Nach ersten Hochrechnungen steht Sooronbaj Dscheenbekow mit gut 54 Prozent der Stimmen bereits in der ersten Runde als Wahlsieger der Präsidentschaftswahl in Kirgistan fest. Sein Hauptgegner Omurbek Babanov erhielt knapp 34 Prozent der Stimmen.
Im ersten regulären Machtwechsel zwischen zwei gewählten Präsidenten haben die kirgisischen Wähler sich entschieden. Den ersten Hochrechnungen zufolge, geht Sooronbaj Dscheenbekow mit 54,7 Prozent der Stimmen als Wahlsieger heraus. Gefolgt wird er von Omurbek Babanow mit 33,8 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 55,9 Prozent.
An jeweils dritter und vierter Stelle sind der Vorsitzende der Partei Bütün-Kirgistan Adachan Madumarow und der ehemalige Premierminister Temir Sarijew. Die regionale Verteilung der Ergebnisse spiegelt auch die Herkunft der Kandidaten wieder. Während Dscheenbekow seine Stimmen vor allem im Süden des Landes einholte, erhielt Babanow in seiner Heimatregion Talas über 80 Prozent der Stimmen.
Keine großflächigen Verstoße
Die endgültigen Ergebnisse werden laut Gesetzgebung innerhalb der nächsten 20 Tage bekannt gegeben. Insgesamt scheint das elektronische Wahlsystem gut funktioniert zu haben und es wurden keine großflächigen Wahlfälschungen beobachtet. Stimmenkauf, die Beeinflussung von Wählern durch administrative Ressourcen und Verstöße gegen Wahlkampfvorgaben hatten zuvor ihre Schatten auf die Wahl geworfen. Am Wahltag selbst liefen die Stimmabgaben laut unabhängigen Beobachtern ohne größere Probleme ab. Ersten Meldungen zufolge wurden insgesamt 100 Verstöße gemeldet.
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Transparenz ermöglichte vor allem das vollelektronische Wahlsystem, lediglich das Kreuzchen für den Kandidaten setzten die Wähler von Hand. Automatisierte Wahlurnen erfassten jede abgegebene Stimme in Echtzeit. Nach Wahlschluss zählen freiwillige Wahlhelfer die Stimmen von Hand durch. Erst dann ist das Ergebnis offiziell. Große Abweichungen vom elektronischen Wahlergebnis sind dabei nicht zu erwarten.
Dscheenbekow, der Regierungskandidat
Dscheenbekov, ein ausgebildeter Agronom, stammt aus der Region Osch im Süden des Landes. Anfang der 1980er Jahre unterrichtete er Russisch. Gegen Ende der UdSSR und in der ersten Zeit der Unabhängigkeit leitete er eine Sowchose (kollektivwirtschaftlicher Betrieb in der Landwirtschaft) in der Nähe von Uzgen. Unter der Regierung des kirgisischen Präsidenten Askar Akaiev kletterte er auf der politischen Karriereleiter immer weiter nach oben. Nach dessen Sturz 2005 wurde er Abgeordneter und zwei Jahre später Landwirtschaftsminister.
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Von 2010 bis 2012 war er Gouverneur der Region Osch und vertrat dort zwischen 2012 und 2015 die Interessen der Regierung, ehe er im März 2016 zum Premierminister ernannt wurde, ein Amt, dass er bis kurz vor der Wahl innehielt.
Der Wahlsieg von Dscheenbekow kündigt eine Weiterführung der Politik des scheidenden Präsidenten Almasbek Atambajew an. Er ist der Kandidat der Präsidentenpartei SDPK und konnte während des Wahlkampfes von der Unterstützung durch den Regierungsapparat profitieren.
Der ehemalige kirgisische Premierminister (2016-2017) wurde öffentlich vom amtierenden Präsidenten Almasbek Atambajew unterstützt, der noch am Wahltag angab, dass Dscheenbekow sein Favorit sei. Konkurrent Babanow hingegen machte aus seiner Nähe mit dem kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbejw keinen Hehl. Das Treffen der beiden im Oktober führte zu einer diplomatischen Krise zwischen Kirgistan und Kasachstan, die bis heute andauert. Der Grund: Atambajew beschuldigte Nasarbajew öffentlich der Einmischung in die Wahl.
Der „Oppositionskandidat” Babanow
Nach diesem Schlagaustausch, der kurz vor der Wahl stattfand, haben manche kirgisische Medien wie die russischsprachige Tageszeitung Wetschernij Bischkek, die die größte Auflage im Land hat, Babanow zugunsten von Dscheenbekow schlagkräftig kritisiert.
Der unglückliche Zweite der Wahl, der 47-jährige Babanow, wurde von der Presse als „Oppositionskandidat” dargestellt. Er kommt aus Talas im Nordwesten des Landes. Der Geschäftsmann begann seine Laufbahn im kasachstanischen Ölsektor und gilt heute als einer der reichsten Männer Kirgistans.
Seine politische Karriere begann er 2005 als Abgeordneter und war zwischen 2011 und 2012 Premierminister. Er ist Vorsitzender der Partei “Respublika”, trat jedoch als unabhängiger Kandidat an.
Nach Atambajew – Kontinuität mit demselben Premier
Das noch vorübergehende Ergebis von Dscheenbekow ist deutlich niedriger als das von seinem „Mentor” Atambajew und bestätigt so einen Trend in der kirgisischen Politik. Bei der Präsidentschaftswahl 2011 hatte dieser 62,52 Prozent der Stimmen in der ersten Runde erhalten. Die vorherigen Präsidenten wurden in den Wahlen zwischen 1991 und 2009 mit 72 bis 88 Prozent der Stimmen in der ersten Runde gewählt. Askar Akajew (1991-2005) und Kurmanbek Bakijew (2005-2010) wurden jedoch wegen einer allzu autoritären Führung und Nepotismus gestürzt.
Das vorliegende Wahlergebnis kündigt für die nähere Zukunft Kirgistans eine gewisse Stabilität an. Laut Angaben der regierungsfreundlichen Zeitung Wetschernij Bischkek wird erwartet, dass der Premierminister Sapar Isakow auch unter Dscheenbekow im Amt bleibt. Der 40-jährige Isakow wurde am 21. August nominiert und gilt als eine der “neuen Figuren” der Präsidentenpartei SDPK.
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Auch manche Verfassungsänderungen, die im vergangenen Winter per Referendum verabschiedet wurden, treten am 1. August in Kraft. Diese zielen auf eine Umstellung des Machtverhältnisses zwischen Präsident und Premierminister zugunsten von letzterem ab. Dem Präsidenten bleibt die Außenpolitik als Kernbereich, während der Premierminister viele neue innenpolitische Kompetenzen erhält. Aber wie die unabhängige Nachrichtenplattform Kaktus (ehemals Zanoza) anmerkt, glauben nur wenige an eine tatsächliche Schwächung des Präsisenten.
Die Redaktion von Novastan.org
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Bronner, Renate, 2017-10-31
Sehr geehrter Herr Präsident,
ich wende mich heute an Sie, um Sie auf den Fall des Menschenrechtsverteidigers Azimjan Askarov aufmerksam zu machen, Er verbüßt eine lebenslange Haftstrafe. Er war 2010 in einem Prozess, der nicht den internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren entsprach, wegen Munitionsbesitzes und Beihilfe zu Mord in zwei Fällen angeklagt worden.
Nach meinem Kenntnisstand sind die Anschuldigungen gegen Azimjan Askarov konstruiert und zielen darauf ab, seine rechtmäßige Menschenrechtsarbeit zu unterbinden. Der Mord an einem Polizisten, an dem er beteiligt gewesen sein soll, wurde im Juni 2010 begangen, als der Süden Kirgisistans eine mehrtägige Gewaltwelle erlebte. Azimjan Askarov ist ethnischer Usbeke und Direktor der unabhängigen Menschenrechtsorganisation Vozdukh („Luft“). Er filmte und fotografierte damals die Gewalt, die Tötungen und die Brandanschläge, von denen zum Großteil die Häuser ethnischer Usbek_innen betroffen waren. Seinen Angaben zufolge wurde er in den ersten drei Tagen der Haft brutal geschlagen, um ihn zu zwingen, den Mord an einem Polizisten „zu gestehen“ und andere Personen zu belasten. Die Foltervorwürfe sind bis heute nicht zielführend untersucht worden. Der UN-Menschenrechtsausschuss hat dagegen anerkannt, dass Azimjan Askarov gefoltert wurde, dass seine Inhaftierung willkürlich ist, seine Haftbedingungen zeitweise unmenschlich waren und dass ihm kein faires Verfahren gewährt wurde.
Hiermit bitte ich Sie, dafür zu sorgen, dass Azimjan Askarov umgehend freigelassen wird, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der sich nur wegen seiner friedlichen Menschenrechtsarbeit in Haft befindet.
Mit freundlichen Grüßen
Renate Bronner
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