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Zentralasien durch die Linse von… Kamila Rustambekova

In der Reihe „Zentralasien durch die Linse von…“ stellt Novastan Fotografinnen und Fotografen aus Zentralasien vor und befragt sie zu ihrem Schaffen.

Kamila mit Sabrinas Familie

In der Reihe „Zentralasien durch die Linse von…“ stellt Novastan Fotografinnen und Fotografen aus Zentralasien vor und befragt sie zu ihrem Schaffen.

Kamila Rustambekova ist Fotografin und Filmemacherin und lebt in Taschkent und Amsterdam. In ihrer Arbeit beschäftigt sich Kamila mit den Bildern und unbekannten Geschichten der modernen usbekischen Gesellschaft. Seit mehreren Jahren erforscht sie ihre eigene Familiengeschichte und die Gemeinschaften Usbekistans.

Hallo Kamila, vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben, um mit uns zu sprechen. Bitte erzählen Sie doch kurz etwas über sich.

Ich bin mit meiner Familie in Yangiyo’l aufgewachsen, einer kleinen Industriestadt in der Nähe von Taschkent. Ich habe Naturwissenschaften am Gymnasium studiert und später einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften in Taschkent erworben. Derzeit lebe ich zwischen Amsterdam und Taschkent. Ich absolviere ein zweijähriges Masterstudium in Filmproduktion in Amsterdam. Meine wichtigsten künstlerischen Ausdrucksmittel sind, allgemein gesprochen, Fotografie und Film.

Menschen bearbeiten einen Berg an Baumwolle. Foto von der Serie „The Home, The Field and The Flux“

Wenn es um creatives geht, denke ich immer daran, wann Sie sich entschieden haben, dies „hauptberuflich“ zu verfolgen, anstatt es als Hobby zu betrachten. Wie ist Ihre Beziehung zur Kreativität und gab es einen Moment, in dem Sie wussten, dass Sie dies beruflich verfolgen wollten?

Es fällt mir wirklich schwer, zwei Jahrzehnte Erfahrung in wenigen Worten zusammenzufassen. Ich habe Fotografie nie als Schwerpunkt meines Lebens oder als Karriereweg betrachtet. Kulturell, sozial und zu Hause bin ich mit der Vorstellung aufgewachsen, dass ich einen „normalen Job” anstreben muss, etwas Stabiles, mit dem ich meinen Lebensunterhalt verdienen kann. Während meines Wirtschaftsstudiums absolvierte ich Praktika und arbeitete, aber nach einiger Zeit war ich enttäuscht und unsicher, ob ich mein Leben diesem Beruf widmen wollte. In Taschkent traf ich viele kreative Menschen, und das hat etwas in mir verändert. Mir wurde klar, dass ich vielleicht das, wozu ich mich von Natur aus hingezogen fühle und was ich am besten kann, ernst nehmen könnte.

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Ich habe Ihre Fotos zuerst auf Novastan und dann erneut auf Nowness Asia gesehen. Wie fühlt es sich an, international bekannter zu werden?

Ich fühle mich nicht wirklich international bekannt, so würde ich es nicht ausdrücken. Aber ich denke, dass die Vertretung Usbekistans, auch wenn sie nur indirekt ist, mit einem Gefühl der Verantwortung einhergeht, insbesondere weil Stimmen aus der Region immer noch so unterrepräsentiert sind. Die Ethik der Repräsentation ist etwas, worüber ich viel nachdenke, sie ist komplex und herausfordernd. Ich behaupte nicht, für Usbekistan als Ganzes zu sprechen, was ich präsentiere, ist ein ganz bestimmter Blickwinkel einer bestimmten Person, eines bestimmten Ortes und einer bestimmten Zeit.

Natürlich bin ich immer dankbar und glücklich, wenn meine Arbeiten veröffentlicht oder ausgestellt werden, das bedeutet mir sehr viel. Beachtet zu werden, einen Unterschied zu machen.

Fotos von Kamilas Projekt „The Home, The Field and The Flux“

Sprechen wir über „The Home, The Field and The Flux”. Sie haben diese Sammlung kürzlich mit einer anderen Serie namens „Another Paris” kombiniert. Warum haben Sie die beiden kombiniert und was bedeutet „The Home, The Field and The Flux” für Sie?

Diese Idee hatte ich schon seit einiger Zeit – das Projekt über unabhängige Landwirtschaft mit dem über die Baumwollernte zu kombinieren. Beide wurden im gleichen visuellen Stil fotografiert, mit der gleichen Distanz, Herangehensweise und Ästhetik, sodass es sich natürlich anfühlte, sie zusammenzuführen. Beide handeln von modernen landwirtschaftlichen Praktiken und Binnenmigration in Usbekistan. Baumwollpflückende reisen während der Erntezeit oft aus bestimmten Gebieten in die Region Taschkent, während Bauern für etwa acht Monate nach Forish [ein Bergdorf in der Region Jizzax] ziehen, um dort Melonen, Wassermelonen, Tomaten und manchmal auch Erdnüsse, Erbsen oder Sonnenblumenkerne anzubauen.

Die Arbeit ist ein Versuch, die Arbeitspraktiken in Usbekistan zu dokumentieren und zu untersuchen, wie sich um diese Bewegung herum temporäre Gemeinschaften bilden. Es geht auch um postkoloniale Agrarstrukturen und darum, wie sich die Vorstellung von Heimat verändert, wenn Menschen einen Großteil des Jahres zwischen verschiedenen Orten leben.

„The Home, The Field and The Flux” dokumentiert die Anpassung an Land und Traditionen, während „New Uzbekistan” meiner Meinung nach die Entwicklung der Kultur und ihre Schnittstelle mit Traditionen darstellt. Was halten Sie von dieser Interpretation von „New Uzbekistan“?

Für mich geht es in diesem Projekt eher um Popkultur, Globalisierung und die breitere visuelle und symbolische Landschaft des heutigen Usbekistan. Ich frage mich: Was sind die wiederkehrenden Themen, Muster und kleinen Details, die diese Region ausmachen? Welche Bilder würde ich einem nicht-menschlichen Wesen aus einer anderen Realität zeigen, das noch nie von Usbekistan gehört hat? Ich denke, es wäre interessant, meine Sammlung zu zeigen, oder?

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Es ist ein ironischer und spielerischer Versuch, Usbekistan darzustellen und gleichzeitig die offizielle politische Erzählung des „neuen Usbekistan” zu hinterfragen. Ich sehe Usbekistan als ein riesiges Feld unbekannter Geschichten, da diese nicht immer leicht zu finden sind. Ich stelle alles nach und sammle alles, was mir lebendig, lustig und bedeutungsvoll erscheint. Diese Dinge werden für mich zu kulturellen Symbolen.

Szenen aus der Serie „New Uzbekistan“. Bild rechts:: Kamila’s Komposition von Diamantbildern.

Sie sagen, dass „die Motive von Diamantbildern [Bilder aus zahlreichen kleinen farbigen Strasssteinen, die zu Hause als Hobby zusammengesetzt werden können] das Land widerspiegeln“. Ich würde gerne wissen, warum diese Mosaike der Popkultur Usbekistan repräsentieren?

Die Motive in Diamantbildern stammen aus der globalen Popkultur, und diese Bilder selbst werden in China hergestellt. Was man jedoch tatsächlich in den Geschäften in Usbekistan findet, spiegelt wider, was die Menschen hier kaufen und was sie anspricht, als Spiegelbild des lokalen Geschmacks und der lokalen Werte.

Ich habe die beliebtesten Motive gesammelt – religiöse Ikonografie, niedliche Tiere, Fantasien über Paris, Porträts von Lionel Messi. Sie sagen viel über einen Ort aus, nicht weil sie dort entstanden sind, sondern weil sie hier ausgewählt, vertrieben und zusammengesetzt wurden.

„Sabrina“ ist eine wunderschöne Kollektion, die die sichere Bindung der Familie hervorhebt. Wie ist Ihre Beziehung zu dieser Familie und was war Ihre Motivation für diese Kollektion?

Ich habe diese Familie während einer spontanen Reise mit meinen Freunden durch Usbekistan kennengelernt. Wir haben einfach nur Spaß gehabt und wussten nicht wirklich, wo wir als Nächstes landen würden. Ich wollte schon immer Forish besuchen, den Geburtsort meines Großvaters. Wir schafften es dorthin, und während der Taxifahrt schlug uns der Fahrer vor, Sentob zu besuchen, ein wunderschönes Bergdorf, das zu einer Art Touristenziel geworden war. Dort traf ich Sabrina und ihren Vater.

Sie luden uns zu sich nach Hause ein, stellten uns den Rest der Familie vor und wir kochten gemeinsam Mittagessen.

Danach besuchten wir sie noch ein paar Mal und übernachteten dort. Allmählich vertiefte sich meine Verbindung zu Sabrina, ihrer Mutter Gulnoza, ihrem jüngeren Bruder Anis und ihrem Vater Mashrab. Schließlich zogen sie nach Angren, einer Industriestadt in der Nähe von Taschkent. Ich besuchte sie, sie besuchten mich. Sie lernten meine Familie kennen. Ich versuchte, bei wichtigen Ereignissen dabei zu sein: Geburtstage, Neujahr, die Geburt von Sabrinas kleiner Schwester.

Jetzt macht Sabrina ihren Bachelor-Abschluss in Tjumen in Russland, und ich bin super stolz auf sie. Sie ist für mich wie eine kleine Schwester, und ihre Mutter nennt mich ihre Tochter. Durch meine Arbeit hatte ich das Glück, viele neue Zuhausen und Familien zu finden, und dies ist eine davon. Mein letzter Besuch bei ihnen war besonders emotional, ich habe viel geweint, ich fühlte mich so sicher und geliebt.

Zwei Fotos vom Projekt „Sabrina“

Und noch zum Schluss: Haben Sie noch weitere Projekte in Planung?

Ich arbeite derzeit an meiner Abschlussarbeit für meinen Master. Es handelt sich um eine Forschungsarbeit, die sich mit dem Leben von Mädchen im Exil befasst. Ich versuche, die Erfahrungen von Mädchen, die Suche nach einem Zuhause und den Versuch, ein neues Zuhause aufzubauen, zu thematisieren. Ein Teil des Projekts hat die Form eines „Zine“ [ein kleines Fachmagazin], das aus gefundenem Filmmaterial zusammengestellt wurde. Ich verwende Bilder aus Mietanzeigen, um eine endlose Hausbesichtigung zu erstellen – einen kontinuierlichen, imaginären Lebensraum, der aus unzähligen Betten, Toiletten und Waschmaschinen besteht.

Außerdem arbeite ich mit 3D-Animationen, um imaginäre Welten zu erschaffen. Im Vergleich zu meiner fotografischen Arbeit ist meine filmische Arbeit immer persönlicher und introspektiver gewesen. In diesem Projekt geht es um Einsamkeit, Isolation, Freudlosigkeit, Apathie, das Teenageralter, die Erforschung von Sexualität und die Mutter-Tochter-Beziehung.

Einblick in Kamilas aktuelle Arbeit

Vielen Dank, Kamila Rustambekova. Wo können wir uns über Ihre Arbeit auf dem Laufenden halten?

Aktuelle Informationen finden sich auf meinem Instagram-Account @kamilarustambekova und meiner Website kamilarustambekova.com 🙂

Dieses Gespräch wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit bearbeitet und gekürzt.

Lex Durham-Arnold für Novastan

Aus dem Englischen von Michèle Häfliger

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