Aschgabat ist laut dem amerikanischen Beratungsunternehmen Mercer die weltweit teuerste Stadt für Expats. Das Ranking berücksichtigt jedoch nicht die signifikanten Unterschiede zwischen Gehältern in Fremdwährung und solchen in der Landeswährung Manat.
Das amerikanische Beratungsunternehmen Mercer ist für das Jahr 2021 zu der Einschätzung gekommen, dass Aschgabat die für Expats teuerste Stadt der Welt ist. Seit der Einführung des Rankings im Jahr 2019 ist es das erste Mal, dass die Hauptstadt Turkmenistans unter den 209 aufgeführten Städten den ersten Platz belegt.
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Das jährliche Ranking von Mercer wird verwendet, um Unternehmen und Regierungen dabei zu helfen, eine Lohnpolitik für ihre Expats zu definieren. Es basiert auf den Lebenshaltungs- und Unterkunftskosten in verschiedenen Städten auf der ganzen Welt, die anhand eines Warenkorbs aus 200 Gütern und Dienstleistungen – von der Wohnung bis zu Essen, Kultur und Freizeitaktivitäten – bemessen werden.
Diese Produkte von „internationaler Qualität“, entsprechen laut Mercer dem Konsum eines typischen Expats, der sich oft stark von dem eines Einheimischen unterscheidet. Generell sind die Lebenshaltungskosten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen deutlich niedriger als in wohlhabenden internationalen Metropolen.
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Die Situation in den anderen im Ranking erfassten Städten Zentralasiens ist im Übrigen vollkommen anders. Kasachstans ehemalige Hauptstadt Almaty (193.), Usbekistans Hauptstadt Taschkent (203.) und Kirgistans Hauptstadt Bischkek (209.) befinden sich allesamt am Ende der 209 Plätze umfassenden Skala. Nach Berechnungen der Website Expatistan sind die Lebenshaltungskosten in Bischkek um 49 Prozent niedriger als in Aschgabat.
Starke Inflation
Dabei sind es weder die wirtschaftliche Attraktivität noch hohe Löhne, die Aschgabats Position erklären. Laut Jean Pierre Sarra, der den Bereich „Internationale Mobilität“ von Mercer France leitet, ist Aschgabats Aufstieg vor allem mit der hohen Inflation vor Ort verbunden. Der Preisanstieg ist eine Folge der Wirtschaftskrise, die Turkmenistan aufgrund sinkender Gaspreise getroffen hat. Erdgas ist die wichtigste Exportressource des Landes.
Zudem hat der rückläufige Handel mit dem wichtigsten Außenhandelspartner China die turkmenische Wirtschaft ihrer bedeutendsten Devisenquelle beraubt [fr/ru] – eine Folge der Coronavirus-Pandemie, obwohl Turkmenistan immer noch behauptet, keine einzige Infektion auf seinem Boden gehabt zu haben.
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Der daraus resultierende Rückgang der Staatseinnahmen führt zu einer begrenzten Einfuhr subventionierter Lebensmittel. Turkmenistans Nahrungsmittelverbrauch hängt jedoch zu 60 Prozent von der Außenwelt ab, hauptsächlich vom benachbarten Iran. Die sich vor dem Hintergrund von Korruption, Lebensmittelrationierung und Preiserhöhungen verschärfende Versorgungskrise trifft die Bevölkerung hart.
Zweierlei Wechselkurse
Dies gilt jedoch hauptsächlich für TurkmenInnen, die ihr Gehalt in der Nationalwährung Manat bekommen. Für Expats, die oft in US-Dollar oder anderen Fremdwährungen bezahlt werden, sieht die Situation anders aus. Wie eine lokale Quelle gegenüber Novastan mitteilte, berücksichtigt das Ranking von Mercer nicht den vorherrschenden doppelten Wechselkurs.
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Tatsächlich gibt es neben dem offiziellen Wechselkurs von 3,50 Manat für einen US-Dollar, einen inoffiziellen Kurs. Dieser beträgt derzeit 33 Manat pro US-Dollar und ist letztendlich der effektive. Mit einem Dollargehalt lässt es sich also sehr bequem leben, ohne von Inflation oder Nahrungsmittelknappheit betroffen zu sein.
Stéphane Duperray, Redakteur für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth
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