Während sich die Situation für turkmenische Migrierte in der Türkei weiter verschlechtert, versuchen die meisten, eine Rückkehr nach Turkmenistan zu vermeiden. Seit September letzten Jahres versuchen die türkischen Behörden verstärkt, illegale turkmenische Arbeitskräfte aufzuspüren, berichtet Radio Azattyk.
Angesichts der extremen Schwierigkeiten, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, arbeiten viele Turkmen:innen illegal in der Türkei. Um nicht nach Turkmenistan zurückkehren zu müssen, versuchen einige von ihnen, nach Russland zu gelangen.
Verlängerung des Reisepasses: ein Hindernislauf für Migrierte
Eine der größten Sorgen turkmenischer Migrierter ist die Gültigkeit des Passes. Die turkmenischen Botschaften verfolgen eine strikte Politik und weigern sich, abgelaufene oder im Ausland verlorene Pässe zu verlängern oder zu ersetzen. Stattdessen fordern sie die Migrierten auf, in ihr Heimatland zurückzukehren, um diese Formalitäten zu erledigen. Zu diesem Zweck bot die Regierung in Aschgabat ihren gestrandeten Bürgerinnen und Bürgern Flugtickets an.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Die Situation hat sich jedoch geändert und die Kosten für die Flugtickets müssen nun von den Migrierten selbst getragen werden. Diese zögern jedoch, in ihr Heimatland zurückzukehren. Sie befürchten, dass die Behörden sie an einer erneuten Ausreise hindern könnten, wie Radio Azatlyk berichtet. Diese Angst ist zum Teil auf die zunehmende Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger zurückzuführen, aber auch auf die Lebensqualität in der Heimat.
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Turkmenische Migrierte befinden sich in einer Sackgasse: Sie suchen nach Möglichkeiten, ihren Aufenthaltsstatus in der Türkei zu legalisieren, fürchten aber gleichzeitig die möglichen Konsequenzen einer Rückkehr in ihre Heimat. Die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit nehmen zu, während Turkmenistan mit einem stetigen Bevölkerungsrückgang konfrontiert ist. Das Problem ist struktureller Natur und zeigt sich in der mangelnden Transparenz der Regierung in Bezug auf die Bevölkerungszahlen. Während offizielle Angaben für das Jahr 2022 eine Bevölkerung von 6,4 Millionen Turkmeninnen und Turkmenen im Land ausgehen, deuten zahlreiche Umfragen darauf hin, dass diese Zahl eher bei 2,7 bis 2,8 Millionen liegen dürfte.
Druck zur vorzeitigen Rückkehr
In den letzten Monaten wurden rund 2.500 Turkmen:innen, die in Abschiebezentren in der Türkei inhaftiert waren, in ihr Heimatland zurückgeschickt. Dies war eine Reaktion auf die verstärkte Repression gegen ausländische Arbeitskräfte, die im Juli in der Türkei begann. Die Herausforderungen der Migration liegen jedoch tiefer. Im September 2022 beendete die Türkei als Reaktion auf eine Anfrage aus Aschgabat die 30-tägige Visumsfreiheit für turkmenische Staatsbürger:innen, berichtete damals Radio Azatlyk.
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Diese Maßnahme hatte den gewünschten Effekt: Nach Angaben des türkischen Migrationsdienstes lebten im September 2023 rund 198.000 turkmenische Staatsbürger:innen legal in der Türkei, im Vergleich zu 230.000 im September 2022. Das Turkish Statistical Institute gibt an, dass Turkmen:innen im Jahr 2022 4,8% der in die Türkei Migrierten ausmachten und damit die fünftgrößte Nationalität darstellten.
Die russische Alternative
Angesichts dieser Herausforderungen in der Türkei erwägen viele Turkmen:innen, die das Land verlassen müssen, sich in Russland niederzulassen. Gleichzeitig florieren die Beziehungen zwischen Russland und Turkmenistan.
So betonte der russische Premierminister Michail Mishustin laut der russischen Nachrichtenagentur TASS anlässlich des Geburtstags des turkmenischen Präsidenten Serdar Berdimuhamedow die guten Beziehungen. Mishustin gratulierte Berdimuhamedow mit den Worten: „Ich möchte insbesondere Ihren persönlichen Beitrag zur Entwicklung der Freundschaft und der strategischen Partnerschaft zwischen Russland und Turkmenistan hervorheben.“
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Auch die Suche nach einem Zufluchtsort für Migrierte nach Russland ist nicht einfach. Diese Frage stellt sich in zunehmendem Maße, seit Gurbanguly Berdimuhamedov im März 2022 das Präsidentenamt an seinen Sohn Serdar übergeben hat. Nach Ansicht des Wissenschaftlers und Journalisten Bruce Pannier wird die turkmenische Regierung immer autoritärer, je mehr sich die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen verschlechtern. Seiner Meinung nach „ist Turkmenistan, was es immer war, vielleicht sogar schlimmer.“
Bülent Alhas, Redakteur für Novastan
Aus dem Französischen von Michèle Häfliger
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