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Kasachstan: Gericht stoppt Streik der Minenarbeiter von Temirtau

Ein paar hundert Minenarbeiter sind in Temirtau mehrere Tage unter Tage geblieben um für eine Erhöhung des Gehalts zu streiken. Am Ende des vierten Tages wurden sie gezwungen die Arbeit wieder aufzunehmen.

Statue für die Schachtarbeiter in Karagandy
Das Denkmal für die Schachtarbeiter in Karagandy, Kasachstan

Ein paar hundert Minenarbeiter sind in Temirtau mehrere Tage unter Tage geblieben um für eine Erhöhung des Gehalts zu streiken. Am Ende des vierten Tages wurden sie gezwungen die Arbeit wieder aufzunehmen.

Streiks sind extrem selten in Kasachstan. Nachdem bereits Ende November die Kupferbergleute in der Stadt Scheskasgan in den Streik getreten waren, legten am 11. Dezember mehrere hundert Arbeiter in den zum  Konzern Arcelor Mittal gehörenden Kohlebergwerke rund um Temirtau die Arbeit nieder. Nach dem Ende des Arbeitstages waren aus vier Minen des Konzerns circa 200 Kumpel aus der Nachschicht nicht an die Erdoberfläche zurückgekehrt.

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Am 12. Dezember haben sich acht Minen den Protesten angeschlossen. Laut dem Arbeitsministerium haben 700 Personen daran teilgenommen.

Forderung nach Gehaltserhöhungen

Die Minenarbeiter haben eine ganze Reihe von Forderungen formuliert: eine Lohnerhöhung um 100 Prozent, Senkung des Renteneintrittsalters auf 50 Jahre, ein 13. Monatsgehalt, eine Anpassung der Löhne an die Inflation, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Verbesserungen bei der Rente. Sie weigerten sich die Minen zu verlassen bis der Arbeitsgeber diese Bedingungen akzeptiert. Diese Unzufriedenheit von Minenarbeitern ist bekannt und keinesfalls ein neues Phänomen.

Laut Marat Mirgajasow, dem Vorsitzenden der Kohlenbergbaugewerkschaft „Korgau“, ist die wichtigste Forderung die nach der Gehaltserhöhung. Die meisten anderen Forderungen seien in einem im Oktober geschlossenen Vertrag inkludiert, sagte er dem Nachrichtenportal Forbes.kz.

Eine angespannte Situation

Zuletzt wurde das Gehalt der Minenarbeiter im Jahr 2015 um 10 Prozent erhöht. Zeitgleich fand eine Abwertung der Nationalwährung Tenge statt. Laut dem Gewerkschaftler verdienen die Mienenarbeiter aktuell zwischen 310 000 und 320 000 Tenge, was 780 bis 806 Euro entsprechen. Auch Arbeitsministerin Tamara Duissenowa nennt ähnliche Zahlen, indem sie das maximale Gehalt auf 326 000 Tenge (821 Euro) beziffert.

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„Vor kurzem hat ein Personalchef die Entscheidung der kasachstanischen Justiz ignoriert und illegale Entlassungen durchgeführt. Dies hat noch mehr Öl ins Feuer gegossen. Die Arbeiter haben lange genug Ungerechtigkeiten ertragen“, erklärt Dscherbol Ismailow, der Leiter des „Zentrums für soziale Teilhabe und Kommunikation“ gegenüber The Village Kasachstan.

Minimale Kommunikation

In der Nacht vom 12. Auf den 13. Dezember fuhr Jerlan Koschanow, der Gouverneur des Gebietes Karagandy, in die Bergwerke Schachtinskaja, Tentek, Lenin und Kasachstanskaja ein. Laut Quellen aus der Gebietsverwaltung kehrten als Folge der Gespräche am 13. Dezember um 8 Uhr morgens 154 Bergleute an die Erdoberfläche zurück.

Während des Streiks veröffentlichte die Presseabteilung von Arcelor Mittal lediglich eine Mitteilung, dass alle Beteiligten – also Delegierte der Minenarbeiter, die Gewerkschaften, die Gebietsverwaltung und der Arbeitgeber – sich in ständigen Gesprächen befänden.

Abgesehen vom Arbeitsministerium gab es keine Kommentare von staatlicher Seite. Der Mangel an Informationen führte zu einer viralen Diskussion in den sozialen Netzwerken und ließ Platz für Gerüchte und Irritationen. Unter dem Hashtag #шахтерымысвами (Minenarbeiter, wir sind mit euch) wurde Unterstützung für die Streikenden ausgedrückt und gefordert, dass sich höhere Autoritäten einschalten, allen voran Präsident Nursultan Nasarbajew, der in seiner Jugend selbst in Temirtau gearbeitet hat und für ihre Situation sensibilisiert sein sollte.

Arcelor Mittal zieht vor Gericht

Entgegen der Erwartungen der Angestellten und der Bevölkerung hat der Streik den Konflikt mit Arcelor Mittal verschärft. Am 14. Dezember reichte das Unternehmen bei verschiedenen Gerichten Klagen gegen die Gewerkschaften „Korgau“ und „Dschhaktau“ sowie gegen die Arbeiter, die den Streik initiierten, ein.

Ein administrativer Prozess sei eingeleitet worden, „um die Demonstrationen und die Handlungen der Gewerkschaften und Arbeiter als illegal anerkennen zu lassen“, erklärt Ratel.kz. Am Abend des 14. Dezember  ist das Gericht der Stadt Schachtinsk der Forderung von Arcelor Mittal nachgekommen. In der Nacht auf dem 15. Dezember haben die Minenarbeiter dann begonnen den Streik zu beenden.

Kaum erfüllte Forderungen

Nach vier Tagen Streik bot der Arbeitgeber eine Gehaltserhöhung um 30 Prozent an.  Des Weiteren habe Acelor Mittal eine Prämie von einem zusätzlichen Monatsgehalt gewährt, wie Ratel.kz erklärt. Parallel dazu wurde ein von der Staatsanwaltschaft Schachtinsk unterzeichneter Brief unter den Minenarbeitern verbreitet, in dem garantiert wird von Strafverfolgung in Bezug auf den Streik abzusehen.

Alles in allem scheint die Lösung dieses Streiks nichts als Fassade zu sein. Die Demonstrationen haben andere Probleme wie die Gräben zwischen der Führungsebene und den Angestellten der großen Unternehmen des Landes, aber auch die mangelhafte Kommunikation der Staatsorgane in Krisensituationen gezeigt.

Der Schatten von Schanaösen

Diese Art von Geschehnis ruft in Kasachstan eine bestimmte Erinnerung hervor, fast auf den Tag genau sechs Jahre nach den Ereignissen von Schanaösen. Am 16. Dezember 2011 eröffnete die Polizei in der westksachstanischen Stadt das Feuer auf Raffineriearbeiter, die sich seit Mai im Streik befanden. Offiziell wurden mindestens 14 Personen getötet. Die Erinnerung an diese Ereignisse ist auch heute noch in Kasachstan recht präsent.

„Die Autoritäten des Gebiets Karagandy und die Leitung von Arcelor Mittal scheinen nicht ihre Lektion aus Schanaösen gelernt zu haben, wo der Streik auch friedlich begann und von legitimen Forderungen begleitet wurde. Jedes Jahr im Dezember scheint es unmöglich sich nicht daran zu erinnern“, behauptet der Politologe Dosym Satpajew gegenüber The Village Kasachstan.

„Nach all den Jahren der Unabhängigkeit hat die intendierte Schwächung der Gewerkschaftsbewegung in Kasachstan die Möglichkeit einer soliden Verteidigung in Arbeitskämpfen gesenkt“, bedauert der Experte.

Kamshat Toleuliyeva und Camille Calandre

Aus dem Französischen von Robin Roth

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