Das Pamir-Gebirge ist der wichtigste touristische Anziehungspunkt in Tadschikistan und kann dem Fiskus zu soliden Einnahmen verhelfen. Aber TouristInnen können nicht dorthin gelangen ohne vorher eine Sondergenehmigung erhalten zu haben. Der folgende Artikel erschien im russischsprachigen Original auf Asia-Plus.
Ab dem kommenden Jahr erwartet die tadschikische Führung eine Million TouristInnen im Land. Gemäß dem Konzept zur Tourismus-Entwicklung Tadschikistans für den Zeitraum 2009-2019 sollen mehr als eine Million TouristInnen pro Jahr ins Land kommen, allerdings entspricht dies einem dreifachen Anstieg gegenüber den aktuellen Zahlen.
Die meisten Gäste werden von der einzigartigen Natur des Pamirs angelockt. Im September 2017 wurde der Pamir zum dritten Mal infolge und als einziges Objekt in einer ehemaligen Sowjetrepublik auf die Liste der Sustainable Destinations Top 100 aufgenommen. Aber seltsamerweise brauchen TouristInnen gerade für diese Region eine Sondergenehmigung.
Der schwierige Weg zur Sondergenehmigung
Wir haben uns an das Komitee für Tourismus-Entwicklung der Regierung Tadschikistans mit der Bitte um eine Stellungnahme gewandt. Die Anfrage blieb aber unbeantwortet. Des Weiteren haben wir einige Tourismus-Unternehmen in Duschanbe besucht. Wie sich herausstellte, können nicht alle beim Erhalt der Sondergenehmigung helfen.
Lediglich ein Unternehmen war bereit für eine Gebühr von 30 US-Dollar die Genehmigung für den Besuch des Autonomen Gebiets Berg-Badachschan zu besorgen. Ein anderes Unternehmen teilte uns mit, dass man sich direkt an die Migrationspolizei wenden könne, dort allerdings in der Schlange stehen müsse.
Lest auch auf Novastan: Willkommen auf dem Mars: Die Region Murghab in Tadschikistan
Auf eine Anfrage bei der Migrationspolizei teilte uns ein Mitarbeiter der Behörde mit: „Bringen Sie das Original des Passes und füllen Sie den Antrag aus. Wenn sie das morgens machen, können Sie am Ende des Arbeitstages das Dokument erhalten. Die Erlaubnis hat eine Gültigkeit von drei Monaten. Man muss bei der Bank 20 Somoni (ungefähr 2,50 US-Dollar) bezahlen sowie extra für unsere Dienstleistung.“
Offiziell ist die Sondergenehmigung zum Besuch des Autonomen Gebiets Berg-Badachschan für ausländische Staatsangehörige notwendig, da es sich um grenznahes Gebiet handelt. Dies wird durch die „Bestimmung zu grenznahen Gebieten auf dem Territorium der Republik Tadschikistan“ geregelt, die 2003 von der Regierung verabschiedet wurde.
Gemäß Paragraf 1 Absatz 2 dieser „Bestimmung“ ist der Aufenthalt in den grenznahen Gebieten ohne Sondergenehmigung des Innenministeriums sowohl ausländische Staatangehörigen als auch Personen ohne Staatsangehörigkeit verboten. Eine Ausnahme davon gilt, wenn im Einreisevisum und der damit verbundenen Einladung Orte aufgeführt werden, die sich in den grenznahen Gebieten befinden.
Einnahmen für den Fiskus?
Die Frage, warum man für ganz Berg-Badachschan eine Genehmigung braucht und ob diese Regelung nicht die Entwicklung des Tourismus behindert, ist bei ExpertInnen umstritten.
Ein Teil unserer GesprächspartnerInnen sagt, dass es keinen Nutzen bringe, dass ausländische Staatsangehörige für den Besuch des Pamirs eine Sondergenehmigung benötigen. Die Abschaffung dieser Regelung könne aus wirtschaftlicher Sicht zehnmal so nützlich sein. Die Sondergenehmigung sei wie ein zweites Visum innerhalb des Landes und ermögliche zusätzliche Korruption.
Lest auch auf Novastan: Arbeitslosigkeit, Armut und Missbrauch: Das Leben der Frauen in den entlegenen Gebieten Tadschikistans
Der Ökonom Amriddin Alijew ist sich sicher, dass der Staat diese Regelung aufgestellt hat, um auf legalen und illegalen Wege mit den Einreisegenehmigungen Geld zu verdienen. „Die Summe der Einnahmen durch die Sondergenehmigungen ist nicht hoch, aber es fließt Geld in den Staatssäckel. Und es gibt noch inoffizielle Zahlungen für die „Beschleunigung“, die an Vermittler und auf den Pamir spezialisierte Tourismusunternehmen gehen. In bin sicher, dass kein Tourismusunternehmen des Landes auch nur ein Wort gegen das Genehmigungssystem sagt, da sie Angst haben, dass man sie schließen könne. Und selbst das Komitee für Tourismus-Entwicklung ergreift nicht die Initiative zur Abschaffung der Sondergenehmigungen für Berg-Badachschan. In der Region gibt es keine großen Industrieunternehmen. Für die Entwicklung des Pamirs wäre eine höhere Anzahl an BesucherInnen eine gute Unterstützung, die nicht nur Infrastruktur und neue Arbeitsplätze schaffen, sondern auch den wirtschaftlichen Wohlstand der Bevölkerung Berg-Badachschans erhöhen würde“, meint der Experte.
Konkurrenz, Steuern und wirtschaftliche Probleme
Der Großteil der TouristInnen, die nach Zentralasien kommen, wählen das benachbarte Kirgistan, das in Bezug auf die klimatische und wirtschaftliche Bedingungen Tadschikistan ähnlich, aber ausländischen Gästen gegenüber offener ist. Einige SpezialistInnen meinen, dass die Notwendigkeit eine Genehmigung für den Besuch des Pamirs zu erhalten in erster Linie keine Barriere für die TouristInnen, sondern für kirgisische Tourismusunternehmen sei.
Lest auch bei Novastan: Von der Hochzeitsreise in Kasachstan zur Plattform für P2P-Zentralasienreisen
Der Wirtschaftswissenschaftler Subchon Malikow bestätigt, dass es keine Zugangsbeschränkung für den Pamir gibt. „Jeder, der es will, kann dorthin fahren“, sagt er. „Die Erlaubnis für den Besuch des Pamirs ist kein wesentliches Hindernis, wenn man nicht die finanziellen Ausgaben von ein paar Dollar zählt. Und es dauert ein paar Stunden sie zu erhalten. Anderseits ist die Sondergenehmigung ein kleiner aber bedeutender Faktor, der eine Invasion kirgisischer Tourismusunternehmen verhindert.“
Der Experte meint, dass einige VertreterInnen der Tourismusbranche in den Sondergenehmigungen nichts Schlechtes sehen: „Warum denken die Verfechter der Abschaffung nicht daran, dass Tourismusunternehmen aus dem Nachbarland bei uns keine Steuern zahlen. Den Löwenanteil der (Erlöse aus der, Anm. d. Ü.) verkauften Tour behalten sie für sich und zahlen nur eine winzige für den Service tadschikischer Anbieter. Ansonsten gibt es keine Hindernisse für Touristen.“
Sicherheit über alles?
Wiederum andere meinen, dass die Genehmigungen unumgänglich für die Sicherheit eben jener TouristInnen seien. Sie weisen darauf hin, dass in den entlegenen Gegenden des Pamirs die Infrastruktur schwach ausgebaut und die Straßen gefährlich sind. Rettungsdienste können nicht immer kurzfristig den TouristInnen zur Hilfe kommen. Andere führen das Gegenargument an, dass die TouristInnen durch die Sondergenehmigung keinerlei Garantie für ihre Sicherheit erhalten.
Der Wirtschaftskommentator Nur Safarow sagt, dass das Problem der Erreichbarkeit und des Tourismus im Pamir mit historischen Wendepunkten und Fragen des Einflusses verschiedener Länder in dieser ungewöhnlichen Region Tadschikistans verbunden sei.
Lest auch auf Novastan: Frauen am Steuer: Dokumentarfilm über die Frauen des Pamir
„Der Pamir oder das Autonome Gebiet Berg-Badachschan machen 50 Prozent des Territorium Tadschikistans aus, aber dort leben nur 2 Prozent der Bevölkerung. Der Pamir befindet sich in einem Gebiet, das für Länder wie China, Pakistan, Indien, Afghanistan und Kirgistan strategisch wichtig ist. Und auch für Russland, Großbritannien und die USA. Im 19. Jahrhundert war der Pamir der erste Teil des Territoriums des heutigen Tadschikistans, der den Status eines Protektorats des Russischen Imperiums erhielt. China ist wegen Xinjiang besorgt. In Afghanistan dauert der Krieg jetzt schon einige Jahrzehnte. Pakistan und Indien haben schwierige Beziehungen. Kompliziert ist auch das Verhältnis zwischen Russland und den USA.“
Der Experte ist sich sicher, dass aufgrund dieser Faktoren die Regierung an den Sondergenehmigungen für die Reise in den tadschikischen Teils des Pamirs festhält – schon allein um alle Informationen über die Personen zu haben, die diese schöne, einzigartige, aber aus geopolitischer Sicht komplizierte Region besuchen.
„Ich denke, dass diese Frage sich noch einige Zeit in den Händen spezieller Strukturen befinden wird und das die bürokratischen Schwierigkeiten bleiben werden“, sagt Safarow.
Die Meinungen der ExpertInnen zu den Sondergenehmigungen weichen von einander ab, aber alle sind sich einig, dass man den Willen zur Beseitigung von Hindernissen auf dem Weg zur Entwicklung des Tourismus brauche.
Und jeder hofft auf seine Weise, dass möglichst viele TouristInnen Tadschikistan und seine schönste Region besuchen können – den Pamir, dessen Wirtschaft man dank des Tourismus entwickeln könnte.
Aus dem Russischen von Robin Roth
Noch mehr Zentralasien findet ihr auf unseren Social Media Kanälen, schaut mal vorbei bei Twitter, Facebook, Telegram, Linkedin oder Instagram. Für Zentralasien direkt in eurer Mailbox könnt ihr euch auch zu unserem wöchentlichen Newsletter anmelden.