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Suisse Secrets: Die Offshore-Geheimnisse des kasachstanischen Präsidenten

Kasachstans Präsident Qasym-Jomart Toqaev versucht, sich von seinem mächtigen Vorgänger zu distanzieren, da viele letzteren für die enorme soziale Ungleichheit im Land verantwortlich machen. Gleichzeitig hat die Familie Toqaev ihre eigenen Offshore-Geheimnisse: Wohnungen in Genf und Moskau, ein Schweizer Bankkonto und eine Geldspur, die auf die Britischen Jungferninseln führt. Der folgende Artikel wurde im Rahmen des internationalen Rechercheprojekts „Suisse Secrets“ am 20. Februar auf Vlast veröffentlicht. Wir übersetzen den Artikel mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Kasachstans Präsident Qasym-Jomart Toqaev versucht, sich von seinem mächtigen Vorgänger zu distanzieren, da viele letzteren für die enorme soziale Ungleichheit im Land verantwortlich machen. Gleichzeitig hat die Familie Toqaev ihre eigenen Offshore-Geheimnisse: Wohnungen in Genf und Moskau, ein Schweizer Bankkonto und eine Geldspur, die auf die Britischen Jungferninseln führt. Der folgende Artikel wurde im Rahmen des internationalen Rechercheprojekts „Suisse Secrets“ am 20. Februar auf Vlast veröffentlicht. Wir übersetzen den Artikel mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

„Suisse Secrets“ ist ein grenzüberschreitendes investigatives Journalismusprojekt, das auf den geleakten Bankkonten der größten Schweizer Bank „Credit Suisse“ basiert. Eine anonyme Quelle gab diese Informationen an die Süddeutsche Zeitung weiter, die sie mit dem Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) und 46 anderen Partnermedien in verschiedenen Ländern teilte. Journalist:innen auf fünf Kontinenten studierten Bankakten, sprachen mit Insider:innen, Kontrolleur:innen und Ermittler:innen und verifizierten die Ergebnisse mit Gerichtsakten und Finanzberichten. Die Leaks enthalten Informationen über mehr als 18.000 Konten, die von den 1940er Jahren bis etwa Mitte der 2010er Jahre eröffnet wurden. Insgesamt befanden sich mehr als 100 Milliarden US-Dollar auf diesen Konten. Einen Überblick über die Suisse-Secrets-Veröffentlichungen der Süddeutschen Zeitung findet ihr hier.

In den letzten Wochen hat sich Kasachstans Präsident Qasym-Jomart Toqaev öffentlich gegen Ungleichheit ausgesprochen. Wenige Tage, nachdem die Proteste von der Polizei brutal niedergeschlagen worden waren, wandte er sich an die Nation und schürte die Wut der Bevölkerung gegen seinen Vorgänger, den langjährigen autoritären Herrscher Nursultan Nazarbaev: „Dank des Ersten Präsidenten – des Elbasy [ein Ehrentitel Nazarbaevs, Anm. d. Red.] – ist im Land eine Gruppe sehr profitabler Unternehmen und eine Schicht von Menschen entstanden, die sogar nach internationalen Maßstäben reich sind. Ich glaube, dass es an der Zeit ist, den Menschen in Kasachstan Tribut zu zollen.“

Vor der Welle von Protesten und Gewalt, die Kasachstan Anfang Januar erschütterte, wäre selbst diese milde Kritik an Nazarbaev undenkbar gewesen. Aber Toqaev scheint die Forderung der Menschen in Kasachstan aufgegriffen zu haben, die nach drei Jahrzehnten herrschender Oligarchie in dem rohstoffreichen Land einen Wandel ersehnen. Und er versprach, diesen Wandel herbeizuführen. „Als Staatsoberhaupt werde ich die Politik der Transformation und Modernisierung unserer Gesellschaft fortsetzen“, sagte der Präsident.

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Wie sich allerdings herausstellte, hatte die Familie Toqaev selbst seit 1998 in Europa versteckten Reichtum angehäuft – zu einer Zeit, als fast die Hälfte der Bevölkerung Kasachstans unter der Armutsgrenze lebte. Durchgesickerte Daten der Credit Suisse zeigen, dass 1998 bei dieser Schweizer Bank ein Konto für Toqaevs damalige Frau Nadejda und ihren 14-jährigen Sohn Timur eröffnet wurde. Timur besuchte damals ein teures Internat in Genf.

Das Vermögen der Toqaevs

Wie viel Geld dieses Konto in den Jahren seines Bestehens durchlaufen hat, ist unbekannt. Laut dem Leck wurde der Höchstwert im Jahr 2005 mit 1,5 Millionen Schweizer Franken (etwa 1 Million US-Dollar) verzeichnet. Dokumente von Offshore-Dienstleistern, Unternehmensakten und Daten aus Grundbuchämtern zeigen, dass die Familie auch in den Folgejahren außerhalb Kasachstans beträchtlichen Reichtum anhäufte.

2012 eröffneten die Toqaevs nach Auflösung des Bankkontos Offshore-Gesellschaften auf den Britischen Jungferninseln, die wiederum eigene Konten in der Schweiz hatten. Diese Firmen kontrollierten früher Unternehmen in Großbritannien, deren Vermögenswerte zu einem Zeitpunkt im Jahr 2014 die Marke von 5 Millionen US-Dollar erreichten. Im Laufe der Jahre erwarben sie darüber hinaus Immobilien in Moskau und Genf im Wert von mindestens 7,7 Millionen US-Dollar.

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In denselben Jahren bekleidete Toqaev hochrangige Regierungspositionen, darunter die Ämter des Außenministers, des Premierministers und des Senatssprechers. Weder er noch seine Frau verfügten über ein Geschäft oder eine andere Quelle von Reichtum, die der Öffentlichkeit bekannt war. Nur ihr Sohn Timur war in echte Geschäfte involviert, und selbst das verdient besondere Aufmerksamkeit.

Laut kasachstanischen Medien war er als Miteigentümer einer Ölgesellschaft gelistet, die lukrative Rechte zur Erschließung eines Ölfeldes erhielt und später Millionen einbrachte. Damals war er erst 18 Jahre alt. Timur war es wohl auch, der die Familie Toqaev zunächst mit der Schweiz verband. Wie kürzlich bekannt wurde, besuchte er das Collège du Léman, eines der teuersten Internate in Genf. Außerdem machte er seinen Abschluss an der von den USA akkreditierten Webster University in Genf.

Immobilien in Genf und Moskau

Die Toqaevs kauften auch drei Wohnungen in und um Genf, alle auf Timurs Namen: eine in einem ruhigen Stadtteil Genfs, zudem ein Townhouse mit Blick auf den See in der nahe gelegenen Gemeinde Versoix und ein Townhouse im Dorf Saint-Prex. Es ist nicht bekannt, wie lange Timur nach seinem Abschluss in der Schweiz verbracht hat, aber sein Vater lebte dort von 2011 bis 2013 zu seiner Zeit als Generaldirektor des UN-Büros in Genf. In der Zwischenzeit lebte Timur in Moskau, fuhr Berichten zufolge in einem Lexus und einem BMW mit Diplomatenkennzeichen durch die russische Hauptstadt und machte seinen Abschluss an der Diplomatischen Akademie des russischen Außenministeriums. Er und seine Mutter besaßen auch mehrere teure Wohnungen in Moskau.

Wie eine Untersuchung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny zeigt, hat die russische Regierung seltsamerweise alle Erwähnungen der Toqaevs aus dem Immobilienregister gelöscht. Nawalnys Team entdeckte die Bestände der Familie anhand von Daten, die vor der Entfernung aus den Registern heruntergeladen worden waren.

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Einige ihrer Immobilien wurden inzwischen verkauft. Die verbleibenden Moskauer Immobilien umfassen eine große Wohnung in der Elite-Wohnanlage „Fusion Park“ und eine weitere Maisonette-Wohnung zwei Kilometer vom Kreml entfernt. Toqaevs Frau war außerdem in einer anderen Wohnung im Nordosten der Stadt gemeldet.

Spuren auf die Britischen Jungferninseln

Die Geheimnisse der Toqaevs gehen über Europa hinaus. Dank Dokumenten aus den Pandora Papers, geleakten Dateien von Offshore-Dienstleistern, die vom International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) mit OCCRP geteilt wurden, stießen Reporter:innen auf eine Spur, die sie zu den Britischen Jungferninseln führte – einer Gerichtsbarkeit, die von den Reichen genutzt wird, um ihr Vermögen geheim zu halten.

2012, ein Jahr nachdem das Konto der Toqaevs bei der Credit Suisse geschlossen wurde, gründete die Familie zwei Offshore-Unternehmen auf den Britischen Jungferninseln: Wishing Well Group Inc, im Besitz von Toqaevs Ex-Frau, und Wisdom Invest & Finance Inc., im Besitz von Timur. Die einzige bekannte Aktivität dieser Firmen scheint der Besitz einer britischen Firma, Edelweiss Resources LLP, gewesen zu sein. Die Daten zeigen auch, dass jede dieser Offshore-Gesellschaften ein eigenes Schweizer Bankkonto hatte.

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Da Edelweiss nur einen verkürzten Jahresabschluss eingereicht hat, ist wenig über die Aktivitäten dieser Gesellschaft bekannt. Aber die letzte Einreichung vom März 2014 zeigt, dass sie zu diesem Zeitpunkt über 4 Millionen US-Dollar auf der Bank sowie über etwa 1 Million US-Dollar an Investitionen verfügte. Im Sommer desselben Jahres 2014 unternahmen die Toqaevs einen weiteren Schritt, um ihre Investitionen noch tiefer zu verbergen.

Die zypriotische Registrierungsstelle, die die Geschäfte ihrer Unternehmen abwickelte, bat ihr Büro auf den Britischen Jungferninseln, nominierte Aktionär:innen oder Vermittler:innen als Eigentümer:innen der Firmen zu ernennen. Dadurch würden die Toqaevs aus dem Eigentumsregister entfernt, was ihren Besitz effektiv verbergen würde. Die Anfrage erfolgte per E-Mail, die mit den Pandora Papers aufgedeckt wurde. Alle drei Toqaev-Unternehmen wurden inzwischen geschlossen.

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Kasachstanische Beamte sind gesetzlich nicht verpflichtet, ihre Steuererklärungen öffentlich zugänglich zu machen, weshalb es ein Rätsel bleibt, woher Toqaevs Millionen stammen. Die Familie reagierte nicht auf Anfragen von Journalist:innen. Auf Anfragen von OCCRP und der Süddeutschen Zeitung sagte die Credit Suisse, sie werde sich nicht zu ihren Kundenbeziehungen äußern und weise „die Vorwürfe und Rückschlüsse auf die angeblichen Geschäftspraktiken der Bank entschieden zurück„.

OCCRP und Vlast

Aus dem Russischen von Robin Roth

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