Wie auch Journalist:innen und Oppositionelle stehen nun auch Anwält:innen im Fadenkreuz der tadschikischen Behörden. Wer nicht gemäßigt bleibt oder sogar den Fall aufgibt, riskiert die Zulassung zu verlieren oder sogar eine Inhaftierung.
Manutschehr Holiqnasarow, ein auf Menschenrechte spezialisierter tadschikischer Anwalt, ist zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Im November 2021 war der Jurist der „Kommission 44“ beigetreten, die eingerichtet wurde, um die Ereignisse in der Autonomen Provinz Berg-Badachschan zu untersuchen. Damals war der junge Pamiri Gulbiddin Sijobekow in Polizeigewahrsam ums Leben gekommen. Dies führte zu massiven Protesten in der Provinzhauptstadt Chorugh, die dann brutal unterdrückt wurden.
Holiqnasarow wurde im Mai 2022 zusammen mit einem Dutzend Kommissionsmitgliedern nach erneuten Demonstrationen in der Region verhaftet und verbüßt heute seine Strafe in einer Strafkolonie mit strengem Regime, wie die Organisation International Partnership for Human Rights (IPHR) berichtet. Am Ende des Prozesses, der im September 2022 begann und in Duschanbe hinter verschlossenen Türen stattfand, verurteilte ihn der Oberste Gerichtshof Tadschikistans vier Monate später wegen „Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung“ und „Beteiligung an den Aktivitäten einer kriminellen Vereinigung, die aufgrund von extremistischen Aktivitäten verboten wurde“.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Wie Radio Free Europe berichtet, war Holiqnasarow außerdem Präsident der Pamir Lawyers Association (LAP), einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die bis zu ihrer erzwungenen Auflösung im August 2023 in Berg-Badachschan tätig war. Die LAP arbeitete insbesondere daran, internationale Menschenrechtsstandards in die nationale Gesetzgebung und Strafverfolgungspraxis zu integrieren.
Der Anwalt plädierte auf nicht schuldig. Im April forderte IPHR zusammen mit acht anderen Organisationen seine sofortige Freilassung. Diese Forderung wurde im September wiederholt, stieß aber bei den tadschikischen Behörden auf taube Ohren..
800 Anwält:innen im ganzen Land
Gegenstimmen sind in Tadschikistan selten. Es gibt auch kaum Möglichkeiten, die eigenen Rechte zu verteidigen, da die Justiz selbst von der Staatsmacht kontrolliert wird. Nach geltendem Recht kann jedoch jeder Bürger und jede Bürgerin im Falle einer Inhaftierung die Dienste von Anwält:innen in Anspruch nehmen und eine Gerichtsverhandlung ist ohne diesen Rechtsbeistand nicht möglich. Die Durchführung einer Ermittlung ohne die Beteiligung von Anwält:innen ist nur dann gesetzlich erlaubt, wenn der oder die Beschuldigte dies selbst beantragt.
Doch in der Praxis sieht es anders aus. Die Anwaltskammer Tadschikistans zählt nur etwa 800 Mitglieder für 10 Millionen Einwohner:innen, also einen Anwalt oder eine Anwältin pro 11.000 Einwohner:innen, erläutert Radio Ozodi, der tadschikische Dienst von Radio Free Europe. In Berg-Badachschan waren im Jahr 2022 sieben Anwält:innen für 250.000 in der Provinz lebende Personen registriert. Tatsächlich sind jedoch nur vier vor Ort präsent, die anderen drei operieren von Duschanbe aus.
Ein unterdrückter Beruf
Ein Mangel an Anwält:innen sei seit 2014 in Tadschikistan immer wieder aufgetreten, erklärt Radio Ozodi. Damals wurde das Anwaltsgesetz geändert und infolgedessen die Kontrolle über die Anwaltschaft dem Justizministerium übertragen. Dieses entzog mehr als 1.500 Anwält:innen ihre Zulassung, darunter auch jenen, die ausgesprochene Kritiker:innen der Behörden gewesen waren. Während es zuvor genügte, Mitglied einer der acht Rechtsorganisationen des Landes zu sein, müssen Anwält:innen nun alle fünf Jahre eine Lizenz vom Ministerium einholen.
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Im September 2019 veröffentlichte die in Genf ansässige International Commission of Jurists (ICJ) eine Erklärung, in der sie die tadschikischen Behörden aufforderte, „die Einschüchterung von Anwälten, einschließlich des Präsidenten der Anwaltskammer, zu beenden“. Die Erklärung stellte ebenfalls eine Unterstützung für Busurgmehr Jorow dar. Wie The Diplomat berichtete, hatte der Anwalt im September 2015 angekündigt, Mitglieder der größten, inzwischen verbotenen Oppositionspartei PIWT zu verteidigen.
Jorow wurde wegen Betrugs und Anstiftung zu rassistischem, lokalem und religiösem Hass zu 23 Jahren Haft verurteilt. Die Strafe wurde rasch auf 28 Jahre erhöht, unter anderem wegen Missachtung des Gerichts, nachdem er während seines Prozesses ein Gedicht von Avicenna vorgetragen hatte.
Die Politik steht über dem Gesetz
Die Geschichte von Busurgmehr Jorow erinnert an die von Faromus Irgaschew. Der Anwalt aus Berg-Badachschan, ebenfalls Mitglied der „Kommission 44“, geriet in Schwierigkeiten, nachdem er 2020 seine Absicht erklärt hatte, für das Präsidentenamt in Tadschikistan kandidieren zu wollen. Dieses Amt hat Emomali Rahmon seit 1992 inne. Er wurde 2020 zum fünften Mal in Folge mit mehr als 90 Prozent der Stimmen wiedergewählt.
Verschiedene internationale Menschenrechtsorganisationen und ausländische Anwaltskammern, wie beispielsweise die Pariser Anwaltskammer, fordern die tadschikischen Behörden regelmäßig auf, die Grundprinzipien der Rolle der Anwaltskammer zu respektieren. Dabei geht es insbesondere um die Gewährleistung, dass Rechtsanwält:innen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht ihren Mandant:innen gleichgestellt werden. Doch in Tadschikistan befindet sich die Zivilgesellschaft immer stärker im Würgegriff.
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„Die juristische Tätigkeit ist ein wichtiger Mechanismus zur Gewährleistung der Menschenrechte und zum Schutz von Freiheiten in einem demokratischen, freien und legalen Land, aber nicht unter den gegenwärtigen Bedingungen in Tadschikistan“, erklärte der Rechtsexperte Tschokirdschon Hakimow 2016 gegenüber dem Institute for War and Peace Reporting (IWRP).
Im Januar 2023 wurde eine der bedeutendsten Menschenrechtsorganisationen des Landes, das Independent Center for Human Rights Protection (ICHRP), auf Anordnung eines Bezirksgerichts in Duschanbe geschlossen. Das ICHRP hatte strafrechtlich verfolgten Journalist:innenen sowie Opfern von Folter und Zwangsräumungen kostenlose Rechtshilfe gewährt. In Tadschikistan scheint das Recht auf Verteidigung ein Weg voller Fallstricke zu sein.
Eléonore Darasse, Redakteurin für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth
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