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Kein Herz für russische Künstler

ENTSCHLÜSSELUNG. Seit Anfang 2023 kommt es zu immer mehr Absagen von Konzerten russischer Musiker. Die Gründe dafür stehen dabei oft im Gegensatz zueinander: Mal werden die Künstler für ihre Unterstützung des russischen Militärs, mal jedoch auch für ihre zu ausgeprägte Anti-Kriegs-Haltung kritisiert. In Kasachstan, Kirgistan und Usbekistan sorgt der Krieg in der Ukraine auf diese Weise für einen Wandel innerhalb der russischsprachigen Musikszene. Entschlüsselung eines kulturellen Wandels in Zentralasien.

Grigory Leps unterstützt offen Russland Angriffskrieg auf die Ukraine. Nun wurden mehrere Konzerte des russischen Sängers in Zentralasien abgesagt, Photo: Okras / Wikicommons.

ENTSCHLÜSSELUNG. Seit Anfang 2023 kommt es zu immer mehr Absagen von Konzerten russischer Musiker. Die Gründe dafür stehen dabei oft im Gegensatz zueinander: Mal werden die Künstler für ihre Unterstützung des russischen Militärs, mal jedoch auch für ihre zu ausgeprägte Anti-Kriegs-Haltung kritisiert. In Kasachstan, Kirgistan und Usbekistan sorgt der Krieg in der Ukraine auf diese Weise für einen Wandel innerhalb der russischsprachigen Musikszene. Entschlüsselung eines kulturellen Wandels in Zentralasien.

Der Auftritt des kreml-freundlichen Sängers Grigory Leps ist erneut abgesagt worden. Geplant war ein Konzert im Badeort Tscholponata am Yssykköl. Grund für die Absage ist laut dem kirgisischen Medium 24.kg seine offene Unterstützung der russischen Invasion in der Ukraine.

Zuvor waren auch Konzerte des ultra-patriotischen Künstlers in Kasachstan und Usbekistan gestrichen worden, die für den 8. Juli sowie den 23. Oktober angesetzt gewesen waren. Laut dem amerikanischen Medium Eurasianet führen die Veranstalter als Gründe die lautstarke Unterstützung und den anti-ukrainischen Aktivismus des Sängers an. Laut der russischen Tageszeitung Vedimosti hatte er russischen Soldaten für jeden abgeschossenen Leopard-Panzer der ukrainischen Armee eine Million Rubel versprochen.

Grigory Leps ist einer jener sogenannter Z-Künstler, die die russische Invasion unterstützen. Doch außer ihm wurden noch weitere der zentralasiatischen Bühne verwiesen. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hatte sich das Publikum in Zentralasien zu einem besonders attraktiven Ziel für russische Musiker entwickelt. Doch nun scheint die Region nicht mehr zugänglich zu sein – weder für diejenigen, die den Krieg offen unterstützen, noch für diejenigen, die dagegen sind.

Boykott in den sozialen Netzwerken

Die Organisatoren der abgesagten Konzerte geben nur selten explizite Gründe an. Meist verweisen sie auf technische Probleme. Seit Anfang dieses Jahres treffen Konzertabsagen jedoch ausschließlich Russen, und fast immer solche, die den Krieg in der Ukraine unterstützen.
„Die Behörden der Kirgisischen Republik müssen seine Auftritte am heiligen kirgisischen See Yssykköl und auf unserem Territorium verbieten!“, twitterte Almas Tadschjibajew über das Konzert von Grigory Leps. „Mit dem Geld, das er durch seine Konzerte verdient, setzt er Belohnungen für die Ermordung von Ukrainern aus“.

In Usbekistan kursierte der Hashtag #LepsKerakmas („Wir brauchen Leps nicht“), als der Konzerttermin veröffentlicht wurde. Als die Behörden des kasachstanischen Gebiets Almaty meldeten, dass sie einen Saal für das Konzert von Grigory Leps in der Stadt Qonaev zur Verfügung stellen würden, kam es zu harscher Kritik in den sozialen Netzwerken, berichtet Radio Azattyq, der kasachstanische Dienst von Radio Free Europe. Die Verantwortlichen nannten „die Nachfrage des Volkes“ als Grund für ihre Entscheidung, das Konzert abzusagen.

Z-Künstler seit Anfang des Jahres außen vor

Die Z-Künstlerin Polina Gagarina, die in Astana hätte auftreten sollen, musste mit ansehen, wie ihre ab November 2022 geplanten Auftritte abgesagt wurden. Einige Wochen später traf es auch das Musikfestival Jara, das vom 9. bis 12. März in Kasachstan stattfinden sollte: Nutzer von sozialen Netzwerken hetzten dagegen, nannten es „Z-Festival“ beschuldigten die Veranstalter, den Krieg in der Ukraine zu unterstützen.

Schließlich wurde das Festival für den 21. Mai neu angesetzt, diesmal mit Taschkent als Austragungsort. Doch auch die Neu-Edition war nicht vor der Kritik gefeit. Mit den Hashtags  #StopKremlinPropaganda und #StopZArtistsConcerts riefen Internetnutzer dazu auf, keine pro-russischen Künstler mehr ins Land zu holen.

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„Usbekistan ist neutral [im russisch-ukrainischen Krieg]. Aber ich bin auf der Seite der Ukraine. Ich bin dagegen, dass ein anderes Land mit einem Terrorakt in das souveräne Territorium [der Ukraine] eindringt, das Land besetzt und das Volk ausrottet“, erklärte ein Aktivist gegenüber The Diplomat. Das Festival wurde schließlich endgültig abgesagt, wie das usbekische Medium Kun.uz berichtete.

Umgang mit Kriegsgegnern unklar

In Kirgistan sind jedoch auch Künstler, die sich zu entschieden gegen den Krieg in der Ukraine aussprechen, von kurzfristigen Absagen betroffen. Denn trotz seiner theoretisch neutralen Haltung zum Krieg bleibt Bischkek dem Kreml insgesamt treu. Die Repressionen seitens der kirgisischen Regierung gegen Anti-Kriegs-Aktivisten, die als zu vehement eingestuft wurden, halten nach wie vor an.

Die Nähe zu Moskau äußert sich unter anderem darin, dass am 10. Juni das Konzert der russischen Punkband Pornofilmy abgesagt wurde. In ihrem Heimatland gelten sie aufgrund ihrer öffentlich geäußerten Antikriegshaltung als „unerwünscht“. Dem russischen Rapper Morgenshtern, der sich in seinen Texten unmissverständlich gegen den Krieg ausspricht, blühte das gleiche Schicksal für sein Konzert am 23. Juni in der kirgisischen Hauptstadt, wie das kirgisische Medium Kaktus berichtete.

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In Usbekistan wurden zudem einige russische Bands und Künstler, die sich nicht zum Krieg in der Ukraine geäußert hatten, ebenfalls von den Behörden zensiert. Hier sind die Band SBPC beim GrozaFestival im Mai oder die Sängerin Zemfira zu nennen. Sie hätte im August in Taschkent auftreten sollen, berichtete das usbekische MediumHook.

In Kasachstan teilte das Akimat [die Stadtverwaltung, Anm. d. Red.] der ost-kasachstanischen Stadt Semeı schließlich wenige Tage nach der Absage des Konzerts von Grigory Leps in Qonaev mit, dass der belarusischen Band BI-2 der Auftritt ebenfalls verwehrt würde. Die Band ist laut dem kasachstanischen Medium Tengri News dafür bekannt, dass sie den Krieg in der Ukraine seit Beginn der Invasion an verurteilt.

Einige Quellen sehen im Verhalten der kasachstanischen Regierung einen politischen Balanceakt. Einerseits soll die Zusammenarbeit mit Russland nicht ins Stocken geraten, andererseits aber auch die territoriale Integrität der Ukraine anerkannt werden, so Radio Azattyq. Eine ähnliche Strategie fahren auch Usbekistan und Kirgistan.

Emma Collet für Novastan

Aus dem Französischen von Arthur Siavash Klischat

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