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Feministische Versammlungen in Bischkek und Almaty am 8. März

In Bischkek sind Hunderte von Menschen zu einer Kundgebung samt Umzug anlässlich des Weltfrauentags zusammengekommen. In Almaty hingegen haben die Behörden erneut ein Versammlungsverbot ausgesprochen und feministische Aktivistinnen festgenommen.

Frauenmarsch in Bischkek am 8. März 2025. Foto: 24.kg

In Bischkek sind Hunderte von Menschen zu einer Kundgebung samt Umzug anlässlich des Weltfrauentags zusammengekommen. In Almaty hingegen haben die Behörden erneut ein Versammlungsverbot ausgesprochen und feministische Aktivistinnen festgenommen.

Am 8. März fand in der Hauptstadt Kirgistans ein friedlicher Marsch für die Rechte der Frauen statt. Er wurde von Aktivistinnen der lokalen Feministischen Initiative Bischkek organisiert, wie Radio Azattyk berichtet.

Der Umzug begann um 12 Uhr mittags vor dem ehemaligen Gebäude des Außenministeriums in der Nähe des Alten Platzes. Von dort aus zogen die Demonstranten etwa ein Stunde durch die Stadt, Ziel war der Maxim-Gorki-Park.

Die Organisatorinnen betonten, dass der 8. März der Tag der Solidarität für alle Frauen sei – unabhängig davon, ob sie zu Hause, im Büro oder in der Fabrik arbeiten, und so ihre sozialen, wirtschaftlichen und politischen Rechte verteidigen.

Die Forderungen bezogen sich auf mehr Sicherheit von Frauen am Arbeitsplatz, zu Hause und im gesellschaftlichen Zusammenleben. Darüber hinaus forderten die Demonstrierenden, dass Väter nach einer Scheidung rechtlich für ihre Kinder verantwortlich sein sollten, wie das kirgisische Medium Kaktus berichtet.

„Ohne Rechte kein Fortschritt“

Die örtliche Polizei schätzte die Zahl auf über 150. Mehreren Quellen zufolge nahmen jedoch zwischen 300 und 500 Personen am Umzug teil.

Verschiedene Slogans waren während des Umzugs zu hören und zu sehen: „Frauen werden weiterhin getötet“, „Wir brauchen Sicherheit, keine Blumen“, „Abtreibung ist eine persönliche Entscheidung, keine juristische Debatte“, „Mädels, unterstützt euch gegenseitig!“ oder „Ohne Rechte kein Fortschritt“.

Sogar zu einer Hymne zu Ehren der Frauenrechte stimmten die Demonstrierenden an, berichtet Kaktus weiter. Nach Angaben der Pressestelle der Polizei von Bischkek waren fast 100 Polizisten im Einsatz, um die öffentliche Ordnung und die Sicherheit der Teilnehmenden zu gewährleisten.

Kein zuverlässiges System

Unter den Rednerinnen der Veranstaltung fand sich auch Rosa Dschekschenowa. Sie ist die Mutter von Ajdschan Alykulowa, einem jungen Mädchen, das im Februar 2024 von ihrem Ehemann brutal ermordet wurde. Sie betonte, wie wichtig der Umzug angesichts der zunehmenden Gewalt gegen Frauen und der als ungerecht empfundenen Gerichtsentscheidungen in solchen Fällen sei. „In der heutigen Welt sind Frauen stärker zwar als Männer und handeln aktiver, und doch sind sie täglich Druck ausgesetzt und leiden unter Diskriminierung“, sagte sie.

Ihre Tochter hatte fünf Sprachen gesprochen und viele Jahre lang im Ausland gearbeitet, von wo aus sie die Familie finanziell unterstützte.

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Die ehemalige kirgistanische Ombudsfrau Atyr Abdrachmatowa, die ebenfalls an dem Marsch teilnahm, sagte im Interview mit dem Medium 24.kg, dass Frauen und Mädchen dank des Marsches eine Plattform hätten, um Geschlechterdiskriminierung und Gewalttaten zu thematisieren.

Kaum eine Familie ist nicht von Gewalt betroffen. Fast immer sind es die Mädchen, die darunter leiden. Die Gesellschaft bringt peu à peu mehr Verständnis für das Problem auf und die aggressiven Reaktionen auf unseren Marsch werden seltener. Sogar die Ordnungskräfte sagen, dass sie sich in ähnlichen Situationen wiedergefunden haben und ihnen die Hände gebunden waren. Mittlerweile haben auch sie verstanden, dass das System in Wirklichkeit leider niemanden von uns schützt. […] Alle Mädchen und jungen Frauen in Kirgistan verdienen mehr Schutz. Das Thema anzusprechen, zu reden, statt zu schweigen, ist keine Schande. Jedem Mädchen und jeder Frau muss klar sein, dass niemand das Recht hat, über ihren Körper oder ihre Seele zu entscheiden“, so ihre Worte.

Staatliche Förderung weiblicher Führungsqualitäten

Der Marsch in Bischkek verlief friedlich und endete mit der Nationalhymne. Die öffentliche Ordnung blieb ungestört.

Am Vorabend der Veranstaltung richtete Präsident Sadyr Dschaparow seine Glückwünsche an die Frauen, in der er ihre tragende Rolle in der Gesellschaft unterstrich und ihnen für ihren Beitrag zur Entwicklung des Landes dankte: „Kirgistan hält fest an der Geschlechtergerechtigkeit sowie der Stärkung der Frauen, denn diese sind der Schlüssel zur nachhaltigen Entwicklung des Landes.“

Daran anschließend kündigte das Staatsoberhaupt an, ein nationales Programm zur Förderung der Führungskompetenzen von Frauen bis 2030 umzusetzen, um die aktive Beteiligung von Frauen an der Wirtschaft und am öffentlichen Leben zu gewährleisten, ihr Potenzial zu entfalten und ihre finanzielle Unabhängigkeit zu stärken.

Er erinnerte auch daran, dass Kirgistan in diesem Jahr das 100-jährige Jubiläum der Frauenbewegung feiert, das einen wichtigen Schritt in der Anerkennung der Leistungen kirgistanischer Frauen in verschiedenen Bereichen darstellt: „Ihre Freundlichkeit, Aufmerksamkeit, Weisheit und Weitsicht bilden eine solide Grundlage für die Stabilität und den Wohlstand Kirgistans. Zukünftige Generationen zu erziehen, junge Menschen auf die Prüfungen des Lebens vorzubereiten und die Traditionen der Vorfahren zu bewahren – all das ist dank Ihrer hervorragenden Arbeit möglich.“

Anstieg häuslicher Gewalt

Das kirgistanische Innenministerium berichtete, dass in den ersten zehn Monaten des Jahres 2024 landesweit 14.293 Fälle häuslicher Gewalt registriert wurden, 37,2 Prozent mehr als im Jahr 2023.

Die Ombudsfrau Dschamilja Dschamanbajewa stellte fest, dass Kirgistan zwar 2003 als eines der ersten zentralasiatischen Länder ein Gesetz zum Schutz vor häuslicher Gewalt verabschiedet habe, die Zahl der Fälle in den letzten Jahren jedoch stetig gestiegen sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft fügte dem hinzu, dass in den letzten zweieinhalb Jahren in Kirgistan 34 Frauen an den Folgen häuslicher Gewalt gestorben seien, wie Radio Azattyk recherchierte.

Demonstrationsverbot in Kasachstan

In Kasachstan verweigerte das Akimat (Stadtverwaltung) von Almaty Mitte Januar einer Gruppe von feministischen Aktivistinnen die Genehmigung für eine Kundgebung zum 8. März. In ihrer Antwort verwiesen die Stadtbehörden auf eine „Bedrohung der öffentlichen Ordnung“, ohne nähere Angaben zu machen.

Auf Instagram erklärten die Organisatorinnen, sie erwögen, gegen die Entscheidung Berufung einzulegen. Ihren Angaben zufolge sei dies bereits der 15. Versuch, eine Versammlung mitsamt Marsch zu organisieren.

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Bereits im vergangenen Jahr hatte das Büro des Bürgermeisters von Almaty eine Versammlung mit anschließendem Marsch zum 8. März unter dem Motto „Freiheit und Sicherheit der kasachstanischen Frauen“ mit einer ähnlichen Begründung abgelehnt. Auf Anfrage von Vlast berichtete das Akimat, dass die Organisatorinnen und Teilnehmerinnen während der Aktionen„wiederholt von den erklärten Themen abgewichen sind und in ihren Reden andere Konzepte an deren Stelle gesetzt haben.“

Darüber hinaus behauptete das Akimat, sie habe etwa  zwanzig Anrufe mit kategorischen Aufforderungen erhalten, die Versammlung nicht zu genehmigen. Zudem seien in den sozialen Netzwerken über 100 Posts über die Ablehnung und das Verbot feministischer Aktionen veröffentlicht worden. „In den Anrufen und in den Nachrichten in den sozialen Netzwerken wird behauptet, dass diese Bürgerinnen bei den Aktionen, die dem Internationalen Frauentag gewidmet waren, sich hinter dem Kampf für Frauenrechte versteckten. In Wirklichkeit fördern sie nicht-traditionelle Werte, die uns fremd sind: gleichgeschlechtliche Beziehungen und Ehen, LGBT-Symbole“, so ihre Erklärungen.

Letzte erlaubte Demonstration im Jahr 2021

Einige Aktivistinnen gingen mehrmals auf die Straße, um das Recht auf die Durchführung eines Marsches einzufordern, jedoch ohne Erfolg.

Schließlich genehmigten die städtischen Behörden am 7. März 2024 eine Versammlung „Für ein menschenwürdiges Leben für Frauen!“ im Gandhi-Park. Die Organisation stemmte Bibinur Şeralieva, Gründerin des Sozialhauses „Rahym“ für Frauen in schwierigen Situationen und Mitglied des regionalen öffentlichen Rates für Familie und Sozialfürsorge sowie Mitglied der Regierungspartei Amanat.

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Das letzte Mal, dass das Akimat Almaty einen Marsch mitsamt Kundgebung für Frauenrechte genehmigt hat, war im Jahr 2021, erinnert Radio Azattyq. Der damalige Umzug, an dem rund 1.000 Menschen teilnahmen, verlief ohne Zwischenfälle.

In anderen Städten Kasachstans konnten in diesem Jahr offizielle Versammlungen zum Tag der Frauenrechte stattfinden, angeführt von Vertreterinnen staatlich geführter Organisationen.

Aktivistinnen wurden festgenommen

Am Vorabend des 8. März wurde Janar Sekerbaeva, Mitbegründerin von Feminita, einem Kollektiv von LGBT+-Feministinnen, in Almaty von der Polizei festgenommen. Sie warfen ihr vor, gegen das Verfahren zur Durchführung friedlicher Versammlungen verstoßen zu haben, wobei sie sich auf ihre Teilnahme an einer Demonstration im Mai 2024 beriefen. Ein Gericht nahm die Aktivistin für zehn Tage in Administrativhaft.

Mit einer ähnlichen Begründung stellte die Polizei eine weitere feministische Aktivistin, Aktorğyn Akkenjebalasy, unter Arrest und belegte sie mit der gleichen Haftdauer.

Janar Sekerbaeva kam am 10. März frei, Aktorğyn Akkenjebalasy drei Tage später.

William Onkur für Novastan

Aus dem Französischen von Arthur Siavash Klischat

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