In einer Ansprache vor dem Parlament hat Tadschikistans Präsident Rahmon bekanntgegeben, dass es in diesem Jahr keine neuen Fälle von Covid-19 im Land gegeben habe. BeobachterInnen und ExpertInnen meinen jedoch, dass die zentralasiatische Republik keine zuverlässige Informationsquelle in Bezug auf das Virus ist.
Der folgende Artikel erschien im Original auf der englischsprachigen Version von Novastan.
Tadschikistan ist Covid-frei. Dies erklärte zumindest Präsident Emomali Rahmon am 26. Januar vor dem Parlament. „Heute sind wir dankbar, dass es seit Anfang Januar im Land keine Fälle von Infektionen mit dem Coronavirus gegeben hat. Deswegen erkläre ich zuversichtlich, dass es in Tadschikistan kein COVID-19 gibt“, sagte das tadschikische Staatsoberhaupt. Rahmon hatte bereits in seiner Neujahrsansprache an die Nation behauptet, dass das Virus aus Tadschikistan „fast verschwunden“ sei.
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Die Erklärung überrascht zu einer Zeit, in der andere Staaten in der Region eine hohe Zahl an Neuinfektionen sowie durch Covid-19 verursachte Todesfälle aufweisen. So registrierte Kasachstan zuletzt täglich über 1000 Neuinfektionen. Darüber hinaus wurde am 30. Januar die neue, in Großbritannien erstmals entdeckte Variante des Virus auch in Usbekistan nachgewiesen.
Nach Rahmons Rede beschloss die Regierung ab dem 1. Februar Moscheen wieder zu öffnen, wobei diese aber einem Bericht von RFE/RL zufolge Hygienemaßnahmen einhalten müssen. Des Weiteren mahnte der Präsident die BürgerInnen, Hygienevorschriften wie das Tragen von Masken weiterhin einzuhalten.
Eine unzuverlässige Erfolgsbilanz
Laut offiziellen Angaben der tadschikischen Behörden verzeichnet das Land 13.308 Coronavirus-Infektionen und 90 Todesfälle, wobei seit dem 10. Januar keine neuen Fälle mehr hinzukamen. Für den Zeitraum vom 1. bis zum 10. Januar werden aber ein Dutzend Neuinfektionen gezeigt. Damit stehen diese Angaben im Widerspruch zu Rahmons Behauptung, dass es 2021 keine neuen Fälle gegeben habe.
Aber auch diese Zahlen werden in Zweifel gezogen. „Gelinde gesagt verfügt die tadschikische Regierung nicht über die beste Erfolgsbilanz in Bezug auf Transparenz und genaue Informationen rund um die Pandemie“, erklärt Edward Lemon, Professor an der Texas A&M University und Präsident der Oxus Society for Central Asian Affairs.
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Im vergangenen Jahr verzeichnete Tadschikistan offiziell bis zum 30. April keine Covid-19-Fälle, obwohl lokale Medien bereits im März verdächtige Todesfälle gemeldet hatten. Auch danach gab eine Online-Liste von lokalen AktivistInnen eine viel höhere Zahl an Todesopfern an. Im Juni gab RFE/RL bekannt, dass 152 Personen auf der Liste tatsächlich an Covid-19 gestorben seien. Darüber hinaus zeigte das tadschikische Nachrichtenportal Asia-Plus anhand von Regierungsdaten, dass es im Jahr 2020 rund 4000 mehr Todesfälle gab als 2019.
Ein Mann, der „jedes Problem bewältigen kann“
„Es gibt immer den Wunsch der Regierung, sich selbst als erfolgreich und Emomali Rahmon als einen Führer von Weltrang darzustellen, der in der Lage ist, jedes Problem zu bewältigen“, sagt Edward Lemon. Die Erklärung von Emomali Rahmon scheint also dazu zu dienen, seine Autorität nach einem Jahr Wirtschaftskrise und Inflation wieder zu bekräftigen. Eine Analyse, die der tadschikische Politologe und Zivilgesellschafts-Aktivisten Parwis Mullodschonow teilt. Er sieht in Tadschikistans Covid-19-Zahlen „eine absichtliche Übertreibung aus politischen und wirtschaftlichen Gründen.“
„Die sozialen Spannungen nehmen zu, weil es im Land keine Arbeitsplätze gibt und tadschikische Arbeiter nicht nach Russland gehen können“, erklärt Mullodschonow. Tadschikistans Wirtschaft ist vor allem auf ArbeitsmigrantInnen in Russland angewiesen. Laut der Weltbank machten im Jahr 2019 persönliche Überweisungen 28,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Tadschikistans aus. Als Russlands Grenzen im März 2020 geschlossen wurden, um die Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern, blieben viele SaisonarbeiterInnen in Tadschikistan. Wie Asia-Plus berichtet, sind laut der russischen Zentralbank die Überweisungen von Russland nach Tadschikistan im ersten Halbjahr 2020 um fast 40 Prozent gesunken.
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Aber es gibt auch andere Faktoren zu berücksichtigen. „Die Zusammensetzung der tadschikischen Bevölkerung könnte auch die niedrigen Zahlen erklären“, meint Mullodschonow und weist darauf hin, dass Tadschikistans Bevölkerung jünger als die europäischer Länder wie Frankreich oder Großbritannien ist. Nur 3 Prozent der TadschikInnen sind über 65, was bedeuten könnte, dass die Risikogruppe kleiner ist und so mehr asymptomatische Coronavirus-Fälle auftreten. So sind in Großbritannien hingegen 18,5 Prozent der Bevölkerung 65 Jahre oder älter.
Valentine Baldassari
Aus dem Englischen von Robin Roth
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