Startseite      Tadschikistan: Massive Abschiebungen afghanischer Staatsangehöriger

Tadschikistan: Massive Abschiebungen afghanischer Staatsangehöriger

Zum ersten Mal haben die tadschikischen Behörden offiziell zugegeben, eine groß angelegte Kampagne zur Abschiebung von im Land lebenden afghanischen Exilant:innen durchgeführt zu haben.

Eine Familie sitzt in ihrem Haus in einer informellen Siedlung für Binnenvertriebene in Kabul, Afghanistan. Photo: UNICEF/Veronica Houser

Zum ersten Mal haben die tadschikischen Behörden offiziell zugegeben, eine groß angelegte Kampagne zur Abschiebung von im Land lebenden afghanischen Exilant:innen durchgeführt zu haben.

Am 19. Juli haben die tadschikischen Behörden die Festnahme und Abschiebung „mehrerer“ sich illegal im Land aufhaltender afghanischer Staatsangehöriger bekanntgegeben. Als Gründe wurden religiöser Extremismus, Beteiligung am Drogenhandel und der Besitz eines ausländischen Passes genannt.

Undurchsichtige Ausweisungen

Obwohl laut der Erklärung scheinbar nur Afghan:innen betroffen sind, die sich illegal im Land befinden oder in illegale Aktivitäten verwickelt sind, deuten die Maßnahmen darauf hin, dass die gesamte Gemeinschaft bedroht ist. Laut Radio Azattyk, dem zentralasiatischen Dienst von Radio Free Europe, erhielten in Tadschikistan lebende Afghan:innen Anfang Juli massenhaft SMS mit der Aufforderung, das Land innerhalb von 15 Tagen zu verlassen. Wer dem nicht Folge leiste, werde abgeschoben.

Seitdem hat die tadschikische Grenzpolizei wahllos afghanische Staatsangehörige abgeschoben. Laut The Diplomat wurden innerhalb von weniger als einer Woche nach der SMS-Warnung fast 50 Afghan:innen, denen Flüchtlingsstatus zuerkannt worden war, aus dem Land ausgewiesen. Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im Jahr 2021 leben nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) rund 10.000 afghanische Exilant:innen auf tadschikischem Territorium.

Laut Radio Azattyk berichten die Abgeschobenen, ohne rechtlichen Grund zur Polizei vorgeladen und direkt an die Grenze gebracht worden zu sein. Manche hatten keine Papiere oder persönliche Gegenstände dabei. Die afghanische Bevölkerung, die größtenteils in der im Umland von Duschanbe gelegenen Stadt Wahdat lebt, steht unter Schock. Berichten zufolge herrscht ein Klima der Angst. Einige verlassen nicht mehr ihre Häuser, weil sie befürchten, jederzeit verhaftet zu werden.

Wiederkehrende Abschiebungen

Es ist nicht das erste Mal, dass Tadschikistan afghanische Staatsangehörige abschiebt. Bereits im Dezember 2024 wurden mindestens 80 Geflüchtete nach Afghanistan zurückgeschickt, oft ohne Gerichtsverfahren. Im Januar 2025 berichtete Radio Ozodi, der tadschikische Dienst von Radio Free Europe, dass auch 37 beim UNHCR registrierte Personen abgeschoben worden seien.

Lest auch auf Novastan: Transafghanische Eisenbahn: Neuer Schwung und alte Probleme

Dem gleichen Medienbericht zufolge gingen die tadschikischen Sicherheitskräfte sogar so weit, Familien ihr Hab und Gut abzunehmen und sie daran zu hindern, ihre Kinder vor der Abschiebung abzuholen. Diese Maßnahmen wurden verdeckt durchgeführt, ohne den Familien die Möglichkeit zu geben, Berufung einzulegen oder sich zu verteidigen.

Welche Risiken bestehen nach der „Rückkehr“?

Seit August 2021 versprechen die Taliban allen ehemaligen Regierungsbeamt:innen, Angehörigen der Sicherheitskräfte und ausländischen Kollaborateur:innen eine Generalamnestie – ein Schritt, der afghanische Exilant:innen zur Rückkehr in ihre Heimat bewegen soll.

Berichte der UN und internationaler Organisationen zeigen jedoch, dass ehemalige Regierungsbeamte, Polizist:innen und Soldaten in der Praxis willkürlichen Verhaftungen und außergerichtlichen Hinrichtungen ausgesetzt sind. Trotz der verkündeten Amnestie sind viele Exilant:innen daher weiterhin einem hohen Verfolgungsrisiko ausgesetzt, insbesondere ehemalige Regierungsmitglieder und ihre Familien.

Evan Chaisson für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

Noch mehr Zentralasien findet ihr auf unseren Social Media Kanälen: Schaut mal vorbei bei Twitter, Facebook, Telegram, Linkedin oder Instagram. Für Zentralasien direkt in eurer Mailbox könnt ihr euch auch zu unserem wöchentlichen Newsletter anmelden.

Kommentare

Your comment will be revised by the site if needed.