Nach fünf Jahren Schließung und mehreren Skandalen hat das Nationale Geschichtsmuseum in Bischkek wieder seine Türen geöffnet. Es bietet einen Streifzug durch die Geschichte Kirgistans von der Steinzeit bis zur Gegenwart.
Am 19. November wurde das Nationale Geschichtsmuseum in Bischkek in Anwesenheit offizieller Persönlichkeiten, darunter der Kulturminister Asamat Dschamankulow, mit großem Pomp wiedereröffnet. Die breite Öffentlichkeit hatte bereits ab dem folgenden Tag Zugang, wie vom Kulturministerium angekündigt.
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Die Einwohner der kirgisischen Hauptstadt mussten lange auf diese Wiedereröffnung des Museums warten: Es wurde 2016 für eine Renovierung geschlossen, die ursprünglich nur eineinhalb Jahre dauern sollte, wie das kirgisische Medium Kloop berichtete. Die Regierung hatte mehrmals ein Datum für die Eröffnung genannt, das jedoch immer wieder verschoben wurde. Während der fünf Jahre, in denen das Museum geschlossen war, machte es jedoch immer wieder Schlagzeilen: ein Brand, verschwundene Gegenstände, das umstrittene Begräbnis einer wertvollen Mumie, angehäufte Schulden und ein Korruptionsskandal, für den der einstige Premierminister Sapar Isakov (2017-2018) beschuldigt wurde.
Eine Anhäufung von Skandalen
Acht Monate, nachdem das Museum wegen Renovierungsarbeiten geschlossen worden war, brannte es bereits – den Behörden zufolge nur oberflächlich. Journalisten von Kloop und dem Organized crime and corruption reporting project (OCCRP) berichteten jedoch, dass mindestens 18 Objekte des Museums betroffen waren.
Im Jahr 2018 waren die horrenden Preise einiger neuer Museumsstücke bekannt geworden, wie das russische Auslandsmedium Sputnik berichtete. So hatten beispielsweise Pferdestatuen 17.000 Euro und jeder Sitzplatz im Museumscafé zwischen 1.000 und 1.200 Euro gekostet. Der in ähnliche Korruptionsfälle verwickelte Premierminister Sapar Isakow wurde zu 18 Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt, weil er die für den Wiederaufbau des Museums im Juni 2020 bereitgestellten Haushaltsmittel unrechtmäßig verwendet hatte, so das kirgisische Medium Kaktus.
Infolge der politischen Umbrüche im Herbst 2020 wurde er aber wieder freigelassen. Die Wiedereröffnung des Museums wurde zuletzt auch durch Schulden in Höhe von 225.000 Euro bei der deutschen Firma Vitrinen und Glasbau Reier verzögert, wie Kloop weiter berichtete. Die Firma war im Wesentlichen an der Gestaltung des Museums beteiligt. Am 1. November hatte das Kulturministerium der kirgisischen Nachrichtenagentur AKIpress mitgeteilt, dass es diese Schulden beglichen habe. Danach konnte das Museum wieder eröffnet werden.
In den ersten Tagen kamen zahlreiche Einwohner von Bischkek, um das neue Museum gleich nach seiner Eröffnung zu besuchen. Und dieses Interesse ließ in den ersten Tagen nicht nach. Dies führte zu einer langen Wartezeit für den Einlass wie Novastan feststellen konnte.
Von der Steinzeit bis heute
Trotz seiner mitunter bewegten jüngsten Geschichte bietet das Museum nun angenehm gestaltete Räume, in denen die kirgisische Geschichte und Kultur auf Kirgisisch, Russisch und Englisch erzählt wird. Der Rundgang beginnt mit den ersten Artefakten, die auf dem Gebiet des heutigen Kirgistans gefunden wurden, aus der frühen Altsteinzeit, 800.000 bis 500.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Es folgt eine Ausstellung über die ersten Nomaden der Region.
Im ersten Stock sind außerdem Modelle von architektonischen Monumenten aus der Zeit der Karachaniden zu sehen, darunter der Burana-Turm sowie das Minarett und das Mausoleum von Ösgön oder das Mausoleum von Manas, ein wichtiger Ort rund um die historische Figur des unabhängigen Kirgistans. Zur selben Zeit, zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert, blühte die Architektur ebenso wie das Kunsthandwerk. Die ersten türkischsprachigen Denker und Wissenschaftler traten damals auf dem Gebiet Kirgistans in Erscheinung. Die zweite Etage ist fast vollständig dem traditionellen kirgisischen Leben gewidmet, zeigt die Migrationsbewegungen und erklärt den Ursprung dieses Volkes und seine Aufteilung in Clans. Eine ganze Reihe von Alltagsgegenständen ist hier ausgestellt, darunter traditionelle Musikinstrumente und sogar eine Jurte.
Die materielle Kultur der Kirgisen im 19. und 20. Jahrhundert findet eines ihrer Symbole im Schyrdak, einem Filzteppich in oft leuchtenden Farben, von dem viele Beispiele im Museum ausgestellt sind.
Die Revolution von 2010 wird praktisch ausgeblendet
Der Rundgang endet mit der jüngeren Geschichte Kirgistans: zunächst der Anschluss an das Russische Reich und das Porträt herausragender Persönlichkeiten wie Kurmandschan Datka, der Aufstand von 1916 gegen die zaristische Herrschaft. Es folgt ein ausführlicher Teil über die sowjetische Zeit, von den stalinistischen Repressionen zu Kultur und Alltagsleben in den 1970ern und 80ern.
Schließlich geht es um die Unabhängigkeit von 1991. Die jüngsten Ereignisse in der jungen Republik Kirgistan werden jedoch weniger ausführlich erläutert, meist nur auf Kirgisisch und zum Teil auch auf Russisch. Bereits am ersten Tag der Eröffnung zeigte der Journalist der kirgisischen Nachrichtenagentur 24.kg Kanat Kanimetow in einem Video, dass der größte Teil der Ausstellung über die Revolution vom 7. April 2010 fehlte.
Die zu diesem Zeitpunkt anwesende Museumswärterin erklärte ihm daraufhin, dass diese Teile am Vortag entfernt worden seien. In der Tat werden die Ereignisse vom April 2010 kaum behandelt. Im Museum gibt es nur einige Fotografien und Bücher zu diesem Thema. Dazu kommen Dokumente, die praktisch ohne Erklärungen präsentiert werden, und eine Reproduktion des Dekrets der provisorischen Regierung. Der Aufstand forderte mehr als 80 Todesopfer und zog weitere Krisen nach sich, darunter eine Welle interethnischer Gewalt in Osch im Süden des Landes.
Am Montag, dem 22. November, dem Tag, an dem das Museum wöchentlich geschlossen war, versammelte sich ein kleines Dutzend Einwohner vor dem Gebäude auf dem zentralen Platz Ala Too, um ihren Unmut über das, was sie als „Versuch, die Geschichte auszulöschen“ betrachteten, zum Ausdruck zu bringen. Diese Bürger wollten zeigen, dass sie die Opfer des 7. April nicht vergessen, deren Erinnerung noch immer schmerzhaft ist. Einer von ihnen sagte: „Diese Ereignisse sind Teil der Geschichte und gehören daher in das Geschichtsmuseum von Bischkek“.
Wie Kloop.kg berichtete, richtete sich auch Protest gegen eine Wand mit Fotos aller sechs kirgisischen Präsidenten, inklusive dem damals gestürzten Kurmanbek Bakijew (2005-2010). „Wenn euch der politische Wille fehlt, das Foto des Mörders Bakijew zu entfernen, fordern wir, dass unter seinem Bild geschrieben wird, dass er den Platz mit dem Blut seines Volkes besudelt und fast 400 Menschen getötet hat“, kommentierte eine Vertreterin einer Vereinigung von Angehörigen der Opfer vom April 2010. Auch der seit kaum einem Jahr amtierende Präsident Sadyr Dschaparow hat bereits einen Platz im Museum eingenommen.
Eine weitere Fotowand zeigt ihn zusammen mit einer Reihe von Politikern aus aller Welt, darunter auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das Bild mit ihr entstand nur wenige Woche vor der Eröffnung des Museums, im Rahmen der UN-Klimakonferenz in Glasgow 2021. Das Museum ist täglich außer montags von 9:00 bis 18:00 Uhr geöffnet und der Besuch ist bis zum 30. November dieses Jahres kostenlos. Aufzüge und Rampen gewährleisten den Zugang für Menschen mit Behinderungen.
Paulinon Vanackère für Novastan
Aus dem Französischen und Ergänzungen von Florian Coppenrath
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