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Menschen Zentralasiens: Tadschikistan

Bei seiner Reise durch Zentralasien im vergangenen Jahr porträtierte Philipp Lausberg viele Menschen, mit denen er ins Gespräch kam. Die Fotoreihe „People of Central Asia“ mit kurzen Texten zu Menschen aus verschiedenen Ecken Kasachstans, Kirgistans und Tadschikistans veröffentlichte er auf seiner Facebook-Seite. Wir übernehmen sie mit seiner freundlichen Erlaubnis. Diese Woche begeben wir uns mit ihm nach Tadschikistan.

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Menschen Zentralasiens Hochzeit SurchochaschmaSurchochaschma
Auf einer Hochzeit in Surchochaschma, im Western Tadschikistans

Bei seiner Reise durch Zentralasien im vergangenen Jahr porträtierte Philipp Lausberg viele Menschen, mit denen er ins Gespräch kam. Die Fotoreihe „People of Central Asia“ mit kurzen Texten zu Menschen aus verschiedenen Ecken Kasachstans, Kirgistans und Tadschikistans veröffentlichte er auf seiner Facebook-Seite. Wir übernehmen sie mit seiner freundlichen Erlaubnis. Diese Woche begeben wir uns mit ihm nach Tadschikistan.

Menschen Zentralasiens Tadschikistan Abubaker Beschneidung
Abubaker

Abubaker (5) scheint kurz nach seiner Beschneidung noch ein wenig verwirrt. Dafür wird er ordentlich von seinen Freunden und Familie gefeiert und wurde für diesen Anlass besonders gekleidet wie ein kleiner Sultan. Üppige Beschneidungsfeste, wie sie in der Türkei für Jahre üblich waren, werden in Tadschikistan zunehmend beliebt. Insbesondere nachdem der Präsidentensohn Rustam Emomali 2011 eine pompöse Massenbeschneidungsfeier für bis zu 100 Jungen im zentralen Duschanbe gesponsert hat. Das islamische Ritual ist angesehen als ein Weg, nach Dekaden sowjetischer Herrschaft ein Nationalbewusstseins und einer muslimische Identität zu fördern.

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Menschen Zentralasiens Tadschikistan Beeren Sammeln Flagge

Dieser Junge und seine Familie sammeln und verkaufen Beeren an der Straße, die von Duschanbe (Tadschikistan) nach Usbekistan führt. Laut den Einheimischen gehören große Flächen dieser Felder Russlands Präsident Wladimir Putin, der diese angeblich von Tadschikistans Führer Rahmon geschenkt bekam. Die Straße ist gesäumt mit zahlreichen imposanten Portraits des Präsidenten und nationaler Dekoration wie der Flagge im Bild. Während Reichtum sich auf eine korrupte herrschende Elite konzentriert, hat dies einen obszönen Personenkult um den „Führer der Nation“ geschaffen. Der Großteil der Bevölkerung lebt unter Bedingungen ähnlich dem Feudalismus in der ärmsten der ehemaligen Sowjetrepubliken.

Menschen Zentralasiens Tadschikistan Surchochaschma Nikirus Takhmina Hochzeit
Nikirus und Takhmina bei ihrer Hochzeit

Das sind Nikirus (24) und Takhmina (19) bei ihrer Hochzeit im Dorf Surchochaschma im Westen Tadschikistans. Tadschikische Hochzeiten sind komplizierte Verfahren, die insgesamt 7 Tage andauern. Dies ist Tag 6 des Marathons, der die Hauptfeier mit der Familie und dem ganzen Dorf darstellt. Während dieses Tages, wurde mir gesagt, ist es der Braut nicht gestattet, zu essen, zu lachen oder zu lächeln und sie ist von einem dichten Schleier verhüllt, den sie nach dem finalen Tag ablegen darf.

Menschen Zentralasiens Tadschikistan Isfara Mischa Schachlik
Mischa

Mischa, 52, steht vor seinem Lieblings-Schaschlikrestaurant in Isfara, Tadschikistan.Das Restaurant war gut, litt jedoch unter ständigen Stromausfällen. Als ethnischer Kirgise, der auch tadschikisch fließend spricht, arbeitet er als Taxifahrer zwischen Kirgistan und Tadschikistan im ethnisch vielfältigen Ferganatal. Seiner Aussage nach waren die Dinge zu Sowjetzeiten viel besser, als es keine Grenzen zwischen den Ländern gab und „Ethnizität keine Rolle spielte“. Er verabscheut den „gefährlichen Nationalismus der jüngeren Generation“, der „nur zu Krieg und Gewalt führt“.

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Tatsächlich hat der Süden Kirgistans Ausbrüche ethnischer Konflikte zwischen lokalen Kirgisen und Usbeken gesehen, was 2010 420 Menschen das Leben kostete.
Zwischen 1983 bis 1984 war er mit der Sowjetarmee in Fürstenwalde nahe Berlin in Ostdeutschland stationiert. Den Großteil der Zeit war er am Bau des Hauses sowjetischer Wissenschaft und Kultur (heute „Russisches Haus“) in der Friedrichstraße mitten im Zentrum Berlins beteiligt, nicht weit vom Checkpoint Charlie, den er als das „Tor zu den Kapitalisten“ in Erinnerung hat.

Menschen Zentralasiens Tadschikistan Duschanbe Schukhrat
Schukhrat

Das ist Schukhrat (37) aus Duschanbe. Er erinnert sich noch an die mit Kalaschnikows durch die Straßen wandernden Männer in den 90ern während des Bürgerkriegs in seinem Land, der seiner Meinung aus einem amerikanischen Komplott entstand. Der Ehemann seiner Cousine wurde wegen des Vorwurfs, ein „Extremist“ zu sein, von Regierungskräften fortgeschafft und erschossen. Er glaubt, dass der tadschikische Präsident Rahmon, der den Krieg gewann, stark, schön, weise, kultiviert und ein Genie auf den meisten Gebieten ist, „nicht wie die ganzen anderen Präsidenten“.

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Seiner Ansicht nach war es richtig, die Opposition einen nach dem anderen umzubringen, nachdem Rahmon sie in eine Machtteilungsvereinbarung in den späten 90ern gelockt hatte. Als er die Siegesparade zum 9. Mai auf dem Roten Platz anschaute, war er zu Tränen gerührt und sich sicher, die Amerikaner würden vor Eifersucht sterben, wenn sie all die vor Russlands Präsidenten Putin aufgereihte moderne Technik sehen.

Menschen Zentralasiens Tadschikistan Duschanbe Zarina
Zarina

Das ist Zarina aus Duschanbe. Sie ist 19 Jahre alt und halb Tadschikin, halb Ukrainerin, sie trägt einen kirgisischen Hut und spricht normalerweise Russisch. Während des brutalen Bürgerkriegs in den 1990ern in Tadschikistan lebte sie in Moskau und der Ukraine. Sie arbeitet als Englischlehrerin in Duschanbe und ihr Traum ist es, ihrem Freund aus der US-Armee zu folgen und in die Vereinigten Staaten zu ziehen.

Menschen Zentralasiens Tadschikistan Duschanbe Zamira Nastja
Zamira und Nastja

Zamira (11) und Nastja (8) leben beide in einem der schöneren sowjetischen Wohnblöcke im Zentrum Duschanbes, Tadschikistan. Ihre Mutter ist Tadschikin, ihr Vater Russe. Sie besuchen beide eine der wenigen verbliebenen russischen Sprachschulen in der Stadt. Die meisten Russen haben Tadschikistan nach dem Zusammenbruch der UdSSR und dem anschließenden Bürgerkrieg verlassen, sodass ihr Anteil an der Bevölkerung seit 1989 von sieben auf circa ein Prozent gesunken ist. Ein berühmter Russischstämmiger aus Duschanbe ist Viktor Bout, vermutlich der berüchtigtste lebende Waffenhändler, der das Modell für Juri Orlow, die Hauptperson des Films „Lord of War“, darstellt.

Menschen Zentralasiens Tadschikistan Duschanbe Jakub Farrukh
Jakub und Farrukh

Jakub und Farrukh komme beide aus Duschanbe, haben aber zeitweise in für jeweils zwei und neun Jahre in Beijing gelebt. Sie sprechen fließend Mandarin und machen Geld in Beijings Nachtleben, während sie ebenfalls zur Universität gehen. Hier sitzen sie in ihrem Zimmer in einem Hotel aus der Breschnew-Zeit im Zentrum Duschanbes. Sie sagen, sie mussten gerade 2000$ Strafe dafür zahlen, dass sie mit Gras erwischt wurden und behaupten, sie hätten einen Freund, der für den IS gekämpft hat, aber eine Menge Alkohol trinkt.

Menschen Zentralasiens Tadschikistan Tuda Fussballclub
Der Tuda Fußballclub

Dies ist die Mannschaft des Tuda Fußballklubs, direkt nach einem starken 4:0 Sieg gegen ihre Nachbarn und Erzrivalen im Dorf Surchochaschma, auf halbem Weg zwischen Duschanbe und der tadschikischen Grenze mit Usbekistan. Ihre Trikots stützen sich auf jene des brasilianischen Nationalteams (außer ihr Torwart von Real Madrid), da sie danach streben, in ähnlichem Stil zu spielen. Trainer Said (untere Reihe links) ist Veteran eines Moskauer Drittliga-Klubs und gibt diese wertvolle Erfahrung an sein junges Team weiter, während er mit dem Anbau von Obst und Gemüse in seinem Garten seinen Lebensunterhalt verdient.

Menschen Zentralasiens Tadschikistan Duschanbe Meroch
Meroch

Meroch ist Sicherheitsmann in einem neuen zweitürmigen Hochhaus im Zentrum Duschanbes. Wie ungefähr ein Drittel von Tadschikistans Arbeitskräften hat er für Jahre in einem geringqualifizierten Job in Russland gearbeitet. Doch wie so viele seiner Landsleute musste er wegen der russischen Wirtschaftskrise in sein Heimatland zurückkehren. Tatsächlich haben die meisten zentralasiatischen Ökonomien enorm von der Krise in Russland gelitten, da sie von Überweisungen ausländischer Arbeitskräfte abhängig sind (diese haben 2012 fast 50 Prozent von Tadschikistans BIP ausgemacht). Einer von Merochs Freunden hat einen Ausweg gefunden: Er schaffte es, während des Höhepunkts der Flüchtlingskrise nach Deutschland zu kommen. Meroch denkt darüber nach, ihm zu folgen.

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Menschen Zentralasiens Tadschikistan Duschanbe Schinosa
Schinosa und ihre Freunde im Rudakipark in Duschanbe

Schinosa (in der Mitte, mit Kopftuch) und ihre Freunde, alle zwischen 8 und 11 Jahren alt, haben ihren Sonntag im Rudakipark in Duschanbe genossen. Sie glauben, dass Tadschikistans erster und noch immer amtierender Präsident Emamoli Rahmon, dessen Palast man im Hintergrund sehen kann, ein großartiger Führer ist, da sie viele tolle Sachen über ihn in der Schule gelernt haben.

Menschen Zentralasiens Tadschikistan Duschanbe Schakhe Maduba
Schakhe und Maduba

Schakhe und Maduba tragen beide farbenfrohe tadschikische Kleider auf ihrem Stadtbummel im Zentrum Duschanbes. Im Gegensatz zu den meisten anderen zentralasiatischen Staaten der ehemaligen UdSSR, die größtenteils von türkischen und nomadischen Traditionen beeinflusst sind, sind Tadschikistans Sprache, Kultur und ethnische Zusammensetzung dem Iran näher.

Menschen Zentralasiens Tadschikistan Duschanbe Mahadi Veteran
Mahadi

Mahadi ist ein Veteran des sowjetischen Krieges in Afghanistan in den 1980ern. Obwohl er auf einer Zweiter Weltkrieg-Veranstaltung in Duschanbe war, glaubt er, dass die Tadschiken besser dran gewesen wären, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte, da laut ihm die Tadschiken wie die Deutschen Arier sind und Zentralasien das ursprüngliche Heimatland der arischen Rasse ist. Auf seinen Sohn zeigend sagte er: „Sieh ihn dir an! Er hat pures arisches Blut!

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Oberst Ismailow

Das ist Polkownik (Oberst) Ismailow. Er ist Leiter der Militärabteilung der Medizinischen Universität von Duschanbe und Veteran des Sowjetkrieges in Afghanistan. Er erschien in seiner vollen tadschikischen Armeeuniform für die Feierlichkeiten zum Tag des Sieges, der den 71. Geburtstag der Verteidigung der UdSSR gegen Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg markiert. Er gedenkt so auch seinem Vater, der im Zweiten Weltkriegim südlichen Sektor der Front kämpfte, zum Beispiel im Kampf um Kursk.

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Schenja und ihr Sohn beim „Unsterblichkeitsmarsch“

Schenya und ihr Sohn nahmen beide am „Unsterblichkeitsmarsch“ in Duschanbe, teil, bei dem sieverstorbenen Familienmitgliedern gedachten, die im Krieg kämpften. Stolz zeigt sie ein Foto ihres Urgroßvaters, Nuriddin Achmedow, der im Kampf um Berlin kämpfte und angeblich einen wichtigen Posten in der sowjetischen Nachkriegsadministration der Stadt innehatte, und an ihren Großonkel, Fachriddin Achmedow, der ein Mitglied des NKWD, Stalins berüchtigter Geheimpolizei, war. Trotz der Tatsache, dass Stalin den Großteil der tadschikischen Intelligenz in den 1930ern ausrottete, ist sie ganz vernarrt in ihn, der „hart, aber gerecht“ war und glaubt, dass die heutigen „schwachen Politiker“ die ein oder andere Sache von ihm lernen könnten.

Phillipp Lausberg

Aus dem Englischen von Agnes Lüdicke

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