Anlässlich des diesjährigen Internationalen Filmfestivals des asiatischen Kinos in Vesoul wurden mehrere Dokumentar- und Spielfilme gezeigt, die sich mit Zentralasien befassen. Das französische Team von Novastan war zum Anlass dieser seltenen Gelegenheit für die Vorstellung mehrerer Filme vor Ort.
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Das Internationale Festival des asiatischen Kinos (frz.: Festival international des cinémas d’Asie) fand in diesem Jahr vom 1. bis zum 8. Februar in der französischen Stadt Vesoul statt und zeigte im Rahmen des Sonderprogrammpunkts ‚Blick auf die Kinos der Seidenstraße‘ zahlreiche zentralasiatische Filme.
Unter den verschiedenen Filmen des zentralasiatischen Kinos, die im Rahmen des Festivals gezeigt wurden, erlangten Dschamsched Osmonows ‚Pour aller au ciel, il faut mourir‘ (dt.: Um in den Himmel zu kommen, muss man sterben) und Darezhan Omirbaevs ‚L’étudiant‘ (dt.: Der Student) besondere Aufmerksamkeit.
Diese beiden Filme, die in ihrer Gestaltung recht unterschiedlich sind, behandeln mehrere gemeinsame Kernthemen.Etwa das Erwachsenwerden Jugendlicher aus der Provinz, die in Großstädten umherirren und nach Sinn und etwas Absolutem suchen, dem sie nur durch Regelverstöße näherkommen können.
Bewegende Bekanntschaften in Duschanbe
Der tadschikische Regisseur Dschamsched Usmonow widmet sich in seinem Film, der 2006 in die Kinos kam und im selben Jahr in der Auswahl ‚Un certain regard‚ bei den Filmfestspielen in Cannes gezeigt wurde, der Geschichte des 20-jährigen und frisch verheirateten Kamal, der es nicht schafft, eine sexuelle Beziehung zu seiner Frau aufzubauen. Er reist daraufhin in die Hauptstadt Duschanbe, in der Hoffnung, dort Frauen kennenzulernen, denen es gelingt, ihn mit seiner eigenen Sexualität vertraut zu machen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen ändert eine Frau, die er in einem Bus trifft, tatsächlich sein Leben – aber nicht unbedingt so, wie er es sich vorgestellt hatte.
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‚Pour aller au ciel, il faut mourir‘ (dt.: Um in den Himmel zu kommen, muss man sterben) wurde in Tadschikistan gedreht und ist der letzte Film des Regisseurs. Er thematisiert auf subtile Weise die Spannung zwischen der Freiheit des Einzelnen und bereits vorgezeichneten Lebenswegen. Der mit Laiendarsteller:innen gedrehte Film beschreibt auch, wie sich Freiheit und Schicksal durch die Begegnungen der Figuren miteinander verflechten und auf ihr weiteres Leben auswirken.
Dschamsched Usmonow hat seinen Film ‚L’ange de l’épaule droite‘ (dt.: Der Engel an der Seite) bereits am 28. November 2021 im Rahmen des Tadschikistan-Wochenendes im Guimet-Museum in Paris präsentiert. Nach und nach wird so das bedeutende Werk eines der wichtigsten zeitgenössischen tadschikischen Regisseure auf internationaler Bühne gezeigt und einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Verbrechen und Strafe in Kasachstan
Der Film ‚L’étudiant‘ (dt.: Der Student) des kasachstanischen Regisseurs Darezhan Omirbaev aus dem Jahr 2012 ist ein Versuch, den Roman ‚Schuld und Sühne‘ von Fjodor Dostojewski auf das heutige Almaty zu übertragen. In dem Film folgen wir als Zuschauende einem jungen Philosophiestudenten aus der Provinz. Der Sozialdarwinismus, der ihm während seiner Vorlesungen vermittelt wird, inspiriert ihn dazu, aus der Isolation und der Prekarität seines Lebens auszubrechen, indem er eine Tat vollbringt, die als ultimativer Ausdruck von Macht angesehen wird: Einen Mord. Diese Tat bringt ihm jedoch nicht die Befreiung und den erhofften Aufstieg, sondern treibt ihn im Gegenteil noch tiefer in seine Einsamkeit.
‚L’étudiant‘ gewährt einen Einblick in ein Kasachstan im Umbruch, wobei die Stadt Almaty mit den gerade entstehenden Wolkenkratzern die Kulisse für dieses eher stille Drama bildet. Dieser Film, der sechste Spielfilm des Regisseurs, wurde auch in der Auswahl ‚Un Certain Regard‘ bei den Filmfestspielen von Cannes 2012 gezeigt. Die filmische Umswetzung von ‚L‘étudiant‘ war hinter den Kulissen Gegenstand eines Dokumentarfilms unter der Regie von Hervé Portanguen, der auch online anzusehen ist.
‚Poet‘, die neueste Filmproduktion von Darezhan Omirbaev, feierte am 31. Oktober letzten Jahres beim Filmfestival in Tokyo ihre internationale Premiere.
Amelia Boyart-Bienenfeld
Für Novastan France
Aus dem Französischen von Flavia Gerner
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