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Kasachstan: „Nein“ zu pro-russischen Künstler:innen

Der kulturelle Einfluss Russlands stößt in Kasachstan zunehmend auf Widerstand. So wurde zuletzt ein Festival in Almaty abgesagt, bei dem viele russische Künstler:innen auf dem Programm standen, die offen den Krieg in der Ukraine unterstützen.

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Übersetzt von: Robin Roth

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Der kulturelle Einfluss Russlands stößt in Kasachstan zunehmend auf Widerstand. So wurde zuletzt ein Festival in Almaty abgesagt, bei dem viele russische Künstler:innen auf dem Programm standen, die offen den Krieg in der Ukraine unterstützen.

Egor Kreed, Ani Lorak, Sergej Lasarew, Emin, Dabro und viele andere russische Künstler:innen sollten vom 9. bis 12. März 2023 während des Festivals Zhara („Hitze“ auf Russisch) in Almaty auf der Bühne stehen. Aber nun haben die Organisator:innen beschlossen, die Veranstaltung abzusagen. Dabei gaben sie Druck aus den sozialen Netzwerken nach. Wie das kasachstanische Nachrichtenportal NewTimes.kz berichtete, wurde ihnen vorgeworfen, „den Krieg in der Ukraine zu unterstützen“.

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„Zhara“ findet traditionell jedes Jahr in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku statt, wurde aber bereits im vergangenen Jahr aufgrund „aktueller Umstände in der Welt“abgesagt, so die Veranstalter:innen. 2023 sollte dann Almaty  Veranstaltungsort werden, doch auch in Kasachstans Wirtschaftsmetropole wird das Event nun aufgrund der geplanten Programmgestaltung nicht stattfinden. T

atsächlich unterstützen viele der gebuchten Künstler:innen in den sozialen Netzwerken direkt oder indirekt die russische Invasion in der Ukraine. Die meisten hatten auch am Marathon „Für Russland“ im Mai 2022 teilgenommen, einer kulturellen Veranstaltung mit landesweiten Konzerten zur Unterstützung „patriotischer Ideale“ während des Krieges. Laut Radio Azattyq, dem kasachstanischen Dienst von Radio Free Europe, verschwanden Künstler:innen, die die russische Invasion mit besonders viel Eifer unterstützten, vom Plakat für „Zhara“. Hierzu zählen etwa Grigorij Leps oder Anita Tsoi.

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Im Gegensatz zu diesen Künstler:innen, lehnt die kasachstanische Gesellschaft – auch im Unterschied zu anderen zentralasiatischen Ländern – den Krieg in der Ukraine deutlich ab. Laut dem Central Asia Barometer tendiert die öffentliche Meinung dazu, Russland in der Verantwortung für diesen Konflikt zu sehen. Die Zivilgesellschaft organisiert sich, um Antikriegsdemonstrationen durchzuführen und die ukrainische Bevölkerung zu unterstützen.

Mehrere russische Künstler:innen „gecancelt“

Die Absage des Festivals ist nicht der einzige Beleg für die Zurückhaltung gegenüber russischen Musiker:innen seit dem Krieg in der Ukraine. Bereits im November 2022 musste die Sängerin Polina Gagarina, die in den sozialen Netzwerken „die berühmte Z-Künstlerin“ [das Z gilt als Symbol zur Unterstützung der russischen Invasion, Anm. d. Ü.] genannt wurde, ihre Auftritte in Kasachstan absagen.

Dasselbe Problem hatte Larissa Dolina: Wie Informburo berichtet, erklärte der Konzertsaal in Qaraģandy, in dem Dolinas Konzert hätte stattfinden sollen, dass er keine Verträge mit dem Veranstalter geschlossen habe und das Konzert demnach dort nicht stattfinden werde. Zuvor hatte es einen Aufschrei in den sozialen Netzwerken gegeben.

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Was hingegen Dissident:innen und russische Anti-Kriegs-Künstler:innen betrifft, werden diese gut aufgenommen. So kündigte Gruppe BI-2 nach einem Konzert im Oktober 2022 an, dass ihr Keyboarder in Kasachstan bleiben werde, berichtet der kasachstanische Journalist Dmitri Shishkin. Radio Azattyq stellt jedoch fest, dass die Militanz gegen kriegsfreundliche russische Musiker:innen nicht alle gleichermaßen trifft. So konnte Filipp Kirkorow im November bei seinen Konzerten in Astana und Almaty problemlos auftreten.

„Dekolonisierung“ der Kultur?

Das Problem wurzele tief in der Frage der Dekolonialität und der Abhängigkeit Kasachstans von Russland, erklärt die Kunsthistorikerin Valeria Ibraeva gegenüber Radio Azattyq. Ihrer Meinung nach ist Kasachstan nicht nur ein von der russischen Sprache und russischen Medien dominiertes Land, sondern auch mit seiner Musikindustrie verbunden.

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Doch seit dem Krieg in der Ukraine scheint dieser kulturelle Einfluss stark in Frage gestellt zu werden und tiefgreifende Veränderungen treten in Kraft. Tatsächlich singen nationale Künstler:innen jetzt vermehrt auf Kasachisch, einer Sprache, die wieder in Mode kommt. Da ist zunächst die Gruppe Ninety One, die Teil der Q-Pop-Bewegung ist und sich am Vorbild des koreanischen K-Pop orientiert. Ihr Stil, gemischt mit kasachischen Texten und den Melodien nomadischer Musik, lässt Kasachstan in der internationalen Musikszene glänzen. Der weltweit bekannte Sänger Dimash Qudaıbergen, fördert immer mehr die kasachische Sprache, obwohl er seine Texte auch auf Russisch, Englisch und Chinesisch verfasst.

Emma Collet, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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