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Mannerheims Reise durch Zentralasien: Ausstellung seiner Fotografien in Bern

Carl Gustav Emil Mannerheim zögerte nicht, als er im Frühjahr 1906 vom Generalstab der russischen Armee den Auftrag erhielt, eine militärisch-geografische Reise von Turkestan (heute Zentralasien) bis nach Peking durchzuführen. Dabei entstanden zahlreiche und teils äußerst bewegende Fotografien. Ein Teil davon ist momentan in der Ausstellung „Mannerheim – Through the Marshal's Photographic Lens: Documenting Central Asia and China“ im Museum Cerny in Bern zu sehen.

“Zarin des Alai”, Mannerheim selbst ganz rechts im Bild. Foto: https://museovirasto.finna.fi
“Zarin des Alai”, Mannerheim selbst ganz rechts im Bild. Foto: https://museovirasto.finna.fi

Carl Gustav Emil Mannerheim zögerte nicht, als er im Frühjahr 1906 vom Generalstab der russischen Armee den Auftrag erhielt, eine militärisch-geografische Reise von Turkestan (heute Zentralasien) bis nach Peking durchzuführen. Dabei entstanden zahlreiche und teils äußerst bewegende Fotografien. Ein Teil davon ist momentan in der Ausstellung „Mannerheim – Through the Marshal’s Photographic Lens: Documenting Central Asia and China“ im Museum Cerny in Bern zu sehen.

Auf seiner Reise durch das Alai-Gebirge traf Mannerheim Kurmandschan Datka, die damals wohl über 90 Jahre alt war. Als gute Herrscherin und weise Diplomatin, die mit russischen Generalen verhandelte, gilt sie bis heute als zentrale Figur in der Geschichte Kirgistans.

Durch das Festhalten ihres Treffens entstand eines der berühmtesten Fotos aus Mannerheims Sammlung. Als eine der wenigen fotografischen Darstellungen von Kurmandschan Datka trug gerade diese einen großen Teil zum Mythos um sie bei – und ist auch in der Ausstellung von Mannerheims Fotografien aus Zentralasien und China zu sehen.

Wer war Carl Gustaf Emil Mannerheim?

Freiherr Carl Gustaf Emil von Mannerheim wurde 1867 in eine einflussreiche Familie der schwedischprachigen Minderheit in Finnland (damals Russisches Zarenreich) geboren. Er besuchte die Kavallerieschule in St. Petersburg und diente in verschiedenen Positionen in der Armee, bevor er das Angebot erhielt, die Grenzgebiete des Zarenreiches zu erforschen.

Sein Auftrag war, aktuelle politische und militärische Informationen zu sammeln, besonders über Chinas Grenzprovinzen und dessen Modernisierung. Bereits bei seiner Reise durch Turkestan gab sich Mannerheim als Entdecker und Ethnograf aus und dokumentierte das Erlebte und Leben vor Ort schriftlich und fotografisch. Als er 1908 nach St. Petersburg zurückkehrte, geriet sein Militärbericht bald wegen der weltpolitischen Veränderungen in Vergessen.

Mannerheims 14.000 Kilometer lange Reise durch Zentralasien bis nach Peking. Foto: https://museovirasto.finna.fi

Seine einzigartige Fotosammlung mit einem sehr detaillierten Fototagebuch erlangten zu Beginn der 1940er Jahre Bekanntheit, als sein Reisebericht mit den Fotografien erstmals veröffentlicht wurde. Die Bildunterschriften dazu stammen direkt aus Mannerheims Tagebuch.

Mannerheim war stets verbunden mit der Schweiz; besonders seine letzten Lebensjahre verbrachte er am Genfersee. Dort verstarb er 1951 nach kurzer Krankheit. In diesem Zusammenhang wurde gemeinsam mit der Finnischen Botschaft in der Schweiz die Ausstellung in Bern mit einigen seiner Fotos eröffnet. An dieser Stelle folgt ein Vorgeschmack einiger besonders eindrucksvoller Bilder; sie wie auch die Kommentare dazu beziehen sich auf schriftliche und mündliche Hinweise des Kurators.

Hoch zu Ross und andere Reisestrapazen

Mannerheim war ein großer Pferdeliebhaber und unternahm die Reise durch Zentralasien bis nach China ausschließlich hoch zu Ross. Natürlich fotografierte er im Alai-Gebirge auch eine Partie des kirgisischen Nationalspiel Kök-Böru oder Ulak-Tartysch – und das in voller Aktion. Trotz der kurzzeitigen Belichtung wirken Details aus der Szene ausgesprochen scharf.

Eine Partie Kök-Böru/Ulak-Tartysch. Foto: https://museovirasto.finna.fi

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Der schwierigste Teil der Reise war laut Mannerheim der Aufstieg zum Muzart-Pass. Dennoch stieg er mit seiner gesamten Fotoausrüstung, immerhin einer zwei Kilogramm schweren Kamera sowie Stativ und Glasplatte, auf eine Anhöhe hinauf, um einen guten Winkel auf die Pferdekarawane zu erhalten.

„Verschnaufpause nach dem Aufstieg“. Foto: https://museovirasto.finna.fi

Hoher Besuch und einfache Gastfreundschaft

Hohen Empfang erhielt Mannerheim in Aksu bei einer chinesischen Delegation, darunter der Höchste Beamte, ein General und ein lokaler Beamter. Er war längst nicht der erste; vor ihm waren bereits zahlreiche Ethnografen (bzw. Spione; Frauen waren kaum darunter) in der Gegend gereist, vor allem aus Belgien und Frankreich.

Mannerheim zu Gast bei chinesischen Beamten in Aksu. Foto: https://museovirasto.finna.fi

Durch die Schwarzweiß-Fotografien wirken die Leute dunkler, als sie tatsächlich waren. Dies wurde gerade von einem westlichen Publikum für die Argumentation verwendet, dass Leute im fernen Zentralasien nicht so „weiß“ und damit „rein“ seien wie sie selbst. Hier wird allerdings deutlich, dass Mannerheims Hautfarbe nicht wirklich heller war als die der anderen Männer auf dem Bild.

„Kirgisinnen bieten Erfrischung an“ Foto: https://museovirasto.finna.fi

Entgegen anderen Entdeckern seiner Zeit war Mannerheim äußerst vielseitig und traf sich nebst metaphorisch großen Menschen gerade auch mit den „kleinen“ Leuten. Die drei Frauen bewiesen kirgisische Gastfreundschaft, indem sie Mannerheims Trupp bewirteten. Durch die typischen Ornamente auf der Jurte waren die darin Wohnenden sogleich als Kirgisinnen ausgewiesen.

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Ausschnitte aus dem Alltag der Menschen

Diese Trennlinien waren jedoch weniger starr, als es den Anschein haben mag (und Mannerheim das wohl gerne gehabt hätte). Zudem kam es zu Bedeutungswandeln, weshalb viele Begriffe heute nicht mehr gleich verstanden werden wie damals.

„Zwei Sartinnen“. Foto: https://museovirasto.finna.fi

Während die in den Bergen nomadisch lebende Bevölkerung als „kirgisisch“ bezeichnet wurde, wurde die Stadtbevölkerung „Sart“ genannt – dies ist heute ein beleidigender Ausdruck. An der Kleidung der beiden Frauen im Zentrum ist erkennbar, dass die beiden „Sartinnen“ uighurischer Herkunft, so schrieb Mannerheim in sein Tagebuch, mit Chinesen verheiratet sind.

„Kalmykin mit Kindern“. Foto: https://museovirasto.finna.fi

Mannerheim zeigte sich beeindruckt von der kalmykischen Dreijährigen, die allein auf einem Pferd saß, wie er in sein Reisetagebuch schrieb. Während die Mutter sich um die mittlere Tochter kümmert, führt die achtjährige Schwester ihr kleines Geschwisterchen vor sich mit.

„Nasumbatows Frau und Kinder“. Foto: https://museovirasto.finna.fi

Auch bei einem reichen Kalmücken war Mannerheim zu Gast. Bei den prachtvoll Gekleideten im Vordergrund handelt es sich um Ehefrau, drei Töchter und einen Sohn. Nasumbatow selbst schaffte es nicht auf das Bild, da er gemäß Mannerheim oft trank. Stattdessen haben sich zwei weitere (Nachbars-?)Kinder ins Bild geschlichen, von denen weiter nichts bekannt ist.

„Turm und ein Beispiel des Geländes in Kaschgar“. Foto: https://museovirasto.finna.fi

In Kaschgar im heutigen Xinjiang erwähnt Mannerheim die Kinder im Zentrum des Bildes weder in der Bildbeschreibung noch im Tagebuch. Vielmehr war er hier am Wachtturm und der Verteidigung des Chinesischen Kaiserreiches interessiert, ganz im Sinne seiner Spionagetätigkeit.

“Glückspiel im Kirchhof”. Foto: https://museovirasto.finna.fi

Die sehr natürliche Komposition der abgebildeten Menschen beim Glücksspiel beweist Mannerheims Talent, trotz ungewohnter Situationen Vertrauen zwischen sich und den von ihm fotografierten Personen aufzubauen. Die Spontaneität zeigt sich darin, dass einige Blicke zur Kamera gerichtet, andere ins Spiel vertieft sind.

Interessantes Detail: Einer der Spieler ist durch eine Kette um den Hals an einem Stock befestigt, der von einer Frau gehalten wird. Es ist nicht bekannt, wer sie war und vor allem, weshalb sie die Wächterin des scheinbar Verhafteten war.

Noch mehr Bildgeheimnisse gibt es in der kompletten Ausstellung „Mannerheim – Through the Marshal’s Photographic Lens: Documenting Central Asia and China“ zu entdecken. Sie läuft im Cerny-Museum in Bern (Schweiz) bis 17. August 2024.

Museum Cerny. Contemporary circumpolar art

Stadtbachstrasse 8a

3012 Bern

Schweiz

www.museumcerny.ch

Öffnungszeiten: Mi–Sa 10:00–17:00 und auf Anfrage

Michèle Häfliger, Redakteurin für Novastan

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