In Kirgistan sind etwa 65 Prozent der Dörfer nicht mit sauberem Trinkwasser in ausreichender Menge versorgt. Die Behörden wollen das Problem bis 2026 lösen. Dies wird mit Skepsis betrachtet, da es nicht ihr erstes Versprechen ist. Außerdem ist ein Drittel der für die Umsetzung des Programms erforderlichen finanziellen Mittel noch nicht aufgetrieben worden.
Das Dorf Ak-Suu in der Provinz Batken hatte noch nie ein Wasserversorgungssystem. Die rund 10.000 Einwohnenden mussten ihr Wasser aus Flüssen und Gräben holen, um ihren Bedarf zu decken. „Das war mühsam und gefährlich, denn im Frühjahr war das Wasser im Fluss sandig und im Winter wurde es zu Eis“, erinnert sich Machabat Berdikulowa, eine Anwohnerin.
Da sie nicht auf staatliche Hilfe warten wollte, begann die Bevölkerung von Ak-Suu, das Trinkwasserproblem auf eigene Faust zu lösen. In einem Aschar-Projekt (traditionelle kirgisische Tradition zur gemeinsamen Lösung eines Problems – Anm. d. Red.) bauten sie im Jahr 2023 eine Wasserfassung und verlegten Rohre.
Wenn man zu lange warten muss
„Alle halfen mit – einige mit Geld, Ausrüstung oder Arbeitskraft, andere versorgten die gesamte Belegschaft mit Essen und Trinken. Ich habe meinen Lastwagen benutzt, um Zement aus dem Stadtzentrum zu liefern. Und jetzt genießen die Menschen sauberes Wasser“, erzählt Abdyrachman Nijasow.
Aus dem lokalen Haushalt wurden 1,7 Mio. Kirgisische Som (19.000 Euro) für den Bau der Wasserleitung bereitgestellt, Einwohnende trugen 4 Millionen Som (45.000 Euro) bei. Damit sei das Trinkwasserproblem zu 90 Prozent gelöst, sagt der Dorfvorsteher von Ak-Suu, Rustambek Kudajarow.
Es gibt Dutzende solcher Dörfer, die aus Verzweiflung die Initiative ergriffen haben. Jedoch gibt es keine Angaben darüber, wie viele Dörfer im Land das Trinkwasserproblem aus eigener Kraft gelöst haben. Damit bleibt auch offen, inwieweit die Bevölkerung die Aufgabe qualitativ und langfristig bewältigt hat.
„Weil das staatliche Programm lange auf sich warten lässt, versuchen die Menschen oft, das Problem selbst zu lösen, indem sie Investoren finden oder Geld zusammenwerfen und selbst bauen. Aber auch das ist problematisch, denn private Auftragnehmende können ihre Arbeit schlecht machen – solche Fälle hatten wir schon. Der Staat regelt solche Konflikte nicht“, sagt Ajsirek Almasbekowa, eine Vertreterin des Aschar-Projekts.
Regierung verfügt über keine genauen Daten
„Fast alle Dörfer, die bisher kein Wasser hatten, wurden bereits in das staatliche Programm für Wasserversorgung aufgenommen. Das Problem ist jedoch, dass die Mittel nicht ausreichen und die Dörfer jahrzehntelang auf Wasser warten. Allein die Tatsache, dass man in das staatliche Programm aufgenommen wurde, bedeutet also nicht, dass man zeitnah Wasser bekommt. Wir haben auch Beispiele erlebt, bei denen Wasserleitungen verlegt wurden, aber nach kurzer Zeit das System entweder zusammenbrach oder die Quelle versiegte“, so Almasbekowa.
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Das aktuelle staatliche Programm für die Entwicklung der Trinkwasserversorgung und der Abwasserentsorgung wurde 2020 verabschiedet. Bis 2026 sollen 95 Prozent der Stadtbevölkerung und 2 Millionen der Landbevölkerung mit zentralisiertem, unbedenklichem Trinkwasser versorgt werden. Doch noch immer soll jede fünfte ländliche Siedlung kein Wasserversorgungssystem haben. Hunderte weitere Dörfer hätten veraltete Netze, die saniert werden müssten.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Das staatliche Baukomitee versichert zwar, dass derzeit an der Verbesserung der Datenbank für die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung gearbeitet werde. Ein neues, von der Weltbank vorgeschlagenes Informationssystem zur Datenerfassung (SIASAR), soll eingeführt werden. Ob dies jedoch die Probleme lösen wird, ist ungewiss.
Der ehrgeizige und skandalöse „Tasa Suu“
Für Kirgistan, Land zahlreicher Gebirgsflüsse, Seen und Gletscher, mag das Problem des Zugangs zu sauberem Trinkwasser überraschend scheinen. Tatsache ist, dass das Trinkwasserversorgungssystem vor 1990 erbaut wurde. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion lag die örtliche Wasserinfrastruktur mehr als zehn Jahre lang brach, was zu technischen Mängeln und teils einem völligen Zusammenbruch der Versorgung führte.
Erst in den 2000er Jahren nahmen die Behörden das Problem ernsthaft in Angriff und starteten das Großprojekt „Tasa Suu“. Mit finanzieller Unterstützung der Asian Development Bank und der Weltbank (Gesamtbetrag: 69,5 Mio. USD) wurden zwischen 2001 und 2013 Wasserleitungen in 545 Dörfern gebaut und saniert.
Allerdings lief nicht alles nach Plan: Korruptionspraktiken wurden aufgedeckt, Bauarbeiten und gelieferte Ausrüstungen entsprachen nicht den Anforderungen. Einem Bericht des Ombudsmann-Instituts zufolge wurden 26 Strafverfahren wegen des Missbrauchs von Geldern eingeleitet. Die Asiatische Entwicklungsbank reduzierte zunächst das Projekt und fror dann die Mittel ein.
Darüber hinaus war die staatliche Politik im Bereich der Wasserversorgung nicht konsequent und effektiv. „Das Tasa-Suu-Projekt wurde von einer Agentur zur anderen weitergereicht und wechselte fünfmal den Projektträger. Im Jahr 2012 landete das Projekt bei der ARIS (Agentur für kommunale Entwicklung und Investitionen der Kirgisischen Republik). Doch mehr als 20 Jahre nach dem Start des Programms ist die Verwaltung immer noch schwach.“
Nach Angaben des ARIS-Exekutivdirektors Mars Naspekow, sind die kirgistanischen Behörden derzeit für die Regierungspolitik im Bereich der Wasserversorgung zuständig, während ARIS sich direkt am Bau der Infrastruktur beteiligt. Almasbekowa meint dazu: „Die nationalen Behörden wiederholen bloß bereits gescheiterte Strategien. Außerdem kam es zu zahlreichen Korruptionsskandalen im Zusammenhang mit diesem Thema, wie etwa bei „Tasa Suu“. Wir erhalten keine Informationen zu diesem Thema, weder von ARIS noch von staatlicher Hand. Man hat den Eindruck, dass das Ministerium einfach nicht über diese Daten verfügt, und ARIS kann uns nicht antworten, weil es keine Regierungsbehörde ist.“
Nicht nur bauen, sondern auch erhalten
Inmitten von Korruptionsskandalen und Versprechungen sind in mehr als zwanzig Jahren Millionen von Dollar an Zuschüssen und Darlehen geflossen, aber die Bevölkerung des wasserreichsten Landes Zentralasiens kämpft immer noch für das Grundrecht auf sauberes Trinkwasser.
Eines der akutesten Probleme ist die Erhaltung der in Betrieb genommenen Trinkwasserversorgungssysteme. Dies ist die Aufgabe der öffentlichen ländlichen Trinkwasserverbände, doch deren Zahl nimmt von Jahr zu Jahr ab. Nach Angaben des Staatlichen Baukomitees funktionieren nur 68 Prozent der bestehenden 525 Verbände, da sie sich selbst mit Ressourcen versorgen können.
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„Wir initiieren die Gründung eines staatlichen Unternehmens, Kyrgyz Suu, mit regionalen Abteilungen für die Wartung von Trinkwasserversorgungs- und Abwasserentsorgungssystemen. Sie sollten vor Ort mit Spezialisten und der notwendigen Ausrüstung ausgestattet werden. In diesem Zusammenhang prüft Gosstroy die Möglichkeit, internationale Geldgeber für die technische Ausrüstung zu gewinnen“, sagte Samat Dschantelijew, stellvertretender Leiter von Gosstroy.
Keine wirksame Tarifpolitik
Die lokalen Kengeschs (Parlamente, Anm. d. Red.) genehmigen die Tarife in Abstimmung mit den Antimonopolbehörden. Im Dorf Gültschö im Gebiet Osch zahlt die Bevölkerung beispielsweise 16 Som (0,17 Euro) pro Kubikmeter Wasser. In Bischkek kostet ein Kubikmeter Wasser nur 10,45 Som (0,11 Euro). In den Dörfern sind die Kosten höher, weil sie durch die Gesamtzahl der Bevölkerung geteilt werden.
„Oft werden die Tarife nur zu 30-40 Prozent der tatsächlichen Kosten für Trinkwasser genehmigt. In dieser Richtung leisten die lokalen Behörden keine Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung. Das staatliche Baukomitee arbeitet derzeit an einem Gesetzesentwurf zur Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung, der die Genehmigung von Tarifen vorsieht, die nicht unter den Produktionskosten liegen“, fügt Dschantelijew hinzu.
Die Bevölkerung Kirgistans ist sich der steigenden Preise für Versorgungsleistungen schmerzlich bewusst. Viele sind der Meinung, dass Wasser in einem Land, das reich an Wasserressourcen ist, absolut kostenlos sein sollte. Daher ist es schwierig, die Tarifpolitik ohne eine öffentliche Sensibilisierungskampagne zu ändern.
Myrzajym Dschanybek kyzy und Ulan Makkambaew für CABAR
Aus dem Russischen von Michèle Häfliger
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