Startseite      „Mit 17 Jahren zwei Fehlgeburten und eine Scheidung“: Wie frühe Heirat das Leben von Mädchen in Zentralasien zerstören kann

„Mit 17 Jahren zwei Fehlgeburten und eine Scheidung“: Wie frühe Heirat das Leben von Mädchen in Zentralasien zerstören kann

Vor zwei Jahren hat Nigora aufgehört, zur Schule zu gehen. Weil sie verheiratet wurde. Sie war 17 Jahre alt. Ähnlich sieht das Schicksal Tausender Mädchen in Zentralasien aus: Anstelle von Schulprüfungen erwartet sie „Nikah“ (religiöse Trauung), anstelle einer höheren und manchmal sogar mittleren Bildung schwere Hausarbeit. Ihre Familien begründen die frühe Verheiratung ihrer Töchter mit dem Wunsch, Traditionen zu wahren und die „Ehre“ zu bewahren. Sehr oft verbergen sich dahinter zerbrochene Schicksale und sogar Menschenrechtsverletzungen.

Frühehen sind nach wie vor eine gängige Praxis in Zentralasien (Symbolbild). Foto: Wikimedia Commons

Vor zwei Jahren hat Nigora aufgehört, zur Schule zu gehen. Weil sie verheiratet wurde. Sie war 17 Jahre alt. Ähnlich sieht das Schicksal Tausender Mädchen in Zentralasien aus: Anstelle von Schulprüfungen erwartet sie „Nikah“ (religiöse Trauung), anstelle einer höheren und manchmal sogar mittleren Bildung schwere Hausarbeit. Ihre Familien begründen die frühe Verheiratung ihrer Töchter mit dem Wunsch, Traditionen zu wahren und die „Ehre“ zu bewahren. Sehr oft verbergen sich dahinter zerbrochene Schicksale und sogar Menschenrechtsverletzungen.

„Sie haben mich verheiratet. Und sie haben mich nichts gefragt.“ – Die zierliche Nigora, die wie ein Teenager aussieht, ist jetzt 19 Jahre alt. Sie ist bereits geschieden und lebt wieder im Haus ihrer Eltern. In demselben Zimmer, in dem sie einst davon träumte, Ärztin zu werden. Nigora sagt, man erinnere sie hier oft daran, dass sie überflüssig sei.

„Ich bin die Älteste in der Familie. Meine Mutter starb, als ich 15 war. Es war noch kein Jahr vergangen, da begann mein Vater mit Verwandten über meine Heirat zu sprechen. Sie sagten, es sei besser, mich früh zu verheiraten, bevor „Probleme“ aufträten“, erinnert sich Nigora.

Bald stellte sich heraus, dass sie mit einem entfernten Verwandten ihres Vaters, dem 25-jährigen Komil, verheiratet werden sollte. Der arbeietete auf einer Baustelle in Russland. Niemand fragte Nigora nach ihrer Zustimmung.

„Damals war ich gerade 17 geworden und hatte die 10. Klasse abgeschlossen. Komil kam aus Russland zurück und das war’s, sie haben mich verheiratet. Sie haben mich nicht gefragt. Es gab keine Hochzeit, nur eine bescheidene Nikah-Zeremonie und ein paar Gäste“, erzählt sie.

Das Leben im Haus ihres Mannes, mit seinen Eltern, Brüdern und Schwägerinnen, war gefüllt mit schwerer Arbeit: „Früh morgens fegte ich den Hof, melkte die Kuh, säuberte den Stall, buk Fladenbrot und bereitete das Frühstück für alle zu. Wäsche waschen, Geschirr spülen, dann Mittagessen, dann Abendessen. Und so jeden Tag. Ich hatte keine Minute Ruhe. Als ich schwanger wurde, fuhr mein Mann wieder nach Russland. Einmal versuchte meine Schwägerin zu helfen, aber meine Schwiegermutter wies sie sofort zurecht: „Wozu ist die Schwiegertochter im Haus?“ Ich war moralisch und körperlich erschöpft. Bald darauf kam es zu einer Fehlgeburt.“

Einige Monate vergingen, Komil kam zurück und Nigora wurde wieder schwanger. Sie hatte eine zweite Fehlgeburt. Die Verwandten meines Mannes beschuldigten sie, dass sie „keine Kinder bekommen kann“, und bestanden auf einer Scheidung. Komil sprach dreimal das Wort „Talak“ aus, was in der muslimischen Tradition die Auflösung der Ehe bedeutet.

Nigora kehrte in das Haus ihres Vaters zurück. „Ich fühle mich von niemandem gebraucht. Ich habe keine Ausbildung, kein Geld und weiß nicht, wie weiter“, sagt sie.

Von Brautraub und Frühehe

Asel (Name geändert), eine 17-jährige junge Frau aus der Region Dschalal-Abad in Kirgistan, erinnert sich noch immer mit Bitterkeit an den Tag, der ihr Leben auf den Kopf stellte. Sie war 16 Jahre alt, ging in die 9. Klasse und plante, sich an einer Kunsthochschule zu bewerben.

„Ilschat ist neun Jahre älter als ich. Er schrieb mir, rief mich an, wir unterhielten uns ein wenig. Und dann kam er eines Tages mit Freunden vorbei, als ich zum Laden ging, und entführte mich einfach. Er brachte mich nach Hause, wo seine Verwandten bereits auf mich warteten. Am nächsten Tag riefen sie meine Eltern an, die kamen, mich aber nicht mitnahmen. Sie sagten, ich sei nun Ilschats Frau, das sei eine kirgisische Tradition [genannt „Ala Katschuu“, Entführung von Mädchen zum Zweck der Zwangsheirat, Anm. d. Red.]. Mein Vater hatte seinerzeit meine Mutter auf die gleiche Weise geheiratet. Es wurde eine religiöse Trauung abgehalten, und meine Eltern fuhren wieder weg“, erzählt Asel.

So wurde Asel eine „Kelin“ [junge Schwiegertochter in den Ländern Zentralasiens, Anm. d. Red.]. Sie musste die Schule abbrechen und ihre Träume von einer Karriere als Künstlerin begraben.

„Ich liebe es zu malen. Das war mein Ein und Alles. Jetzt weiß ich gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal einen Pinsel in der Hand hatte. Ich möchte meine Gefühle zum Ausdruck bringen, aber mir fehlt die Zeit und die Kraft dazu“, meint sie.

Vor kurzem kam ihr Kind als Frühgeburt zur Welt: „Wegen des Stresses habe ich keine Milch. Das Geld reicht gerade mal für Babynahrung. Mein Mann ist derzeit arbeitslos, wir leben bei seinen Eltern. Manchmal helfen mir meine Verwandten.“ Auf Fragen zu ihrer Beziehung zu ihrem Mann wollte sie nicht antworten.

Gesetzeslücken bei der Legalisierung früher Ehen

Nach Angaben der internationalen Menschenrechtsorganisation Equality Now machen Frühehen beziehungsweise „Kinderehen“ (von Personen unter 18 Jahren geschlossen) in Kirgistan etwa 13 Prozent aller Ehen aus. In Tadschikistan sind es 9 Prozent und in Usbekistan 3,4 Prozent, in den konservativeren Regionen des Landes jedoch bis zu 11 Prozent.

Darjana Grjasnowa, Rechtsberaterin bei Equality Now und Mitautorin des Berichts „Barrieren überwinden: Die Lösung des Problems der Kinder-, Früh- und Zwangsehen in Eurasien“, erklärt, dass es für die Legalisierung solcher Ehen Gesetzeslücken gibt. „Die Gesetze Kirgistans, Tadschikistans und Usbekistans erlauben es, das Heiratsalter auf 17 Jahre zu senken. Dies steht in direktem Widerspruch zu internationalen Standards, vor allem zur Konvention über die Rechte des Kindes und den Empfehlungen des Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau“, so Grjasnowa.

In Tadschikistan erfolgt die Herabsetzung des Heiratsalters laut der Genderforscherin und nationalen Expertin Diana Ismailowa meist mit Zustimmung des Gerichts. Eine Analyse der Rechtsprechung aus den Jahren 2017 bis 2018, die über 500 Fälle umfasst, ergab, dass Richter in 82 Prozent der Fälle ihre Entscheidung mit der schwierigen finanziellen Lage der Familie des Mädchens begründeten. In fast der Hälfte der Fälle wurde „die gegenseitige Liebe des Paares“ als Grund angegeben.

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Laut Ismailowa gab es auch „absurde Begründungen”: „Es gab Fälle, in denen Gerichte eine Entscheidung nur deshalb trafen, weil die Kosten für die Hochzeit bereits angefallen waren und im Standesamt plötzlich festgestellt wurde, dass die Braut noch nicht 18 Jahre alt war. Solche Fälle machen nur 3 Prozent aus, aber allein die Tatsache, dass es sie gibt, sagt viel über die Herangehensweise aus”, schildert Ismailowa.

Sie betont, dass geschlechtsspezifische Aspekte in der Praxis der Gerichte praktisch nicht berücksichtigt werden: „Die Gerichte achten selten auf die Rechte der Heiratswilligen, insbesondere der Mädchen – wie die Freiwilligkeit der Ehe, die Interessen des Kindes, die Möglichkeit, selbstständig Entscheidungen zu treffen.“

Die Juristin und Menschenrechtsaktivistin Larisa Aleksandrowa aus Tadschikistan verweist auf die offiziellen Daten zu registrierten Frühehen in diesem Land in den vergangenen Jahren – zwischen 0,8 und 1,02 Prozent.

„Auf den ersten Blick scheinen die Zahlen gering zu sein und die Situation stabil. Aber das ist eine Illusion. Hinter den trockenen statistischen Daten verbirgt sich ein weitaus beunruhigenderes Bild – die Verbreitung informeller Ehen, die nach religiösen Bräuchen ohne staatliche Registrierung geschlossen werden“, betont Aleksandrowa.

Obwohl „Nikah“ keine Rechtskraft habe, beginne eine Vielzahl von frühen, erzwungenen und polygamen Verbindungen mit ihr.

„Das Gesetz „Über die Regelung von Feierlichkeiten und Zeremonien“ regelt nur den Ablauf der Trauung, die maximale Anzahl der Gäste bei der Hochzeit und die Dauer der Hochzeit selbst, verlangt aber nicht, dass der Mullah von den Brautleuten eine Heiratsurkunde verlangt, bevor er die Nikah-Zeremonie durchführen darf. Und es ist keine Verantwortung des Mullahs vorgesehen, dass er die Nikah-Zeremonie mit Minderjährigen ohne Überprüfung der offiziellen Dokumente durchführen kann“, sagt die Juristin.

„Ein Teufelskreis der Angst, Isolation und Gewalt“

Es gibt viele Gründe, warum Familien weiterhin nicht volljährige Mädchen verheiraten. Wie Darjana Grjasnowa erklärt, ist wirtschaftliche Instabilität nach wie vor einer der Hauptgründe. Angesichts finanzieller Probleme sehen Familien eine frühe Heirat manchmal als Möglichkeit, die Belastung durch ein weiteres Familienmitglied zu verringern, Kosten zu senken, sogar ihren sozialen Status durch eine „gute Partie“ oder ihre finanzielle Situation durch eine Mitgift zu verbessern.

„Besonders gefährdet sind Mädchen. Der fehlende Zugang zu Bildung beraubt sie ihrer Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung und erhöht das Risiko einer frühen Heirat. Dies führt zu einem Teufelskreis: Der Mangel an Bildung schränkt die Fähigkeit der Mädchen ein, für ihre Rechte einzutreten, verstärkt ihre Abhängigkeit von familiären und sozialen Erwartungen und macht eine frühe Heirat zu einem wahrscheinlichsten Ausgang“, sagt sie.

Es geht nicht nur um Geld; die Beweggründe von Familien seien oft tiefgreifender und widersprüchlicher. Laut Gulnora Beknasarowa, Direktorin des Zentrums für soziologische Forschung „Serkalo“ in Duschanbe, sind an solchen Entscheidungen selten nur die Eltern beteiligt: Es handelt sich um eine kollektive Diskussion, bei der Großeltern, Tanten, Onkel und sogar Nachbarn mitreden. Alles wird berücksichtigt: der Status der Familie, die Meinungen der Umgebung, die unausgesprochenen Erwartungen der Gemeinschaft, der Druck der „sozialen Uhr“ – die Überzeugung, dass man „rechtzeitig“ heiraten muss, sonst ist der Ruf gefährdet.

Und weiter meint Beknasarowa: „Eltern fürchten die Verurteilung, wenn ihre Tochter unverheiratet bleibt. In der Gesellschaft kann man hören: „Sie ist schon 20 – sie ist alt.“ Das ist ein schreckliches Stigma, und obwohl es nicht immer laut ausgesprochen wird, beeinflusst es weiterhin das Schicksal der Menschen. In einer traditionellen Gesellschaft sind Normen und Bräuche oft wichtiger als Logik. Es werden keine kausalen Zusammenhänge zwischen einer frühen Heirat und beispielsweise einer Beeinträchtigung der reproduktiven Gesundheit, mangelnder Bildung oder der Unfähigkeit, sich im Falle einer Scheidung selbst zu versorgen, hergestellt. Es ist einfach so üblich, so „muss es sein.““

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Die Menschenrechtsaktivistin Larisa Aleksandrowa weist darauf hin, dass frühe Ehen oft als Mittel eingesetzt werden, um Mädchen zu einem erwarteten Verhalten zu „zwingen”: „Die Eltern befürchten, dass ihre Tochter „vom rechten Weg abkommt“ und die Familie in Verruf bringt – insbesondere in ländlichen Gebieten, wo das Risiko einer außerehelichen Schwangerschaft als direkte Bedrohung der Familienehre angesehen wird. Unter solchen Umständen wird eine frühe Heirat als „Schutzmaßnahme“ dargestellt, obwohl sie in Wirklichkeit die Freiheit und Rechte des Mädchens einschränkt.“

Auch der emotionale Faktor spielt eine Rolle, insbesondere bei älteren Familienmitgliedern. Wie Aleksandrowa sagt, ist der Wunsch, die Enkelin noch zu Lebzeiten zu verheiraten, manchmal ausschlaggebend: „Für viele Großeltern ist die Hochzeit ein Symbol für die Erfüllung ihrer Lebensaufgabe. Das Mädchen ist vielleicht noch nicht bereit, aber die Meinung der Älteren ist wichtiger als ihr eigener Wunsch.“

Unabhängig von den Motiven – wirtschaftlichen, kulturellen oder persönlichen – bleibt eine frühe und erzwungene Heirat eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt. Sie nimmt Mädchen das Recht auf Selbstbestimmung, körperliche Autonomie und die Freiheit, sie selbst zu sein, sagt Darja Grjasnowa: „Für viele ist dies nicht der Beginn eines neuen Lebens, sondern der Eintritt in einen Teufelskreis der Angst, Isolation und Gewalt, aus dem es sehr schwer ist, wieder herauszukommen.“

Frühe Heirat: eine Gefahr für Gesundheit, Psyche und Zukunft

Mädchen, die in jungen Jahren heiraten, sehen sich oft mit schwerwiegenden körperlichen Folgen konfrontiert, die mit der Unreife ihres Körpers für eine Schwangerschaft zusammenhängen.

Mit diesen Problemen ist Tahmina Saidowa täglich konfrontiert – sie ist Gynäkologin und Leiterin der gemeinnützigen Stiftung „Öffentliche Gesundheit und Menschenrechte“ in Duschanbe.

„Der Zusammenhang zwischen frühen Ehen, frühen Schwangerschaften und schweren medizinischen Komplikationen ist unbestreitbar und gibt der medizinischen Fachwelt Anlass zu großer Sorge“, sagt sie.

Ihr zufolge haben Mädchen im Alter von 15 bis 19 Jahren ein doppelt so hohes Risiko, während der Schwangerschaft oder Geburt zu sterben, als Frauen über 20 Jahren.

Die Gründe dafür können vielfältig sein – starke Blutungen, Infektionen, Komplikationen nach unsicheren Abtreibungen. Der Körper einer Teenagerin ist nicht immer gänzlich bereit für eine Geburt: Beispielsweise kann es aufgrund eines schmalen Beckens zu einer schweren Geburt kommen, die oft mit Verletzungen, Behinderungen oder sogar dem Tod der Mutter und des Kindes endet. In einigen Fällen bleiben die Folgen ein Leben lang bestehen – von Rissen bis hin zur Bildung von Fisteln, die nicht nur die Gesundheit beeinträchtigen, sondern dem Mädchen auch ein normales Leben unmöglich machen“, schildert Saidowa.

Bei jungen Frauen unter 20 kommen häufiger Frühgeborene und untergewichtige Babys zur Welt, was ebenfalls das Risiko der Säuglingssterblichkeit erhöht.

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Nicht weniger verheerend sind die Auswirkungen früher Ehen auf die Psyche. „Frühehen gehen oft mit Gewalt, Isolation und dem Verlust des Zugangs zu Bildung einher. All dies kann zu Depressionen, Angststörungen und sogar zu posttraumatischem Stress führen“, sagt die Ärztin.

Auch die Gefahr von Infektionen muss gesondert erwähnt werden. „Aufgrund fehlender Sexualaufklärung und mangelnden Zugangs zu Verhütungsmitteln können sich junge Mädchen nicht vor HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen schützen. Meistens haben sie keine Möglichkeit, auf ungeschützten Sex zu verzichten oder rechtzeitig medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen“, betont Tahmina Saidowa.

Laut der Menschenrechtsaktivistin Diana Ismailowa ist eine weitere schmerzhafte Folge der Frühehe die vollständige wirtschaftliche Abhängigkeit der Mädchen. „In der Regel haben sie keine Zeit, einen Beruf zu erlernen und die für den Eintritt in den Arbeitsmarkt erforderlichen Fähigkeiten zu erwerben. Die Ausbildung wird aufgeschoben und findet oft gar nicht statt. Was passiert, wenn diese Verbindung zerbricht? Die Frau ist dann schutzlos“, sagt die Expertin.

Wie kann die Praxis der Frühehen gestoppt werden?

Laut Suhaili Kodiri, Leiter der Abteilung für den staatlichen Schutz der Rechte von Kindern im Büro des Ombudsmanns in Tadschikistan, werden derzeit konkrete Schritte zur Bekämpfung von Frühehen unternommen: Es wird diskutiert, die Norm aus dem Familiengesetzbuch zu streichen, die eine Senkung des Heiratsalters auf 17 Jahre erlaubt. „Viele staatliche Stellen haben diese Initiative bereits unterstützt“, betont er.

In Kirgistan wurde im Mai dieses Jahres ein Entwurf für ein neues Familiengesetzbuch ausgearbeitet, das Ehen unter 18 Jahren vollständig verbietet.

Allerdings reichen legislative und strafrechtliche Maßnahmen allein nicht aus, betont Darjana Grjasnowa, Rechtsberaterin bei der Organisation Equality Now. Ihrer Meinung nach liegen die Wurzeln des Problems tiefer: „Die Praxis der Frühehen entsteht auf dem Boden von Geschlechterdiskriminierung, Armut und gesellschaftlichem Druck. Es handelt sich nicht nur um eine rechtliche, sondern auch um eine kulturelle und soziale Frage.“

Deshalb müsse man an mehreren Fronten dagegen vorgehen: die Gesetzgebung verschärfen und streng anwenden, Familien und Jugendliche über die Risiken einer frühen Heirat aufklären, die wirtschaftlichen Möglichkeiten für Mädchen und ihre Familien erweitern, den Betroffenen umfassende Hilfe leisten und vor allem die Gemeinschaften aktiv in die Neudefinition von Normen und Traditionen einbeziehen.

Diana Ismailowa, nationale Gender-Expertin aus Duschanbe, betont, dass dies nicht nur eine Angelegenheit für Gerichte oder Standesämter ist. „Der Kampf gegen Frühehen betrifft alle: von Ministerien bis hin zu lokalen Meinungsführenden. Stellen Sie sich vor, im Abendprogramm würden im Fernsehen reale Geschichten von Mädchen gezeigt, die unter einer frühen Heirat gelitten haben. Die Medien prägen das Denken von Millionen“, sagt sie.

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Die Expertin schlägt sogar vor, das Verteidigungsministerium einzuschalten. „Jungs heiraten oft schnell nach ihrem Militärdienst. Warum sollte man ihnen dort, bevor sie in ihr Heimatdorf zurückkehren, nicht Kurse über Familienkompetenz und die Rechte von Männern und Frauen anbieten? Das könnte die Grundlage für gesunde Beziehungen und verantwortungsvolle Entscheidungen schaffen“, meint sie.

Die 19-jährige Nigora aus Duschanbe, die zwei Fehlgeburten und eine Scheidung hinter sich hat, spricht das Problem ganz einfach an: „Lernt, träumt. Beeilt euch nicht. Heiratet nur, wenn ihr es selbst wollt und bereit dafür seid. Es ist euer Leben. Und es sollte mit eurer Zustimmung beginnen.“

Nargiz Chamrabajewa für Radio Azattyk

Aus dem Russischen von Michèle Häfliger

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