativ schwachen Flugbetrieb der turkmenischen Hauptstadt. Die Baulizenz für das neue Gebäude wurde vom Präsidenten persönlich und ohne öffentliche Ausschreibung der türkischen Firma Polymex zugeteilt.

Insgesamt kostete der Bau mehr als 2,2 Milliarden US-Dollar. Wenige Monate nach der Vertragsannahme durch Polymex wurde in Istanbul ein Flugzeug mit 1,3 Tonnen Gold an Bord festgehalten. Die unangemeldete Ladung gehörte der Baufirma. Offiziell hatte sie den Transport von Sanitärtechnik angemeldet.

In Ländern, die mit einer Zivilgesellschaft und einer unabhängigen Presse ausgestattet sind, hätte solch ein Skandal zu einer Reihe von Prozessen und der Entlassungen von mehreren höheren Beamten geführt, wie vor kurzem in Südkorea. In Turkmenistan geschah nichts davon.

Polymex blieb nicht nur unbehelligt, die Firma erhielt später sogar den Bauauftrag für das olympische Dorf der Asiade, für ein Gesamtbudget von fünf Milliarden US-Dollar. Wie beim Bau des Flughafens wurde der turkmenischen Bevölkerung verschwiegen, wie der Auftrag vergeben wurde und warum die Baukosten so hoch ausfallen.

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Dabei war der staatliche Haushalt bereits ein Jahr vor dem Sportereignis leer. Für die Vorbereitungen der Asiade wurden Beamte und Angestellte staatlicher Firmen zu Spenden genötigt.

Wer Kritik übt, kommt ins Gefängnis

Präsident Berdimuchammedow, wie schon sein Vorgänger Saparmurat Nijasow, toleriert keine Kritik. Wer es doch wagt, sie auszusprechen, muss mit Jobverlust, körperlichen Angriffen oder Freiheitsentzug rechnen. Ohne etwaigen Rechtsstaat kommt das einem langsamen Tod oder einem spurlosen Verschwinden gleich.

Ende 2003, noch unter dem alten Präsidenten, galten bereits Dutzende als Verschwunden. Sie waren des Putsch- oder Mordversuchs am Präsidenten angeklagt. Darunter sind zwei ehemalige Außenminister: Boris Schichmuradow (1995-2000) und Batyr Berdijew (2001-2002). Über ihren heutigen Zustand ist genauso wenig bekannt, wie über die hunderte anderen Bürger, die infolge der Massenrepressionsen zu Beginn der 2000er im Gefängnis landeten.

So gelten etwa 60 Einwohner der Stadt Turkmenabad als Verschwunden, die wegen ihrer religiöser Ansichten zu Hadtstrafen verurteilt wurden. Der Vorsitzende dieser Gruppe, Bachram Saparow, wurde zuletzt 2014 im härtesten turkmenischen Gefängnis Owadan-Depe gesichtet. Laut der entsprechenden Zeugenaussage war er vor lauter Schläge kaum wiederzuerkennen.

Es sind auch solche im Gefängnis, die es gewagt haben, Missstände an ausländische Diplomaten oder Journalisten weiterzugeben. Sie wurden meist wegen Drogennutzung oder –handels verurteilt. Unter ihnen ist Mansur Mingelow, der sich für die Rechte der Belutschi-Minderheit einsetzt und sich nicht fürchtete, elf Fälle von Folter an Belutschen an die Drogenfahndung der US-Botschaft, die OSZE und den turkmenischen Generalstaatsanwaltschaft zu melden. Daraufhin wurde er selbst 2012 wegen mehrerer vermeintlicher Vergehen, darunter Drogenschmuggel, zu 22 Jahren Haftstrafe verurteilt.

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Auch der Bürgeraktivist Saparmamed Nepeskulijew wurde im Sommer 2015 wegen Drogenschmuggel verurteilt. Er hatte Radio Free Europe und Alternative Turkmenistan News über den schlechten Zustand mancher Städte berichtet, in denen tagelang die Wasserversorgung ausfällt, die Straßen unbefahrbar sind und die Gesundheitsinstitutionen nicht funktionieren.

Diese Berichte fielen schon in die Vorbereitungszeit der Asiade. In einem geschlossenen Verfahren wurde Nepeskulijew zu drei Jahren Haftstrafe verurteilt. Die UN-Arbeitsgruppe für willkürlich Inhaftierte stufte seinen Arrest als repressiv ein und forderte seine unverzügliche Freilassung.

In Turkmenistan gibt es Sklaverei

Jeden Herbst werden mehrere Tausend Bürger Turkmenistans, meistens Staatsangestellte, zur Baumwollernte gezwungen. Darunter zählen auch Lehrer und Ärzte. Es gibt eine Reihe an Strafen für die, die sich weigern oder ihre Quoten nicht erfüllen, von der Ermahnung zur Entlassung. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit im Land möchte keiner seinen Job riskieren.

Einige weltweite Marken haben schon erklärt, dass sie keine Baumwolle aus Turkmenistan mehr kaufen. In ihrem jährlichen Bericht zu Menschenhandel hat die US-Amerikanische Regierung Turkmenistan 2016 auf die niedrigste Stufe herabgesetzt.

Gaspar Matalajew aus Turkmenistan wurde 2016 zu drei Jahren Haftstrafe verurteilt, weil er sich gegen die Zwangsarbeit in der Baumwollernte aussprach. Wie Mingelow und Nepeskulijew sitzt er aus politischen Motiven hinter Gittern.

Aus der Baumwolle der turkmenischen Felder wird auch die Sportkleidung der Teilnehmer der Asiade hergestellt, wie auch die Handtücher und Bettbezüge der Hotels für die Athleten.

Haustiere werden massiv erlegt

Im Rahmen der Vorbereitungen auf die Asiade wurde die Stadtverwaltung von Aschgabat damit beauftragt, Katzen und Hunde von den Straßen verschwinden zu lassen. Offiziell werden die Tiere aus „sanitären“ Gründen erlegt, aber eigentlich sollen sie nicht dem Organisatoren der Asiade Berdimuchammedow in die Augen fallen.

Die Methoden, mit denen man gegen die Tiere vorgeht, sind rudimentär: es werden Metallstäbe, Schaufeln und Seile zur Erstickung genutzt. Die Stadtangestellten unterscheiden auch nicht zwischen wilden- und Haustieren. Oft agieren sie in den Innenhöfen vor den Augen der Kinder oder der Tierhalter, die nicht rechtzeitig zur Hilfe kommen können. Straßenhunde und –katzen werden auch mit vergifteter Nahrung erlegt. Die Kadawer werden in Gruben außerhalb der Stadt entsorgt.

Tierschützer in Turkmenistan haben schon hunderte solcher Fälle festgehalten, teils auf Foto- oder Videomaterial. Dafür riskieren sie ebenfalls Verfolgungen oder Ermittlungen und könnten durch fingierte Straftaten verurteilt werden.

Für einen Boykott

Das sind nur ein paar der Gründe, aus denen demokratische Länder nicht an der Asiade teilnehmen sollten. Man könnte noch weitere hinzuzählen, wie die kriminalisierung homosexueller Beziehungen in Turkmenistan und die häufigen Misshandlungen durch die Polizei und erniedrigende „Untersuchungen“ durch die Gerichtsmedizin. Hunderte Männer sitzen wegen Homsexualität im Gefängnis, wo sie weiter von ihren Mithäftlingen und dem Wachpersonal misshandelt werden.

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Die zu der Asiade eingeladenen Länder, die für Menschenwürde, Menschenrechte, bürgerliche Freiheiten und Rechtsstaatlichkeit stehen, sollten ihre Teilnahme absagen. Dieses Sportereignis dient nicht in erster Linie dem Sport, sondern dem Personenkult und der persönlichen Bereicherung des Präsidenten Berdimuchammedow.

Es ist kein Geheimnis, dass sich die Behörden mit dem Ausrichten der Asiade für Turkmenistan ein weltweit anerkanntes Image als starkes, wirtschaftlich stabiles und gastfreundliches Land erhoffen. Die Welt muss aber auch die Schattenseiten davon kennenlernen.

Ruslan Mjatijew
Chefredakteur von ANT

Aus dem Russischen von Florian Coppenrath

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