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Das Projekt der Eisenbahnverbindung zwischen Usbekistan, Kirgistan und China wird wiederbelebt

Usbekistan, Kirgistan und China haben erneut Gespräche über ein Eisenbahnprojekt aufgenommen, das die drei Länder verbinden soll. Das Projekt, das bereits vor mehr als 20 Jahren angedacht wurde, könnte bald in Angriff genommen werden. Allerdings gibt es noch zahlreiche technische und wirtschaftliche Fragen.

Teilnehmer der Konferenz
Regierungsvertreter Usbekistans, Kirgistans und Chinas haben auf einer Videokonferenz das projekt einer Eisenbahnverbindung zwischen ihren Ländern diskutiert

Usbekistan, Kirgistan und China haben erneut Gespräche über ein Eisenbahnprojekt aufgenommen, das die drei Länder verbinden soll. Das Projekt, das bereits vor mehr als 20 Jahren angedacht wurde, könnte bald in Angriff genommen werden. Allerdings gibt es noch zahlreiche technische und wirtschaftliche Fragen.

Am 20. Mai hat auf Initiative Usbekistans eine Videokonferenz zum Eisenbahnprojekt Usbekistan-Kirgistan-China stattgefunden. Wie der Pressedienst des usbekischen Verkehrsministeriums mitteilte, nahmen an der Konferenz Usbekistans Verkehrsminister Elyor Ganiyev, der kirgisische Minister für Verkehr und Straßen Dschanat Beischenow und der stellvertretende Generaldirektor der Abteilung für ausländisches Kapital und Investitionen des staatlichen Komitees für Entwicklung und Reform der Volksrepublik China, Zhen Chiping, teil.

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In dem Gespräch vereinbarten die drei Parteien, die Umsetzung des Eisenbahnprojekts zu beschleunigen. Themen waren unter anderem eine Vereinbarung über die vorgeschlagenen Routen, die bei der Planung und Konstruktion verwendeten technischen Standards sowie die Finanzierungsquellen. Diese Aspekte sollen in jeder nationalen Direktion bis zum 31. Mai diskutiert werden, um zu einem gemeinsamen Ergebnis zu gelangen.

Ein Projekt mit langer Vorgeschichte

Das Projekt ist nicht neu. Wie das usbekische Nachrichtenportal Gazeta.uz darlegt, wird es vielmehr seit über 20 Jahren diskutiert. Erstmals brachte China in den 1990er Jahren die Idee ein, mittels einer Eisenbahnlinie durch Kirgistan die im Westen Chinas gelegene Stadt Kaschgar mit Andijon im Osten Usbekistans zu verbinden. Die Bahnstrecke sollte auch mit Turkmenistan, dem Kaukasus, der Türkei, dem Iran, dem Nahen Osten und Europa verbunden werden. Im Jahr 1997 wurde ein Protokoll unterzeichnet, welches eine trilaterale Arbeitskommission zwischen China, Kirgistan und Usbekistan einrichtete. Diese legte 2002 eine erste Machbarkeitsstudie vor.

Seitdem befand sich das Projekt jedoch in der Schwebe. Mehrere politische Ereignisse, wie die Kirgisische Revolution von 2010, aber auch technische und finanzielle Meinungsverschiedenheiten verzögerten die Realisierung des Projekts. Der Austausch wurde von Zeit zu Zeit wieder aufgenommen, jedoch ohne Ergebnisse. Nun haben die drei Parteien jedoch ausdrücklich ihre Bereitschaft bekundet, eine gemeinsame Vereinbarung zu finden und das Projekt endlich umzusetzen.

Ein Projekt mit viel Potenzial

Das Potenzial dieses Projekts ist beträchtlich. „Diese Eisenbahn ist der kürzeste Weg von China in die Länder Europas und des Nahen Ostens. Im Vergleich zu den bestehenden Routen wird die Entfernung um 900 Kilometer reduziert, die Lieferzeit beträgt sieben bis acht Tage“, erklärte 2019 Eldor Aripov, Direktor des Instituts für strategische und interregionale Studien, gegenüber dem usbekischen Nachrichtenportal Podrobno.uz.

Die usbekische Seite scheint die Herausforderungen eines solchen Projekts verstanden zu haben. Seit der Machtübernahme von Shavkat Mirziyoyev im Dezember 2016 hat Usbekistan große wirtschaftliche Veränderungen eingeleitet. Der usbekische Präsident hofft, sein Land zu einem wichtigen Akteur im Transport- und Logistiksektor Zentralasiens zu machen, insbesondere bei der Umsetzung der Neuen Seidenstraße. In diesem Sinne haben die usbekischen Behörden Eisenbahnstrecken in die Nachbarländer Tadschikistan und Turkmenistan saniert beziehungsweise neu errichtet.

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Elyor Ganiyev betrachtet die Sicherung des Güterverkehrs auf der Schiene zu Zeiten der gegenwärtigen Pandemie sogar als noch wichtiger wie der Pressedienst des usbekischen Verkehrsministeriums berichtet. „Aufgrund der Quarantänemaßnahmen ist der Straßenverkehr zwischen unseren Ländern begrenzt. In diesem Zusammenhang bleibt die Eisenbahn die sicherste und zuverlässigste Transportart. Diese Tatsache zeigt die Notwendigkeit einer beschleunigten Umsetzung dieses Projekts“, erklärte der Minister.

China scheint der gleichen Ansicht zu sein. Der Eisenbahnverkehr von China nach Europa hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Nach Angaben der China Railway Corporation stieg die Zahl der jährlichen Züge zwischen 2011 und 2018 von 17 auf 6.363. Der Schienenverkehr hat für Spediteure eine Reihe von Vorteilen gegenüber dem Seetransport. Er ist billiger, schnellerer und verläuft regelmäßiger. Die Umsetzung dieses Eisenbahnprojekts würde es ermöglichen, die Neue Seidenstraße erheblich zu erweitern.

Kirgistan: das schwächste Glied des Projekts

Der Stand des für lange Zeit stagnierenden Projekts hängt nicht unwesentlich von Kirgistan ab. In einer 2019 veröffentlichten Analyse sieht der Ökonom Asamat Akenejew den Willen Kirgistans, die Transportinfrastruktur auszubauen, ohne dies aber konkreter auszuführen. Er zieht vor allem Vergleiche mit Projekten in anderen zentralasiatischen Ländern, insbesondere Usbekistan und Kasachstan, die seit mehreren Jahren versuchen, ihre Eisenbahnstrukturen zu modernisieren.

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Kirgistan wiederum habe nicht einen Meter neue Eisenbahnschienen gebaut und verwende weiterhin etwa 400 Kilometer Gleise, die im letzten Jahrhundert noch zu Zeiten der UdSSR gebaut wurden, stellt Akenejew fest. Das Streckennetz der Kirgisischen Eisenbahn besteht bis heute nur aus einzelnen, aus dem Ausland kommenden und nicht miteinander verbundenen Stichstrecken.

Laut dem Ökonomen müsse Kirgistan handeln und sich stärker an der Realisierung dieses Projekts beteiligen, da sonst die Gefahr bestehe, dass das Projekt ohne das Land verwirklicht werde. „Aufgrund der Größe des Landes und seiner geografischen Lage ist das Transitpotenzial […] nicht groß genug, um unumgänglich zu sein“, schreibt Akenejew. Seiner Meinung nach könne das Projekt eine Chance für Kirgistan darstellen, Finanzmittel zu erhalten, um seine Transportlogistik auszubauen und seine Wirtschaft zu beleben.

Tanguy Martignolles, Redakteur für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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