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Tadschikistans Corona-Politik legt die Beziehungen zu Russland auf Eis

Das Coronavirus hat die Beziehungen zwischen Tadschikistan und Russland lahmgelegt. Da die Rücküberweisungen der Arbeitsmigranten zurückgegangen sind, bringt Duschanbe wiederholt seine Bereitschaft zum Ausdruck, den Flugverkehr nach Russland wieder aufzunehmen. Doch Moskau hat es nicht eilig. Dieser Artikel erschien im tadschikischen Original am 09.03.2021 auf Radioi Ozodi. Wir übersetzen ihn mit freundlicher Genehmigung.

Emomalij Rahmon und Vladimir Putin
Der tadschikische Regierungschef Emomalij Rahmon und der russische Präsident Vladimir Putin vor einem russischen Fllugzeug.

Das Coronavirus hat die Beziehungen zwischen Tadschikistan und Russland lahmgelegt. Da die Rücküberweisungen der Arbeitsmigranten zurückgegangen sind, bringt Duschanbe wiederholt seine Bereitschaft zum Ausdruck, den Flugverkehr nach Russland wieder aufzunehmen. Doch Moskau hat es nicht eilig. Dieser Artikel erschien im tadschikischen Original am 09.03.2021 auf Radioi Ozodi. Wir übersetzen ihn mit freundlicher Genehmigung.

Nach einem Jahr Unterbrechung werden die regulären Flugrouten von Tadschikistan nach Kasachstan und Afghanistan wieder bedient. Zuvor wurden Direktflüge in die Türkei, in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Usbekistan wieder aufgenommen.

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Laut Ikrom Subhonsoda, Leiter der tadschikischen Zivilluftfahrtbehörde, gehen gewöhnlich 70 Prozent der Flüge aus Tadschikistan in russische Städte. Dennoch sind tadschikische Arbeitsmigranten nach wie vor aufgrund der Coronavirus-Beschränkungen von Reisen nach Russland ausgeschlossen. Der ausbleibende Berufsverkehr nach Russland hat sich auf die Wirtschaft Tadschikistans und die Kaufkraft der Bevölkerung ausgewirkt, da ein Großteil der Menschen von den Rücküberweisungen der Arbeitsmigranten abhängig ist. Vor etwa einem Monat wurde auf einer Sitzung der tadschikisch-russischen Kommission für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Moskau angekündigt, dass russische Spezialisten nach Tadschikistan kommen würden, um die Gesundheitssituation zu untersuchen. Das genaue Datum ihres Besuchs wurde jedoch nicht bekannt gegeben.

Tadschikistan ist auf Rücküberweisungen angewiesen

Nach der Sitzung der zwischenstaatlichen Kommission vom 8. bis 9. Februar dieses Jahres erklärte die tadschikische Seite, dass „eine Reihe von Fragen der Zusammenarbeit in den Bereichen Politik, Handel und Wirtschaft, Investitionen, Kultur, der humanitären Hilfe und anderen Bereichen erörtert wurden. Russland wurde gebeten, die Wiederaufnahme der Flüge zwischen den beiden Ländern so bald wie möglich in Betracht zu ziehen.

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Laut der Webseite der russischen Regierung „haben sich die Parteien darauf geeinigt, Vertreter des russischen Verbraucherschutzes Rospotrebnadsor nach Tadschikistan zu entsenden und betonen die Wichtigkeit der Zusammenarbeit im Bereich der Migration.“ Die russische Regierung äußerte sich bisher nicht zur Wiedereröffnung der Grenzen.

Warum zögert Russland mit der Wiederaufnahme des Flugverkehrs?

Das Ausbleiben einer positiven Entscheidung zur Wiedereröffnung der russischen Grenzen hat zu Spekulationen geführt. Einige Beobachter sagen, dass Moskau auf diese Weise ein weiteres Instrument erworben hat, um Druck auf Duschanbe auszuüben, der Eurasischen Wirtschaftsunion (EEU) beizutreten. Der tadschikische Außenminister Sirodschiddin Muchriddin bestritt diese Vorwürfe jedoch am 15. Februar auf einer Pressekonferenz. Ihm zufolge hat Russland Tadschikistan keine Bedingungen auferlegt, einschließlich des Beitritts zur Eurasischen Wirtschaftsunion. Der Minister sagte, Tadschikistan erörtere einen Beitritt noch und die Position der Regierung zu diesem Thema habe sich nicht geändert.

Russland hat den Luftverkehr mit den Mitgliedstaaten der Eurasischen Wirtschaftsunion Kirgistan, Kasachstan, Weißrussland und Armenien bereits im September 2020 wieder aufgenommen. Bürger Kirgistans haben mittlerweile die Möglichkeit, zwischen zwei Flugverbindungen pro Woche nach Russland zu wählen. Gleichzeitig funktionieren selbst die diplomatischen Kanäle zwischen Duschanbe und Moskau nicht einwandfrei. Die Behörden in Tadschikistan versuchen seit mehr als einem Monat erfolglos, ihren Staatsbürger Furkat Abdufattojew aus der Haft im russischen Baschkortostan zu befreien, wo er auf Antrag Kirgistans festgenommen und der Beteiligung an Grenzunruhen beschuldigt wurde, obgleich seine Verwandten aussagen, dass die Anklage gegen ihn unbegründet ist.

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Nach Angaben des Ministeriums für Arbeit und Migration sind im Jahr 2020 rund 130.000 Menschen aus Tadschikistan ausgewandert, 76 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Nationalbank von Tadschikistan zufolge gingen die Überweisungen aus dem Ausland im Jahr 2020 um 6,3 Prozent zurück. Nach Aussage der russischen Zentralbank beliefen sich die Überweisungen nach Tadschikistan in den ersten neun Monaten des Jahres 2020 auf rund 1,2 Milliarden Dollar, was etwa 37 Prozent weniger ist als im gleichen Zeitraum des Jahres 2019. Die Überweisungen an tadschikische Bürger werden wahrscheinlich weiterhin abnehmen, wenn die Reisebeschränkungen nach Russland bestehen bleiben.

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Der unabhängige politische Analyst Parwis Mullodschonow ist der Ansicht, dass die Nachfrage nach Migranten auf den russischen Märkten derzeit gering ist und auf den Bausektor begrenzt sein könnte. „Die Wiedereröffnung der Grenzen zu den EEU-Mitgliedstaaten sollten ausreichen, die Nachfrage zu decken“, sagt er. „Arbeitnehmer aus Tadschikistan und Usbekistan können momentan nur mit spezifischen Verträgen eingestellt werden“, fügt Mullodschonow hinzu. Laut dem Experten muss die tadschikische Regierung mehr Kredite von China aufnehmen, wenn Migranten weniger Geld senden, „da es keinen anderen Weg gibt“.

Druck oder Vorsicht Russlands?

Laut Stanislaw Prittschin vom Nationalen Institut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften versucht Moskau zunächst einmal, seine Bevölkerung vor neuen Wellen des Coronavirus zu schützen. Es bestehe keine Notwendigkeit, nach politischen Motiven zu suchen. „Es gibt effektivere Wege, die Situation der Wanderarbeiter und ihren Status in Russland als mögliches Druckinstrument, der EEU beizutreten, zu nutzen, zum Beispiel, indem man ihre Registrierung erschwert. Wirklich effektive Druckmittel hängen direkt von den Migranten ab“, sagt er. Laut Prittschin bestehe der Hauptgrund für die Entsendung von Ärzten nach Tadschikistan darin, genaue und unvoreingenommene Informationen über die epidemiologische Situation vor Ort zu erhalten.

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Moskau übt bereits seit 2011 Druck auf Duschanbe aus, nachdem ein russischer Pilot verurteilt wurde, die Staatsgrenze illegal überschritten zu haben. Die Beziehungen zwischen Tadschikistan und Russland haben sich seitdem verschlechtert. Kurze Zeit später entdeckte die russische Einwanderungsbehörde tausende illegale tadschikische Migranten im Land und bereitete ihre Abschiebung vor. Darüber hinaus erklärte der russische Gesundheitsminister, Arbeitsmigranten seien eine Hauptquelle für AIDS und Tuberkulose. Die Agrarbehörde Rosselchosnadsor hat außerdem angekündigt, die Einfuhr aller Kräuterprodukte aus Tadschikistan unter Verstoß gegen gesundheitliche Standards zu beschränken.

Mangelhafte Corona-Statistiken bereiten Russland Sorge

Derzeit gibt es einige Hemmnisse in den Beziehungen zwischen Duschanbe und Moskau. Experten sind der Ansicht, dass Russland wenig Vertrauen in Tadschikistans offizielle Statistiken über das Coronavirus hat. Duschanbe hat Infektionsfälle mit COVID-19 im Land erst am 30. April 2020, einen Tag vor dem Eintreffen der Weltgesundheitsorganisation, offiziell anerkannt. Vor einem Monat berichteten Medien über einen Todesfall mit vorangehenden Symptomen von COVID-19, doch die Regierung bestritt dies. Nach offiziellen Angaben sind seit Beginn der Pandemie nur 90 Menschen in Tadschikistan gestorben. Inoffizielle Quellen zeigen jedoch, dass die tatsächliche Zahl der Opfer des Coronavirus viel höher liegt.

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Andrej Serenko, ein russischer politischer Analyst, sagt, Russlands Wirtschaft brauche Migranten, doch für die Behörden wiegt der Nutzen der Reisebeschränkungen den Schaden auf. „Russland befindet sich derzeit in einer aktiven Impfkampagne gegen COVID-19 und es wird einige Zeit dauern, bis diese Kampagne erfolgreich ist“, erläutert Serenko. „Nach den Impfungen werden die Behörden keine Angst mehr vor epidemiologischen Wellen wie im letzten Jahr haben“, erklärt er. Russland ist Tadschikistans wichtigster Handels- und Wirtschaftspartner. Zwischen den Ländern besteht ein strategisches Partnerschaftsabkommen. Den Daten von Januar bis Oktober 2020 zufolge belief sich der Handelsumsatz zwischen den beiden Ländern auf 800 Millionen Dollar, 6 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Jahres 2019. In Tadschikistan gibt es die größte Militärbasis außerhalb Russlands – die Basis 201 mit mehr als 7500 Soldaten.

Chursand Churramow für Radioi Ozodi

Aus dem Tadschikischen von Robin Shakibaie

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