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Wird Zentralasien einen Winter ohne Energie erleben?

ENTSCHLÜSSELUNG. Alternde Infrastruktur, korrupte Unternehmen und wachsender Energiebedarf: Zentralasien steht vor der Herausforderung eines Energiedefizits. Bereits im vergangenen Winter saßen drei zentralasiatische Länder im Dunkeln. Wird es dieses Jahr anders sein? Eine Analyse der großen Energiefragen in Zentralasien.

ENTSCHLÜSSELUNG. Alternde Infrastruktur, korrupte Unternehmen und wachsender Energiebedarf: Zentralasien steht vor der Herausforderung eines Energiedefizits. Bereits im vergangenen Winter saßen drei zentralasiatische Länder im Dunkeln. Wird es dieses Jahr anders sein? Eine Analyse der großen Energiefragen in Zentralasien.

– 30° Celsius Außentemperatur ohne die Möglichkeit sich Zuhause aufwärmen zu können: Die Einwohner:innen von Ekibastuz im Gebiet Pavlodar haben es erlebt und überlebt. Vom 27. November an befand sich die 300 Kilometer östlich von Astana gelegene Stadt für zehn Tage lang im Ausnahmezustand. Geschuldet war dies einem Ausfall des regionalen Wärmekraftwerks, wie das kasachstanische Nachrichtenportal Vlast vor Ort berichtet.

Diese Episode könnte anekdotisch sein, tatsächlich aber durchleben jeden Winter Millionen von Zentralasiat:innen Energiedefizite. Bereits im vergangenen Jahr tauchte ein Panne Zentralasien in Dunkelheit und verursachte einen allgemeinen Stromausfall in drei der größten Städte: Taschkent, Bischkek und Almaty. Die abgelegenen Regionen Zentralasiens erleben diese Art von Störungen jeden Winter, wenn die Temperaturen sinken.

Alle Länder betroffen

In Usbekistan stellte das Energieministerium am 10. Dezember Unterbrechungen bei der Lieferung von Erdgas in den Provinzen Taschkent, Fargʻona, Andijon, Namangan, Samarkand und Surxondaryo fest. Der stellvertretende usbekische Energieminister Sherzod Hojayev kündigte„aufgrund des Anstiegs des Inlandsverbrauchs in der kommenden Kälte“ sogar einen Stopp der Gasexporte ab dem 16. November an.

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Ähnliche Probleme vermelden auch Tadschikistan und Kirgistan: In einigen Bezirken der Hauptstädte und in anderen Großstädten wie Osch fiel zu bestimmten Zeiten der Strom aus, berichtet das kirgisische Nachrichtenportal Kaktus. Auch der turkmenische Nachbar ist trotz seiner großen Gasreserven nicht vor Problemen bei der Energieversorgung gefeit. Am 13. Dezember berichtete Radio Azatlyk, der turkmenische Dienst von Radio Free Europe, dass mehrere Wohngebiete von Aschgabat bei extrem kalten Temperaturen ohne Wasser oder Heizung seien.

Veraltete und korrupte Systeme

Diese Ereignisse verdeutlichen das Energiedefizit in den Ländern Zentralasiens, welchem verschiedene Ursachen zugrunde liegen. Eine davon ist der schlechte Zustand der Stromnetze: Die Infrastruktur Zentralasiens stammt aus Zeiten der Sowjetunion und ihr Betrieb führt dazu, dass bei jeder Übertragung Strom verloren geht.

Für Kasachstan gehen laut Radio Free Europe beispielsweise zwischen 15 und 16 Prozent der Kapazität verloren, obwohl Modernisierungsarbeiten durchgeführt wurden. Die in die Modernisierung dieser Infrastruktur investierten Gelder sowie die erzielten Ergebnisse lassen jedoch auf eine erhebliche Korruption im Energiesektor schließen. Beispielsweise wurden in Usbekistan ab Januar die Steuern für Gasförderunternehmen (mit Ausnahme von Uzbekneftegaz) von 30 auf 10 Prozent gesenkt, erklärt das usbekische Nachrichtenportal Daryo. Dennoch nehme die Gasproduktion sogar ab.

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Und auch die Katastrophe von Ekibastuz, erklärt Saıan Ahmetjanov, Direktor der kasachstanischen Antikorruptionsbehörde Antikor, in einem Interview mit dem kasachischen Nachrichtenportal Tengrinews, sei mit „systemischer Korruption in der Branche“ in Verbindung zu bringen. In Tadschikistan und Kirgistan liegt das Problem vor allem in großen Dürren. Die Energieversorgung beider Länder basiert zu 90 bis 98 Prozent auf Wasserkraft.

Das Risiko eines neuen Blackouts

Droht also ein Winter ohne Energie? „Ja, es gibt ein Risiko, das mit dem steigendem Energiebedarf Jahr für Jahr wächst und mit dem Bevölkerungswachstum in Zentralasien korreliert“, meint Maximilian Hess, Zentralasienforscher am Foreign Policy Research Institute. 1991 lebten in der Region etwa 50 Millionen Menschen, während die Bevölkerung heute bei über 75 Millionen liegt.

Um nicht erneut im Dunkeln sitzen zu müssen, investierten die zentralasiatischen Länder in andere Ressourcen. Kasachstan hat die Solar- und Windenergie gefördert und hofft bis 2030 15 Prozent seines Energiebedarfs daraus zu decken. Usbekistan hat mit Investitionen aus Russland in den Bau von zwei Kernreaktoren den nuklearen Weg eingeschlagen.

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Laut Hess sind diese Bemühungen natürlich wichtig, aber kurzfristig nicht sehr effektiv. Außerdem erfordern sie noch mehr Investitionen. „Was das gemeinsame zentralasiatische Netz betrifft, so befindet es sich in einem toten Zustand. Ich sehe keine Anzeichen dafür, dass die zentralasiatischen Länder sich um dessen Ausbau bemühen“, erklärt er. „Gefordert ist eine Energiekooperation nach europäischem Vorbild.“

Moskaus opportunistische Ansichten

Angesichts der Energiekrise versucht Russland, seine Karte auszuspielen. Wie Interfax berichtet, schlug Wladimir Putin während des Moskau-Besuchs von Kasachstans Präsidenten Qasym-Jomart Toqaev vor, eine „Gasunion“ zwischen Russland, Usbekistan und Kasachstan zu gründen.

Bei einer solchen Union „haben wir nichts zu gewinnen und alles zu verlieren“, erklärte der usbekische Ökonom Abdulla Abdukadirov gegenüber Voice of America. Seiner Meinung nach könnte dies ein strategischer politischer Hebel für Russland, um Usbekistan und Kasachstan dank des Gasköders noch mehr in sein Lager zu rücken.

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Usbekistans Energieminister Jurabek Mirzamahmudov erklärte jedoch gegenüber Kun.uz, er werde keine „politischen Bedingungen“, sondern nur Handelsabkommen akzeptieren, falls es zu einer sogenannten Gasunion kommen sollte. Auch Kasachstans Regierung zeigt nicht mehr Interesse.

Unzufriedenheit in der Bevölkerung

Für die Bevölkerung werden die wiederkehrenden Stromausfälle im Winter immer lästiger. In Almaty erschienen zwei Aktivistinnen der militanten Gruppe „Oyan Qazaqstan!“ leicht bekleidet auf der Straße, um gegen die Regierung zu protestieren und die Bevölkerung von Ekibastuz zu unterstützen. In Usbekistan fanden landesweit Demonstrationen statt, heißt es in einem Bericht von Current Time. Ein Fabrikarbeiter aus der Provinz Fargʻona schrie verzweifelt in die Kamera: „Was tun? Kein Gas, kein Strom mehr! […] Die Behörden sollen das Problem lösen, sonst bringen wir uns am Ende um.“

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Angesichts der Verärgerung der Bevölkerung bleiben die Behörden hinsichtlich der Erhöhung der Energiepreise vorsichtig. Im Januar 2022 führte beispielsweise der Anstieg der Benzinpreise zu Aufständen in ganz Kasachstan. Und auch die usbekische Regierung ist durch die Proteste in Karakalpakistan im Juli in Alarmbereitschaft versetzt worden.

Emma Collet, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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