Sport lockt Politiker nicht nur mit Geld, sondern auch mit Publicity. Bestes Beispiel ist die im Bau befindliche Fußballakademie „Barcelona“ in Bischkek, Herzensprojekt des Leiters des Staatskomitees für nationale Sicherheit Kamtschybek Taschijew. Alles dreht sich um siebzehn Hektar städtischen Boden, ein neues Viertel für die reiche Elite und zwielichtige Steuerbefreiungen.
Bauherr der Fußballakademie „Barcelona“ in Bischkek ist die „Jal Group Asia“. Sie verfügt über eine Franchisevereinbarung für den Bau von Barça-Akademien und hat eine ähnliche Akademie im südwestlichen Dschalal-Abad gebaut. Das kirgistanische Medium Kloop schrieb darüber bereits ausführlich im Sommer 2023 in einer Investigativrecherche. Hinter der Franchise sollen demnach enge Mitarbeiter und Verwandte von Präsident Sadyr Dschaparow und dem Leiter des Staatskomitees für nationale Sicherheit (GKNB) Kamtschybek Taschijew stehen.
Etwa eine Woche nach der Veröffentlichung ebendieses Artikels reichte die Staatsanwaltschaft Bischkek eine Klage zur Liquidierung des Medienhauses Kloop ein, woraufhin das Kulturministerium auf Antrag des Staatskomitees für nationale Sicherheit die Sperrung der Kloop-Website anordnete. Das Gericht gab der Klage der Staatsanwaltschaft statt, weshalb die Website kloop.kg seit dem 12. September 2023 in Kirgistan eingeschränkt zugänglich ist.
Hält Taschijew alle Fäden in der Hand?
An dem Projekt der Barça-Akademie in Bischkek sind elf weitere Unternehmen beteiligt.
Kloop und der investigative Youtube-Kanal Temirov Live haben deren Verbindungen untersucht und festgestellt, dass die meisten von ihnen auch mit Taschijews Verwandten und Engvertrauten in Verbindung stehen. Dazu gehören Taschijews Neffen (Tolkunbek Kanybekow, Syymyk Tynybekow), sein Schwiegersohn (Nurlan Schajdillajew) und Präsident Sadyr Dschaparows angeblicher Schwager (Rakatbek Asanbajew.)
Ajbek Alybajew, Vorsitzender der „Jal Group Asia“, macht keinen Hehl daraus, dass die beiden Barça-Akademien in Kirgistan von der Familie Taschijew gebaut werden, und dass der Leiter des Geheimdienstes (GKNB) die Idee selbst direkt fördert. Er und Taschijew hätten als langjährige Freunde über den Bau verhandelt, sagte Alybajew.
„Diesen Stützpunkt hat einer der führenden Politiker unseres Landes, unser verehrter Taschijew Kamtschybek Kydirschajewitsch, ins Leben gerufen. Mit diesem Mann verbindet uns eine 15-20-jährige Freundschaft. Als wir anfingen, die erste Fußballakademie aufzubauen, hatte ich bereits zehn Jahre lang im Ausland gelebt, teils in Belgien, teils in Barcelona. Dass unsere Gesprächsgesuche mit dem Verein auf fruchtbaren Boden stießen, haben wir nicht nur meinen Verbindungen, sondern auch der hartnäckigen Vorgehensweise meines Freundes zu verdanken. Der Verein war uns gegenüber sehr positiv eingestellt. Vor Ort zeigt er sich bislang in Form der Dschalal-Abad-Akademie – auch die ist ein Kind der Familie Taschijew“, so Alybajew.
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Neben Taschijews Engvertrauten sind auch andere Personen, die mit hochrangigen kirgisischen Beamten in Verbindung stehen, am Bau der Akademie beteiligt, darunter namhafte Unternehmer und Verwandte von Abgeordneten, die durch Vorbestrafungen bereits Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, sowie Beamte der höchsten Abteilungen des Zolls und der Obersten Gerichte.“
Auch weniger bekannte Unternehmensgründer und -leiter könnten mit Taschijews Familie in Verbindung sein, darunter einige Bewohner aus Susak, Taschijews Heimat-Rajon.
Zudem stellte sich heraus, dass das Ministerkabinett die Landsleute, Freunde und Verwandten des stellvertretenden Vorsitzenden desselben Ministerkabinetts von der Steuer befreit hat. Es liegt also ein eindeutiger Interessenkonflikt vor.
Grundstück for nothing and the tax for free
Neben der „Barça“-Akademie baut das Unternehmen „Jal Group Asia“ auch den multifunktionalen Wohnkomplex „Barcelona“ in Bischkek. Er wird im Süden der Hauptstadt auf einem 17 Hektar großen Grundstück am Fuß der Berge entstehen. Im Zentrum des Komplexes wird sich die Fußball-Akademie befinden – umgeben von knapp 1600 Elite-Wohnungen, einem Kindergarten, einer Schule, einem Hotel, einem Geschäftszentrum und weiteren Gebäuden.
Subunternehmer des Wohnkomplexes ist „Haitian“, kirgisische Tochtergesellschaft eines chinesischen Bauunternehmens, die seit April 2024 durch das Justizministerium registriert ist. Nach einer Baulizenz sucht man auf der Website des staatlichen Baukomitees jedoch vergeblich. Leiter der „OOO Haitian“ ist Keldibek Orosbajew, ein ehemaliger Abgeordneter des Stadtrats von Dschalal-Abad und Mitglied von Taschijews Partei Ata-Dschurt. Ihre Adresse ist dieselbe wie die der „Jal Group Asia“.
Haitian figuriert dabei auch auf bereits erwähnter Liste jener Unternehmen, die von der Mehrwertsteuer und der Umsatzsteuer für den Bau der Barça-Akademie befreit sind. Ob diese Befreiungen auch für den Bau von Wohnprojekten gelten, ist unklar.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Neben der Steuerbefreiung genoss die „Jal Group Asia“ ein weiteres Privileg: Sie erhielt von der Präsidialverwaltung städtischen Boden für den neuen Wohnkomplex und die Pacht der Fußball-Akademie.
„Wir hatten uns mit einem Brief an den Präsidenten des Landes gewandt. Der hat uns daraufhin seine Unterstützung zugesagt, indem er uns Land für den Bau zur Verfügung stellte“, sagte der Präsident des Unternehmens, Ajbek Alybajew.
Öffentlich zugänglichen Daten zufolge hatte die Stadtverwaltung Bischkek diese 17 Hektar Land am 21. August 2023 registriert und das Grundstück noch am selben Tag in die Präsidialabteilung für Vermögensverwaltung übertragen. Im September verpachtete letztere den städtischen Boden schließlich an die „Jal Group Asia“.
Gleichwohl finden sich im Kataster keinerlei Einträge über dieses Grundstück. Womöglich gehörten diese 17 Hektar der Gemeinde oder wurden im Zuge einer sogenannten „Kusturisatsija“ an den Staat „zurückgegeben“. Kusturisаtsija meint dabei die durch Inhaftierung von Politikern oder Geschäftsleuten erfolgte Rückzahlung von beispielsweise Land oder Unternehmen an den Staat. Der Begriff kam in den 2010er Jahren im Kontext der „Kulturisatsija-Politik“ in Umlauf und dient oft als Argument dafür, weshalb in- und ausländische Investoren sich zunehmend aus Kirgistan zurückziehen (Anm. d. Ü.)
„Was haben afrikanische Spieler, was unsere Jungs nicht auch haben?“
Wie viel die Pacht des für „Barcelona“ vorgesehenen Grundstücks kostet und welche Vereinbarungen die „Jal Group Asia“ mit der Präsidialverwaltung getroffen hat, ist bislang nicht bekannt. Öffentliche Daten lassen unerwähnt, ob das Unternehmen jemals die Pacht gezahlt hat. Derweil haben unabhängige Gutachter von Business-Expert berechnet, dass der Quadratmeterpreis in dem betroffenen Gebiet 378 Dollar beträgt. Hochgerechnet auf 17 Hektar bedeutet das einen ungefähren Wert von 64,3 Millionen Dollar.
Laut Ajbek Alybajew wird der Bau des Wohnkomplexes im August 2027 abgeschlossen. Er behauptet, dass es in „Barcelona“ 180‘000 Quadratmeter Wohn- und Gewerbeimmobilien gäbe und der Quadratmeterpreis im Wohnkomplex bei 2‘000 US-Dollar beginnen wird. Daraus ergeben sich für den Bauherren Einnahmen von mindestens 360 Millionen Dollar.
Den Missbrauch des Sports, um von politischer Unterdrückung und wirtschaftlichen Problemen abzulenken – kurz: Sportwashing – haben autoritäre Regime als universelles Machtinstrument entdeckt. Fußball eignet sich dafür ideal: Er ist für alle Schichten zugänglich, populär und bringt Millionen von Menschen zusammen. Im Gegensatz zu Versprechungen von wegen wirtschaftlichem Wachstum oder verbessertem Wohlstand bringen Siege im Fußball sofortige Ergebnisse: Freude, Stolz und ein Zusammengehörigkeitsgefühl.
Die Behörden würden die Bevölkerung ermahnen, stolz auf die Barça-Akademien zu sein. „Während wir den Sport in Kirgistan vorantreiben, macht ihr Journalisten alles nur noch schlimmer und schreckt die Investoren ab“, meinte Sadyr Dschaparow vor zwei Jahren zum Medium Kloop.
„Die einzige Hilfe des Staates war die Zuweisung eines 16 Hektar großen Baugrundstücks. Diese 16 Hektar werden sich in Zukunft 16 Mal für die Akademie von „Barcelona“ auszahlen. Es handelt sich also um ein soziales Projekt. In 10-15 Jahren werden unsere Jungs bei der Weltmeisterschaft spielen. Was haben afrikanische Spieler, was unsere Jungs nicht auch haben? Was soll falsch daran sein, dass wir unsere Kinder in diese Akademie schicken und ihnen damit die Chance geben, es bis zu den besten Fußballvereinen der Welt zu bringen? Wann lernt ihr endlich, euch um den Staat zu kümmern? Wenn ihr aus jeder Mücke einen Elefanten macht und nur Negatives schreibt, welcher Investor soll dann noch zu uns kommen? Wie soll dann Gutes entstehen? Wenn ihr in allem nur das Schlechte sucht, verkümmert dann eure Seele nicht in all dem Schmutz?“, antwortete Sadyr Dschaparow auf die Untersuchung von Kloop.
Barce-lohnt-sich-das-denn-überhaupt?
Sicher, als Barça Kirgistan als Standort für seine erste Akademie in Zentralasien wählte, war das eine unerwartete und willkommene Nachricht. Doch der katalanische Verein würde sich wohl an jedwedem Ort niederlassen, vorausgesetzt dieser winkt mit Geld und ein paar potenziellen Fußballstars der Zukunft. Weltweit existieren bereits mehr als 30 solcher Akademien – in Afrika, Eurasien und Amerika.
Haben Jungs aus Kirgistan eine tatsächliche Chance, sich im Weltfußball zu beweisen? Laut Alibajew, dessen Unternehmen „Jal Group Asia“ beide Akademien betreibt, können in Dschalal-Abad 500-700 Kinder ab dem sechsten Lebensjahr ihre Ausbildung beginnen – gegen eine Schulgebühr, versteht sich. Die 30-40 talentiertesten Kinder könnten, sofern sie das Auswahlverfahren bestehen, von diesen Mehrkosten befreit werden.
Doch hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Gegenwärtig kostet der Unterricht mit Unterkunft in Dschalal-Abad 19.500 $ pro Jahr, ohne Unterkunft 12-15.000 $. Das bedeutet: Der Barcelona-Komplex in Bischkek, wo das Durchschnittsgehalt kaum 450 $ pro Monat beträgt, wird für Normalsterbliche genauso unerschwinglich sein wie die gleichnamige Stadt in Spanien. Nur reiche Leute werden in der Lage sein, ihre Kinder dort auszubilden und Wohnungen zu kaufen.
Die Redaktion von Kloop
Aus dem Russischen von Arthur Siavash Klischat