Für große Unternehmen bleibt Kirgistan nach wie vor ein unangenehmes Terrain, selbst die Preisgabe des Umsatzes wird als riskant betrachtet. Andererseits stellt das Land vor allem für Start-ups, die auf ausländische Märkte abzielen, eine vielversprechende Plattform dar. Ein Interview mit Danijar Amanalijew, Mitbegründer von Ololo, dem größten Co-Working-Netzwerk in Zentralasien.
Jungen Start-ups rät Danijar Amanalijew, den Markt vorab gründlich zu studieren und mit einem bescheidenen Budget zu starten, um im Falle eines Misserfolgs ihre Risikobereitschaft aufrechtzuerhalten und Verluste zu minimieren.
Laut unseren Recherchen haben Sie bereits elf kreative Zentren in ganz Kirgistan. Wie viele Menschen arbeiten derzeit für Ololo und wie hoch ist Ihr Umsatz im Jahr 2022 – zumindest ungefähr?
Wir sind das größte Netzwerk kreativer Zentren in Zentralasien. Zurzeit zählt Ololo neun Kreativzentren, sechs in Bischkek, zwei am Yssykköl und eines in Osch. Und wir haben ein zehntes Zentrum entworfen, das noch in diesem Jahr eröffnet werden soll. Es trägt den Namen OloloYurt. Es wird ein Co-Working Space und ein großes Hostel sein. Darüber hinaus verwalten wir das Victory Business Center. Alles in allem sind dies elf große Einrichtungen mit einer Gesamtfläche von mehr als 30.000 Quadratmetern. Das ist doppelt so viel wie bei unserem nächsten Konkurrenten in Zentralasien [SmArt.Point in Almaty].
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Das Ololo-Team hat etwas mehr als 60 feste Mitarbeiter. Für die Sommersaison stellen wir zusätzliche Mitarbeitende ein, sodass wir jetzt über 100 Personen sind. In Kirgistan ist es unsicher, Angaben zum Umsatz und Wert der Anlagen zu machen. Aber lassen Sie es mich so sagen: Wir erwirtschaften viel, der Wert der von uns verwalteten Immobilien liegt im zweistelligen Millionen-Dollar-Bereich. Zum einen: Wir zahlen alle Steuern. Und zweitens bringen wir den Immobilieneigentümern etwa 20-50 Prozent mehr Rentabilität pro Quadratmeter, als sie ohne uns erzielen würden. Dank dieses Unterschieds können wir expandieren. Ein weiterer Faktor, den wir meiner Meinung nach hervorheben können, ist, dass jedes von Ololo verwaltete Objekt rentabel ist. Das ist ziemlich selten für kreative Zentren, denn weltweit sind nur 40 Prozent der Co-Working-Spaces rentabel, die meisten sind unrentabel.
Vor Ololo leiteten Sie mehr als zehn Jahre lang einen der größten Reiseveranstalter Zentralasiens, bevor Sie ein Sabbatical einlegten. Warum haben Sie sich entschieden, die Reisebranche zu verlassen?
Nach zwölf Jahren bei Kyrgyz Concept, zehn Jahre davon als Geschäftsführer, bemerkten der Eigentümer Emil Umetalijew und ich, dass wir unterschiedlicher Meinung über die zukünftige Entwicklung des Unternehmens waren. Wir haben schließlich beschlossen, getrennte Wege zu gehen und ich bin dankbar für die wertvollen Erfahrungen, die ich dort gesammelt habe. Dort habe ich auch meine Frau kennengelernt. Obwohl ich den Tourismus nicht verlassen habe, glaube ich, dass der Bereich, in dem man arbeitet, nicht entscheidend ist. Sowohl Kyrgyz Concept als auch Ololo leisten wichtige Arbeit und der Tourismus ist für Kirgistan genauso wichtig wie die Kreativwirtschaft.
Ololo hat mit lediglich 10.000 Som begonnen, ohne eine gründliche Geschäftsplanung. Das erste Studio befand sich in einem alten Haus in Erkindik. Danach folgte der ehemalige Kindergarten und schließlich das sehr populäre Victory Business Centre, das durch sein einzigartiges Format in Bischkek bekannt wurde. In einem alten Präsentationsvideo konnte man sehen, dass das Unternehmen auch in den Bau von Gebäuden für ihre Projekte investierte. Da dies ein teures Geschäft ist, stellt sich die Frage, wie diese großen Projekte finanziert wurden. Wurden das auf Kredit entwickelt oder durch vorherige Einnahmen finanziert?
Von außen betrachtet sieht es so aus, als ob „Ololo Projekte baut“. In Wirklichkeit bauen wir sie aber nicht. Um genau zu sein, beteiligen wir uns zwar am Bau, sind aber keine Investoren. Natürlich haben wir uns von Anfang an an die Grundsätze der Beteiligung an den von uns erwirtschafteten Gewinnen gehalten. Wir arbeiten im Grunde wie eine Verwaltungsgesellschaft, die ihr eigenes Betriebssystem hat. Das heißt, wir betreiben nicht nur die Einrichtung, sondern wir bringen unsere Marke, unser Konzept mit und setzen es um. Wir arbeiten für ein ganz bestimmtem Zielpublikum – der kreativen Klasse. Und wir erwirtschaften für die Immobilieneigentümer mehr Gewinn, als sie ohne uns machen würden.
Wir verlassen uns also auf die Investitionen der Immobilienbesitzer, anstatt selbst zu investieren. Die Objekte, die nach unseren Entwürfen gebaut werden – oder manchmal bauen wir sie auch selbst – werden auf Kosten der Bauherren gebaut, die unserem Konzept vertrauen und glauben, dass wir eine schnellere Rendite erzielen können als traditionelle Modelle. So arbeiten wir, und so wachsen wir.
Ololo steht in schönem Kontrast zur traditionellen Geschäftskultur Kirgistans mit ihrer starren Hierarchie und ihrem Stammesdenken. Aber diese Kultur wird sich dennoch nicht einfach auflösen. Gab es in Ihrem Umfeld Partner:innen, die wohlhabender und einflussreicher waren als Sie selbst – die Ihnen beim Bau, beim Landerwerb oder bei Verwaltungsfragen geholfen haben?
Nein, auf solche Praktiken müssen wir nicht zurückgreifen. Wenn man eine bekannte Marke aufbaut, können undurchsichtige Handlungen sehr schnell öffentlich werden und alles ruinieren, was man besitzt. Deshalb arbeiten wir transparent und zahlen Steuern. Wir arbeiten nur mit Menschen zusammen, die ihr Geld im Geschäftsleben verdient haben, und nicht mit denen, die Macht und Korruption ausnutzen. Wir sind nicht so flexibel, aber das ist ein sehr wichtiger Teil für uns bei Ololo – wir tun, was uns wirklich Spaß macht. Von den elf Standorten, die wir verwalten, haben nur zwei Eigentümer:innen. Alle anderen besitzen nur eine Anlage, und dieses Modell breitet sich gut aus.
Vor Ihnen haben bereits mehrere Co-Working-Spaces in Bischkek geschlossen. Was hat Ololo geholfen zu überleben und zu wachsen?
Es gab etwa sechs Co-Working-Spaces in Bischkek, bevor Ololo eröffnet wurde. Viele von ihnen wurden ziemlich schnell wieder geschlossen. Der einzige Co-Working-Space, der jetzt in einem etwas konservativeren Format existiert, ist das Loft (auch bekannt als Loft-Tsekh), der erste Co-Working-Space in Zentralasien überhaupt. Heute gibt es viele kleine Co-Working-Spaces, die innerhalb von sechs Monaten, höchstens einem Jahr, eröffnet und wieder geschlossen werden. Aber es gibt auch immer mehr nachhaltige Projekte – Collab zum Beispiel, deren Entwicklung wir interessiert beobachten. Das Team arbeitet gut; ich glaube, es gibt sie jetzt seit drei Jahren. Und dann gibt es noch Technopark Coworking, auch eine ziemlich große Investition. Ich denke, die werden sich auch gut entwickeln.
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Der Grund, weshalb viele Co-Working-Unternehmen keinen Erfolg haben, ist meiner Meinung nach auf die Eigenheiten der Branche zurückzuführen. Dazu gehört die Tatsache, dass Größenvorteile sehr wichtig sind. Viele denken, dass man in Co-Working-Räumen, wie in anderen Unternehmen auch, klein anfangen kann. Zum Beispiel mit 100 Quadratmetern, und dann mit hundert weiteren. Aber in der Praxis steigen die Kosten kaum, wenn man die Fläche verdoppelt. Und sie sinken auch kaum, wenn Sie statt 1000 nur 500 Quadratmeter haben. Mit anderen Worten: Sie geben ungefähr gleich viel aus und verdienen nur halb so viel. Deshalb sind kleine Co-Working-Modelle super rentabel.
Co-Working-Spaces scheitern außerdem oft aufgrund des klassischen Modells, bei dem langfristig viele Räumlichkeiten angemietet werden. Während diese Strategie im Einzelhandel funktioniert, ist sie in der heutigen schnelllebigen Welt ein Risiko für kleine Co-Working-Spaces. Insbesondere in Krisenzeiten wie der aktuellen Pandemie. Die Eigentümer:innen, die an kleine Co-Working-Spaces vermieten, sind oft unflexibel und zeigen wenig Kooperationsbereitschaft. Wer nicht zahlen kann, muss ausziehen.
Wir bauen langfristige Beziehungen zu den Eigentümer:innen auf, die verstehen, warum die Rentabilität unseres Modells im Laufe der Jahre steigen wird. Unsere Nachhaltigkeit basiert auch auf unserem Sinn für Ololo, der uns ermöglicht, neue Produkte auf den Markt zu bringen und unser OloloEvents- und OloloMedia-Team zu betreiben, die zusammen mehr als ein Drittel unserer Gesamtgewinne erwirtschaften. Wir sind somit viel weniger von bestimmten Quadratmetern abhängig als unsere Kolleg:innen. Unsere starke Gemeinschaft unterstützt uns und wir haben während der Pandemie unseren Kund:innen angeboten, nur so viel zu zahlen, wie sie bereit waren. Wir haben dadurch keine Verluste gemacht und uns innerhalb von zwei Monaten nach dem Ende der Quarantäne erholt.
Wie lange hat es gedauert, bis Sie mit Ololo Gewinn gemacht haben?
Aufgrund unseres Startkapitals von 10.000 Som (etwa 104 Euro, Anm. der Übersetzung) waren wir von Anfang an gezwungen, profitabel zu sein. Ein Scheitern des Geschäfts hätte sofort zur Schließung geführt. Ololo war bereits in den ersten Tagen profitabel und wir konnten bereits in der ersten Woche unsere Investition zurückverdienen. Unser Unternehmen war also von Anfang an erfolgreich und wir mussten uns nie Gedanken darüber machen, wie wir den Break-even erreichen können.
Welche Auswirkungen hatte der Zustrom von Umsiedler:innen aus Russland im vergangenen Jahr auf Ihr Geschäft? Wir fragen das, weil der Immobiliemarkt für Mietwohnungen in Almaty und Bischkek zunächst stark anstieg und dann im Dezember und Februar um 30 bis 50 Prozent abfiel. Hat sich der positive Effekt der Verlagerung auch für die Co-Working-Spaces in Kirgisistan als vorübergehend erwiesen?
Im letzten Jahr erlebte Bischkek eine große Migrationswelle. Wobei Umsiedler:innen Personen sind, die von ihren Unternehmen umgesiedelt und denen am neuen Standort Arbeitsplätze und Wohnraum zur Verfügung gestellt werden. Im Gegensatz zu Kasachstan und Usbekistan, wo Unternehmen wie InDriver, Yandex und WarGaming ihr Personal verlagerten, gab es bei uns so gut wie keine Umsiedler:innen. Der Großteil der Personen zog auf eigene Kosten nach Kirgistan. Infolgedessen sollten sie als Migrant:innen und nicht als Umsiedler:innen bezeichnet werden.
Obwohl es Preisspitzen gab, haben wir uns nicht auf das Spiel eingelassen. Wir haben die Leute, die bereits in unseren Colivings wohnten, nicht rausgeschmissen, indem wir ihnen sagten: „Wir haben jetzt die Möglichkeit, das Fünffache eines Colivings zu bieten, also zahlt oder geht.“ Für neue Kund:innen steigen die Ololo-Preise ohnehin Jahr für Jahr, während mit alten Kund:innen eine feste Vereinbarung besteht, wie viel Prozent pro Jahr die Preise steigen dürfen.
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Als die Welle begann, war der Anstieg für uns gering, weil Ololo bereits zu mehr als 90 % ausgelastet war. Wir hatten einfach nicht genug Platz in unseren Herbergen und Pensionen, um diese Welle vollständig aufzufangen und einen ordentlichen Gewinn zu erzielen.
Der Anteil der Migrant:innen an den Gesamteinnahmen von Ololo im letzten Jahr liegt zwischen zehn und 15 Prozent. Das ist erheblich, aber ohne sie wäre Ololo nicht leer gewesen. Als die Welle abebbte, mussten wir die Preise also nicht senken. Es wäre besser, wenn es keinen Krieg gäbe und niemand gezwungen wäre, seine Heimat zu verlassen, vor allem nicht die Ukrainer:innen.
Ololo hat Angebote aus St. Petersburg und Duschanbe erhalten. Haben Sie diese Angebote angenommen? Und wenn Sie diese abgelehnt haben, warum haben Sie das getan?
Wir waren zweimal in Duschanbe, um uns zu informieren, ob wir einen potenziellen Partner finden können, aber es hat nicht geklappt. Der Markt dort ist kompliziert, da das Startup-Ökosystem etwa fünf bis acht Jahre hinter dem in Bischkek zurückliegt. Wir haben auch mit Anbietern aus St. Petersburg verhandelt, aber kein optimales Modell gefunden, das für alle Parteien akzeptabel wäre.
Trotzdem sind wir an Expansion im Ausland interessiert. Wir haben uns bereits Einrichtungen in Almaty angeschaut und verhandeln mit Interessenten aus Taschkent. Aber der Co-Working-Markt in Taschkent ist aktuell nicht der beste Ort für uns. Unser Ziel ist es, in weiter entfernte Länder wie die Türkei, Indonesien, Indien und Vietnam vorzudringen und ein Ökosystem kreativer Zentren für digitale Nomaden im globalen Süden aufzubauen.
Wir haben auch die Ukraine untersucht, aber der Krieg hindert uns momentan daran, dort tätig zu werden. Wir hoffen jedoch, in Zukunft am Wiederaufbau des Landes beteiligt zu sein.
Viele Erfinder:innen, die ein einzigartiges Produkt entwickeln können, suchen aufgrund fehlender Verbindungen oft international nach Absatzmärkten. Aber hat ein Startup aus Kirgistan ohne eine solide lokale Basis überhaupt eine Chance, im Ausland Fuß zu fassen?
Kirgistan bietet eine ideale Plattform für Experimente mit Minimum Viable Products (MVPs), um schnell Feedback von Kund:innen zu erhalten um das Produkt zu verbessern. Der kleine Markt des Landes muss kein Hindernis für den internationalen Erfolg sein. Viele kirgisische Staatsbürger:innen kehren nach erfolgreichen Karrieren im Ausland in ihre Heimat zurück, um eine hohe Lebensqualität zu genießen und von hier aus für globale Märkte zu arbeiten.
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Daneben bietet Kirgistan eine enge Gemeinschaft von IT-Expert:innen, die sich auf verschiedenen Ebenen engagieren und miteinander interagieren. Die horizontale Verbindung zwischen den verschiedenen Bereichen bietet eine unglaubliche Möglichkeit, mit verschiedenen Personenkreisen zu kommunizieren und Ideen auszutauschen. Zum Beispiel leitet Tilek Mamutov, der erste kirgisische Staatsbürger bei Google, jetzt sein eigenes Startup Outtalent von Kirgistan aus. Auch ehemalige Mitarbeiter:innen von Amazon haben sich hier niedergelassen, um von hier aus weiterhin in internationalen Märkten tätig zu sein.
Für Start-ups empfiehlt es sich, in Kirgistan zu lernen, schnell Feedback zu erhalten und das Produkt zu perfektionieren, bevor sie auf den globalen Markt gehen, wie es beispielsweise NBfit erfolgreich getan hat. Kirgistan bietet die einzigartige Möglichkeit, ein hochwertiges Produkt zu entwickeln und von hier aus in der internationalen Geschäftswelt tätig zu sein.
Was sind Ihrer Meinung nach typische Fehler von Existenzgründer:innen in Kirgistan?
Meiner Meinung nach gibt es zwei entscheidende Fehler, die viele Start-ups begehen. Der erste ist die fehlende Bereitschaft, von anderen zu lernen. Bei Ololo haben wir uns intensiv damit beschäftigt, warum andere Co-Working-Unternehmen vor uns gescheitert sind. Diese Erfahrung hat uns gelehrt, wie wichtig es ist, die Geschichte des Marktes und die Konkurrenz zu studieren. Leider ist in der Geschäftswelt und insbesondere bei Start-ups eine gewisse Arroganz weit verbreitet, die dazu führt, dass viele Produkte ohne eingehende Recherche und Marktanalyse entwickelt werden.
Ein:e Wettbewerber:in ist nicht zwangsläufig ein:e Konkurrent:in, der/die genau das gleiche Produkt anbietet. Ein:e Wettbewerber:in kann jedes Unternehmen sein, dessen Produkt das gleiche Bedürfnis befriedigt. Es ist daher unerlässlich, zu verstehen, was Kund:innen bereit sind, für Ihr Produkt aufzugeben, um es von der Konkurrenz abzuheben.
Der zweite Fehler besteht darin, von Anfang an ein perfektes Produkt schaffen zu wollen. Dieser Wunsch nach Perfektion kommt oft aus der Schule oder von Eltern, die stets die bestmöglichen Leistungen verlangen. In der Realität gibt es jedoch kein perfektes Produkt, jede:r Kund:in ist anders und hat unterschiedliche Bedürfnisse. Es ist daher wichtig, mit einem Minimum Viable Product zu starten, einem Produkt, das ein wichtiges Bedürfnis befriedigt und sich auf dem Markt verkauft. Dann kann man von den Kund:innen lernen und das Produkt iterativ verbessern.
Ich werde oft von Start-ups um Rat gefragt. Doch leider setzten sie sich nicht mit spezifischen Herausforderungen auseinander, sondern präsentieren mir ihre Ideen und bitten um allgemeines Feedback. Dabei gibt es mittlerweile viele Plattformen und Menschen, die bei der Entwicklung von Start-ups helfen können, sei es durch Förderung oder Mentoring. Start-ups entwickeln Nischenprodukte und ihre Herausforderungen sind deshalb sehr spezifisch. Deshalb müssen die Fragen, die gestellt werden, auch sehr präzise sein. Wenn man bereit ist, von anderen zu lernen und auf Feedback von Kund:innen zu hören, kann man ein erfolgreiches Start-up aufbauen.
Zum Abschluss: Welche universellen Empfehlungen können Sie Unternehmensgründer:innen in Kirgisistan mit auf den Weg geben?
Das Konzept des Product Market Fit besagt, dass eine Lösung für ein relevantes Kundenproblem gefunden werden muss, damit das Produkt erfolgreich am Markt sein kann. Ein Beispiel hierfür sind die Macarons von Sabina Temiralieva, die durch ihre Persönlichkeit und ihren Blog besonders gut bei der jungen Zielgruppe ankommen. Sobald der Product Market Fit erreicht ist, können Investitionen angezogen werden. Es ist jedoch ein Fehler, direkt am ersten Tag Investitionen anzustreben. Stattdessen sollte das Produkt mit einem Mindestbudget gestartet werden, um unternehmerischen Mut zu fördern.
Es gibt viele Mythen rund um das Thema Unternehmertum. Viele glauben beispielsweise, dass Geschäftsleute viel Geld verdienen. In Wirklichkeit erzielen jedoch viele Unternehmen keinen Nettogewinn und scheitern letztendlich. Ein Unternehmen zu gründen bedeutet, ein hohes Risiko einzugehen und zu akzeptieren, dass eine Niederlage möglich ist. Es ist wichtig, sich bewusst zu sein, dass man nicht so viel Geld in ein Unternehmen investieren sollte, dass man in diesem Fall alles verliert, einschließlich der Familie, Freund:innen und Beziehungen.
Trotzdem ist ein Unternehmen eine großartige Lernmöglichkeit. Es erfordert, dass man sich selbst aufs Spiel setzt und tatsächliche Konsequenzen trägt. Es ist eine Gelegenheit, um wirklich zu lernen und persönlich zu wachsen. In Kirgistan bietet sich die Möglichkeit, ein kleines Unternehmen zu gründen und von den bürokratischen Hürden und Besteuerungen zu profitieren, denn Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu 8 Millionen Som müssen keine Steuern zahlen. Kirgistan ist zwar kein ideales Land, um ein großes Unternehmen aufzubauen, aber es ist eine hervorragende Plattform für die Expansion ins Ausland.
Dieses Interview ist Teil einer Publikationsreihe von Kloop unter dem Titel Made in KG. Es soll aufstrebenden Unternehmern aus Kirgistan wertvolle Ratschläge geben und sie mit Geschichten von bereits etablierten Unternehmen und Wirtschaftszweigen in Kirgisistan inspirieren. Das Projekt wird mit Unterstützung der deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit realisiert.
Wiktor Muchin für Kloop
Aus dem Russischen von Ramona Bleimhofer
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