Vor gut einer Woche reiste der usbekische Präsident Schawkat Mirsijojew erstmals nach Russland. Der offizielle Besuch wurde von beiden Seiten sehr erwartet und brachte mitunter 16 Milliarden US-Dollar an Verträgen mit sich.
Am 5. April war der usbekische Präsident Schawkat Mirsijojew als Staatsgast in Russland empfangen. Es war sein dritter Staatsbesuch. Zuvor hatte er die Nachbarländer Turkmenistan und Kasachstan besucht. Im Hinblick auf das Gewicht des alten „großen Bruders“ in der ehemaligen Sojwetunion waren Beobachter sehr gespannt auf den Besuch, bei dem Mirsijojew den russischen Premierminister Dmitrij Medwedjew und den Präsidenten Wladimir Putin traf.
Mirsijojew nutzte die Gelegenheit, um der Eröffnung der vom Puschkin-Museum in Moskau organisierten Ausstellung „Schätze von Nukus“ beizuwohnen. Es handelt sich um die erste ausländische Austellung der Werke des Sawitsky-Museums in Nukus, eine Stadt in der Karakalpalkischen autonomen Republik in Usbekistan.
Diplomatischer Faux-Pas?
Nur zwei Tage vor Mirsijojews Besuch in Moskau wurde die Sankt-Petersburger U-Bahn von einem Anschlag getroffen. Putin, der sich zum Zeitpunkt des Anschlags in der Stadt befand, ging schnell an den Anschlagsort, um der Opfer zu gedenken. Zum Zeitpunkt des Besuchs war in Russland Staatstrauer ausgerufen.
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Mirsijojews Besuch wurde von den Ereignissen ein wenig überschattet. Laut dem in Russland üblichen diplomatischen Protokoll sollte der russische Präsident oder wenigstens sein Premierminister einen ausländischen Staatschef am Flughafen empfangen. Der usbekische Staatschef wurde aber vom Minister für wirtschaftliche Entwicklung Maxim Oreschkin empfangen.
Die Geste wurde schnell in sozialen Medien aufgegriffen. Der Politikwissenschaftler Achmed Rachmanow nannte Oreschkin einen „unbekannten Mann ohne Anzug und Krawatte“ und auch dem Expertem Alexander Knyasjew fiel die Geste auf. Beide Beobachter betonten das Risiko eine diplomatischen Zwischenfalls wegen dieser Misachtung des Protokolls.
Treffen auf höchstem Niveau
Der Ton von Mirsiojews Gesprächen mit beiden Chefs der russischen Exekutive war dennoch freundschaftlich. Mit Putin besprach er vor allem die Fragen der bilateralen Partnerschaft und die regionalen und internationalen Herausforderungen beider Länder.
Vor allem die Lage in Aghanistan beschäftigte die beiden Präsidenten: Mirsijojew bestätigte, dass Usbekistan die russische Position hinsichtlich der Lösung der afghanischen Krise unterstützen würde. Eine usbekische Delegation war demnach auch an der Konferenz zu Afghanistan in Moskau am 14. April anwesend.
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Mirsijojew traf sich ebenfalls mit dem russischen Premierminister Dmitrij Medwedjew. Dieser unterstrich, Usbekistan sei „einer der treuesten Partner Russlands“. Mirsijojew fügte hinzu, dass sein Besuch ein neues Kapitel in der russisch-usbekischen Zusammenarbeit eröffne. Besonders in der Terrorismusbekämpfung sei es wichtig, die Anstrengungen beider Länder zu bündeln. Im Hinblick auf den Anschlag in Sankt-Petersburg sprach Mirsijojew dem Regierungschef sein Beileid aus.
Mehr Zusammenarbeit in allen Gebieten
Mirsijojews erster Russlandbesuch sollte neue Anstöße in allen Ferldern der bilateralen Zusammenarbeit bringen. Gemeinsam mit Putin sprach er sich für engere Kooperation in politischen, kommerziellen, finanziellen und auch technischen, wissenschaftlichen und kulturellen Angelegenheiten aus. Insgesamt unterschrieben die zwei Staatschefs beinahe 50 Dokumente und eine gemeinsame Erklärung.
Bereits am 3. April fand in der usbekischen Botschaft in Moskau ein Treffen russischer und usbekischer Vertreter statt. Dabei wurden 16 bilaterale Verträge unterschrieben, darunter viele Wirtschafts-, Handels- und Finanzverträge mit einem Gesamtwert von über 3,5 Milliarden US-Dollar. Nach dem Besuch erreichte diese Summe 16 Milliarden US Dollar, über Verträge, die sowohl den bilateralen Handel als auch gegenseitige Investitionen in verschiedenen Bereichen betreffen.
An erster Stelle standen zweifellos die Sicherheitsfragen. Am 5. April traf Putin die Leiter der Sicherheitsdienste der GUS-Länder. Auch Rustam Inojatow, der Leiter der usbekischen Nationalsicherheit (SNB), war anwesend. Inojatow gilt als eine der Einflussreichsten Persönlichkeiten in der usbekischen Politik. Sein Besuch ist ein Zeichen dafür, wie wichtig die Terrorismusbekämpfung für die usbekischen Behörden ist.
Wie ein Symbol für die erneuten Beziehungen nimmt die russische Fluggesellschaft entsprechend einem bilateralen Vertrag die Fluglinie Moskau-Samarkand wieder auf. „Wir begrüßen den Vorschlag unserer russischen Kollegen, über Aeroflot zusätzliche Flüge nach Samarkand einzurichten. Ich bin mir sicher, dass dadurch mehr russische Touristen unser Land bereisen können. Diese Frage war lange unbeachtet geblieben, jetzt ist sie gelöst“, drückte Mirsijojew seinen Enthusiasmus aus.
Ein überholter „russischer Paternalismus“?
Im Laufe der letzten drei Monate hat sich der Handel zwischen Russland und Usbekistan um 260 Prozent erhöht und sollte in diesem Jahr einen Gesamtwert von fünf Milliarden US-Dollar erreichen. Trotz dieser Intensivierung scheint Usbekistan nicht zu einem Beitritt in die Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) bereit.
In der gemeinsamen Erklärung von Mirsijojew und Putin ist die Beitritssperspektive noch nicht einmal erwähnt. Es ist jediglich vom Willen beider Länder, die Zusammenarbeit „durch eine optimale Nutzung anderer regionaler und internationaler Strukturen“ zu stärken die Rede. Laut Gazeta.ru verweigert Usbekistan die mit dem Beitritt in die Zollunion verbundenen Bedingungen: Die Mitglieder der usbekischen Delegation in Moskau gaben keinen Kommentar zu dem Thema ab.
Wie der usbekische Experte Rafael Sattarow im Gespräch mit Novastan betont, lassen sich zwei Punkte aus Mirsijojews Besuch schließen: Einerseits ist Usbekistan bereit, die Zusammenarbeit in allen Feldern zu stärken, andererseits zeigt Russland keine Änderung in seinen Gewohnheiten im Umgang mit zentralasiatischen Staaten. Es gehe weiter davon aus, dass „sie ohne uns nichts schaffen“.
Die weiteren Verhandlungen zur Frage der zahlreichen usbekischen Arbeitsmigranten in Russland sind für Sattarow eine gute Nachricht. Die Migranten sind stark von den kürzlichen Krisen in Russland und den westlichen Sanktionen betroffen. Mirsijojew hat seinen Willen zum Ausdruck gebracht, zu den Fragen der Wirtschaftsmigration enger mit Russland zusammenzuarbeiten. Eine solche Initiative wäre unter seinem Vorgänger Islam Karimow undenkbar gewesen.
Ganz im Allgemeinen bedeutete die Wahl Mirsijojews zum zweiten usbekischen Präsidenten im Dezember 2016 ein positives Signal für Moskau. Mirsijojew wird als „prorussischer“ Politiker angesehen, was ihn aber nicht daran gehindert hat, seine Außenpolitik erst mal auf die Nachbarländer auszurichten. Der erste Besuch in Moskau ist dennoch eine wichtige Etappe für Taschkent, das geteilt ist zwischen den Ambitionen, eine Regionalmacht in Zentralasien zu werden und der vermeintlichen Abhängigkeit von Russland.
Jérémy Lonjon
Chefredakteur der französischen Redaktion von Novastan.org
Aus dem Französischen von Florian Coppenrath