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Wie China seinen kulturellen Einfluss in Zentralasien verstärkt

In den letzten Jahren hat China eine umfassende Informationspolitik in Zentralasien betrieben und versucht, sein Image zu verbessern sowie seinen Einfluss gegenüber Russland zu verstärken. Seit der Abriegelung infolge der Covid-19-Pandemie scheinen die Beziehungen zu den zentralasiatischen Staaten jedoch zunehmend zu leiden. Adina Masalbekowa, China-Expertin an der OSZE-Akademie in Bischkek, erklärt die Zusammenhänge.

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Übersetzt von: Michèle Häfliger

Original (15. Februar 2023)

Xi Jinping Toqaev
Xi JInping und Qasym-Jomart Toqaev bei ihrem Treffen in Beijing im Februar 2022. Photo: Akorda.kz

In den letzten Jahren hat China eine umfassende Informationspolitik in Zentralasien betrieben und versucht, sein Image zu verbessern sowie seinen Einfluss gegenüber Russland zu verstärken. Seit der Abriegelung infolge der Covid-19-Pandemie scheinen die Beziehungen zu den zentralasiatischen Staaten jedoch zunehmend zu leiden. Adina Masalbekowa, China-Expertin an der OSZE-Akademie in Bischkek, erklärt die Zusammenhänge.

Vor der Covid-19-Pandemie lag der Schwerpunkt chinesischer Auslandspropaganda in Zentralasien in der Regel auf Bildung und Kultur, Stipendien für Studierende und Medienschaffende sowie Reisen für Beamte. Diese Aktivitäten zeigten bei jungen Menschen Wirkung, die vor der Pandemie gerne in China studieren, die Sprache lernen und die chinesische Kultur erleben wollten.

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Mit Beginn der Abriegelungen im Frühjahr 2020 hat die Attraktivität Chinas als Studienland jedoch abgenommen, ebenso wie andere Möglichkeiten, das Land zu besuchen. Dennoch hat China die Hoffnung nicht aufgegeben, tiefere kulturelle Beziehungen zur Region Zentralasien zu entwickeln. So organisiert die chinesische Botschaft in Kirgistan aktiv Treffen mit Behörden, Medien und Universitäten, bei denen sie über die Bedeutung der bilateralen Beziehungen sowie die Erhaltung von Frieden und Stabilität spricht.

Kirgistan als chinesischer Transitkorridor und Investitionsmarkt

Generell verdienen die Beziehungen zwischen Kirgistan und China besondere Aufmerksamkeit. Obwohl Bischkek für Peking kein bedeutender Energiepartner in der Region ist, spielt es eine wichtige Rolle als Transitkorridor und sogar als Testgebiet für die Erprobung neuer Technologien und Ansätze der chinesischen Diplomatie. Der chinesische Einfluss auf die Sicherheit in Kirgistan sowie in der gesamten zentralasiatischen Region wird ebenfalls immer deutlicher. So gibt es beispielsweise Präzedenzfälle, in denen private chinesische Militärfirmen Investitionsobjekte in Kirgistan bewachen.

Insgesamt haben Regierung sowie politische Elite in Kirgistan großes Interesse an der Zusammenarbeit. Auch die breite Masse sieht darin wirtschaftliche Vorteile, etwa im Handel. Allerdings ist China auch der größte Gläubiger Kirgistans mit insgesamt 2 Milliarden US-Dollar Auslandsschulden (von insgesamt 5 Milliarden). Aufgrund dieser wirtschaftlichen Abhängigkeit sind gute Beziehungen zu China gerade für Kirgistan von besonders großer Bedeutung.

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Abgesehen von den Auslandsschulden wird auch über den Bau einer Eisenbahnstrecke von China über Kirgistan nach Usbekistan diskutiert. Die chinesische Seite achtet stets darauf, die Sicherheit in der zentralasiatischen Region zu gewährleisten sowie die Sicherheit ihrer dort tätigen chinesischen Unternehmen zu garantieren. Zwar wird China von den Menschen in Zentralasien oft kritisiert, doch wächst sein Einfluss stetig, obwohl mit Russland noch ein anderer zentraler politischer Akteur besteht.

Ziel der regionalen Stabilität

Die chinesische Politik in Zentralasien war bis vor kurzem nicht auf einen Rückzug ausgerichtet. Im Gegenteil, Peking war an regionaler Stabilität interessiert. Dieser Ansatz hat jedoch auch seine Grenzen und Chinas politische Führung zeigte sich skeptisch gegenüber Initiativen für eine engere Zusammenarbeit ausschließlich zwischen den fünf zentralasiatischen Staaten. Daher begann China unmittelbar nach der Intensivierung der regionalen Integration im Jahr 2018 das C+C5-Format (China und zentralasiatische Staaten) zu fördern. Auf diese Weise war China in der Lage, mit den Ländern der Region ohne Russland zu interagieren, also nicht im Rahmen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ). Dabei war und ist die Plattform der SOZ im Allgemeinen darauf ausgerichtet, den Dialog in der Region zu gewährleisten und dadurch den Frieden unter den Mitgliedstaaten zu erhalten.

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Zudem fand der erste Auslandsbesuch von Xi Jinping, dem Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Chinas, nach der langen Pandemie in den zentralasiatischen Ländern statt. Zuerst besuchte er Kasachstan, dann den SOZ-Gipfel in Samarkand, und im Rahmen dieser Besuche kam es zu bilateralen Treffen mit allen zentralasiatischen Präsidenten. Dies zeigt, dass Zentralasien bereits eine Priorität in der chinesischen Außenpolitik ist.

Sicherheitspolitik und Eigeninteressen Chinas in der Region

Durch all diese Faktoren hat sich Chinas Rolle und Bedeutung in Zentralasien im Bereich der Sicherheit verändert. In der Sicherheitspolitik und Verteidigungsindustrie ist eine vollständige Ablösung Russlands zwar immer noch schwer vorstellbar. Gleichzeitig ist es offensichtlich, dass Russlands Monopolstellung im Sicherheitsbereich allmählich abnimmt, was in Tadschikistan deutlich sichtbar ist, wo die Behörden im militärischen Bereich zunehmend mit China zusammenarbeiten.

In den letzten Jahren hat China den zentralasiatischen Partnern immer öfter militärische Ausrüstung und militärisches Gerät zur Verfügung gestellt. Zwar ist es noch zu früh, um zu sagen, dass diese Zusammenarbeit Russland im Sicherheitsbereich ersetzen kann, aber die Rolle Chinas wird immer wichtiger.

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Dieses Vorgehen ist natürlich nicht nur selbstlos: China unterstützt etwa Projekte zur Installation von Überwachungskameras und -ausrüstung oder führt militärische Schulungen durch. Diese (fiktiven) Szenarien beinhalteten oft den Kampf und die Gefangennahme terroristischer Gruppen, die beispielsweise von Xinjiang eindringen könnten. Die chinesische Seite betont dabei, dass die Sicherheitsaufgabe gerade der Kampf gegen Separatismus und Terrorismus und jener gegen Separatist:innen aus Xinjiang dabei zentral sei.

Im Herbst 2022 wurde anlässlich einer UN-Resolution eine unabhängige Untersuchung zum Thema Uigur:innen durchgeführt und recherchiert, ob in Xinjiang ethnische Minderheiten unterdrückt werden. Während Kasachstan und Kirgistan sich grundsätzlich neutral zur aktuellen Lage in Xinjiang aussprachen, änderte sich dies nach dem Besuch Xi Jinpings: Die beiden Staaten stimmten nun gegen die UN-Resolution, also für die chinesische Seite. All diese Faktoren zeigen, wie China in der Region, aber auch auf globaler Ebene agiert.

Mechanismen zur Imageverbesserung und vermehrtem kulturellem Einfluss

China versucht aktiv, sein Image in Zentralasien zu verbessern. Dies geschieht etwa über Fernsehsender wie Dolan TV oder das Magazin Kontimost, die in der Region als private Medienunternehmen tätig sind. Das heißt, sie sind hier registriert, haben jedoch direkte Verbindungen zur Propagandaabteilung der Volksrepublik China und werden auch von der chinesischen Regierung unterstützt. Mit dem New Silk Road Observatory besteht auch ein chinesisches Medienunternehmen, das auf Russisch sendet.

Diese lokale Medienpräsenz Chinas verstärkt ein günstiges Image. Es wird sehr viel Wert auf ein positives Chinabild für das zentralasiatische Publikum gelegt. Die chinesischen Botschaften sind ebenfalls sehr aktiv darin, lokalen Medien Informationen zur Verfügung zu stellen. Diese Zusammenarbeit führt dazu, dass China die Art und Weise, wie Informationen zum Land verbreitet werden, in großem Maße selbst steuern kann. Da es sich bei Botschaften um eine direkte Vertretung der chinesischen Seite handelt, wird oft betont, dass nur sie zuverlässige Informationen liefern können und andere Quellen, insbesondere ausländische Medien, dazu nicht in der Lage seien.

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China vergab und vergibt nach wie vor viele Stipendien für Studierende und sogar für Medienschaffende mit dem Ziel, dass diese positiv über China berichten und gute Propaganda für den großen Nachbarn im Osten verbreiten. Im Zeitalter der sozialen Medien funktioniert dies noch viel rascher, so dass die Sichtbarkeit bereits stärker ist als noch vor 10 Jahren. Schließlich sind jene, die bereits in China studiert haben, ein wichtiger Faktor. Die mitgebrachten Erfahrungen können das China-Bild ebenfalls positiv (aber auch negativ) beeinflussen.

Bereits seit vielen Jahren bestehen in den Staaten Zentralasiens Konfuzius-Institute und andere chinesische Kultur- und Sprachzentren. Sie haben sich jedoch nie zu bedeutenden Zentren entwickelt, gleichzeitig verliert die chinesische Bildung immer mehr an Attraktivität. Die Bildungsmöglichkeiten in China sind allesamt unpolitisch und werden überhaupt stark staatlich kontrolliert. Viele Studierende bevorzugen andere Möglichkeiten – und diese sehen sie eher in westlichen Ländern.

Zukünftige Beziehungen mit China

Wie sollen die zentralasiatischen Staaten mit diesen Tatsachen umgehen und wo liegen Probleme? Zunächst gibt es in den zentralasiatischen Staaten zu wenige Analyst:innen, die der Präsidialverwaltung oder anderen Behörden Analysen und Ratschläge geben könnten. Das führt dazu, dass viele Vereinbarungen und Initiativen das Ergebnis von bilateralen Treffen mit der chinesischen Seite sind.

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Im Gegensatz zu Russland erlässt China seinen zentralasiatischen Schuldnern nie irgendwelche Schulden. Zudem herrscht die Meinung vor, dass China der größte Investor in Zentralasien ist, aber kaum jemand berücksichtigt die Unterstützung durch die Europäische Union oder die USA. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Projekte zur sozialen Entwicklung. Das sind demnach keine wirtschaftlichen Investitionen, sondern sie wirken sich direkt auf die lokale Bevölkerung aus. Dass wir China viel zu verdanken haben, ist also nicht die ganze Wahrheit. Vielmehr sollte daran gearbeitet werden, alternative Beziehungen aufzubauen. Das heißt, je mehr Verbindungen und vielseitige Zusammenarbeit mit anderen Ländern bestehen, desto geringer wird die Abhängigkeit von einem oder zwei Ländern.

Schließlich ging in den letzten Jahren eine stärkere Integration Zentralasiens vonstatten – der Krieg in der Ukraine hat diese Prozesse noch beschleunigt. Eine solche zentralasiatische Integration könnte die Abhängigkeit nicht nur von China, sondern auch von Russland erheblich verringern und würde zur Stärkung der einzelnen Länder in der Region beitragen.

CAA Network

Aus dem Russischen (gekürzt) von Michèle Häfliger

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