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Die unerwartete Rede des tadschikischen Präsidenten in Astana

Während des Gipfeltreffens der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) kam es zum Eklat: Tadschikistans Staatspräsident Emomali Rahmon verurteilte den Umgang Russlands mit den Ländern Zentralasiens. Rahmons Rede markiert einen Paradigmenwechsel. Noch vor wenigen Jahren wäre das unvorstellbar gewesen: Ein zentralasiatischer Regierungschef übt öffentlich Kritik an der Politik Wladimir Putins. Mit der Rede, die der tadschikische Staatspräsident Emomali Rahmon am 14. Oktober während des Gipfeltreffens der GUS in der kasachstanischen Hauptstadt Astana gehalten hat, beginnt ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen Russland und Zentralasien. Während seiner Rede wandte sich Rahmon direkt an Putin und beschuldigte ihn, die Interessen der zentralasiatischen Staaten außer Acht zu lassen: „Ich war im Kongresspalast [des Kremls] als die Sowjetunion zusammengebrochen ist […]. Damals wie heute wurde den kleinen Republiken, den kleinen Staaten nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt“. Die Ausnutzung der zentralasiatischen Länder als bloße Rohstoffquelle sei eine der Hauptursachen für den Zerfall der Sowjetunion gewesen, so Rahmon. Lest auch auf Novastan: Zentralasien und Russland: Eine Beziehung im Wandel Rahmons Rede wurde vom Wunsch nach Anerkennung und Respekt geleitet. Darüber hinaus lässt sie aber auch eine Sicht auf die Sowjetunion erkennen, die sich so gar nicht mit Putins nostalgischer Haltung deckt, für den das Ende der Sowjetunion in erster Linie eine Katastrophe darstellt. Rahmon kritisiert die historische Kontinuität: Am Verhältnis Russlands zu den zentralasiatischen Ländern habe sich seit dem Ende der Sowjetunion im Grunde nichts verändert. Tatsächlich wurden sie lange Zeit als Hinterhof Russlands betrachtet. Der Einfluss Russlands auf die lokalen Volkswirtschaften der Region war und ist immer noch sehr groß. Die engen Beziehungen führten dazu, dass sich die ehemaligen Sowjetrepubliken meist damit begnügten, den Vorgaben Moskaus Folge zu leisten.

Putin und Rahmon
Der tadschikische Präsident Emomali Rahmon und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin.

Während des Gipfeltreffens der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) kam es zum Eklat: Tadschikistans Staatspräsident Emomali Rahmon verurteilte den Umgang Russlands mit den Ländern Zentralasiens. Rahmons Rede markiert einen Paradigmenwechsel. Noch vor wenigen Jahren wäre das unvorstellbar gewesen: Ein zentralasiatischer Regierungschef übt öffentlich Kritik an der Politik Wladimir Putins. Mit der Rede, die der tadschikische Staatspräsident Emomali Rahmon am 14. Oktober während des Gipfeltreffens der GUS in der kasachstanischen Hauptstadt Astana gehalten hat, beginnt ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen Russland und Zentralasien. Während seiner Rede wandte sich Rahmon direkt an Putin und beschuldigte ihn, die Interessen der zentralasiatischen Staaten außer Acht zu lassen: „Ich war im Kongresspalast [des Kremls] als die Sowjetunion zusammengebrochen ist […]. Damals wie heute wurde den kleinen Republiken, den kleinen Staaten nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt“. Die Ausnutzung der zentralasiatischen Länder als bloße Rohstoffquelle sei eine der Hauptursachen für den Zerfall der Sowjetunion gewesen, so Rahmon. Lest auch auf Novastan: Zentralasien und Russland: Eine Beziehung im Wandel Rahmons Rede wurde vom Wunsch nach Anerkennung und Respekt geleitet. Darüber hinaus lässt sie aber auch eine Sicht auf die Sowjetunion erkennen, die sich so gar nicht mit Putins nostalgischer Haltung deckt, für den das Ende der Sowjetunion in erster Linie eine Katastrophe darstellt. Rahmon kritisiert die historische Kontinuität: Am Verhältnis Russlands zu den zentralasiatischen Ländern habe sich seit dem Ende der Sowjetunion im Grunde nichts verändert. Tatsächlich wurden sie lange Zeit als Hinterhof Russlands betrachtet. Der Einfluss Russlands auf die lokalen Volkswirtschaften der Region war und ist immer noch sehr groß. Die engen Beziehungen führten dazu, dass sich die ehemaligen Sowjetrepubliken meist damit begnügten, den Vorgaben Moskaus Folge zu leisten.

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Der Krieg in der Ukraine als Wendepunkt

Da die zentralasiatischen Staaten in vielerlei Hinsicht von Russland abhängig sind, haben sie stets eine vorsichtige Außenpolitik betrieben. Projekte, die den russischen Interessen zuwiderliefen, wurden meist vermieden, auch wenn die Zahl der Investitions- und Partnerschaftsangebote in der Region mit dem Auftreten von Akteuren wie China, Indien, der Türkei oder dem Iran stetig zunehmen. Selbst Vorhaben, die mit China im Rahmen der Neuen Seidenstraße ausgehandelt werden, müssen von Moskau gebilligt werden. Lest auch bei Novastan: China profitiert in Zentralasien von der Isolation Russlands Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine vom 24. Februar dieses Jahres hat sich die Situation grundlegend verändert. Die taktischen und strategischen Niederlagen, die sich Russland mit seinem Angriffskrieg eingehandelt hat, lassen Zweifel an den Fähigkeiten des Landes aufkommen, in den nächsten Jahren großangelegte Projekte in Zentralasien durchführen zu können.

Die Abhängigkeit der zentralasiatischen Volkswirtschaften

Ökonomisch gesehen haben die Sanktionen, die gegen Russland wegen seiner Aggression in der Ukraine verhängt wurden, schwerwiegende Konsequenzen auch für die Volkswirtschaften Zentralasiens. Das Geld, das die rund vier Millionen zentralasiatischen Arbeitsmigranten aus Russland in ihre Heimatländer zurückschicken, macht nämlich einen erheblichen Anteil des lokalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) erläutert. Das gilt insbesondere für Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan, wo diese Zahlungen im Jahr 2020 31,1 Prozent, 26,7 Prozent beziehungsweise 11,6 Prozent des BIP betrugen.

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Da es sich meist um unsichere Beschäftigungsverhältnisse handelt, sind die zentralasiatischen Arbeitsmigranten in Russland die ersten, die ihre Jobs verlieren. Laut IOM sind mit der Rückkehr von ungefähr 60.000 Tadschik:innen und 133.000 Usbek:innen in ihre Heimatländer im ersten Quartal des Jahres 2022, die wirtschaftlichen Folgen der Invasion bereits spürbar. Lest auch bei Novastan: Die schwierige Situation tadschikischer Arbeitsmigrant:innen in Russland  In den ökonomischen Folgen des Kriegs in der Ukraine für die tadschikische Wirtschaft ist somit eine der Hauptursachen für Rahmons Kritik an Putin zu sehen. Wenn er sagt: „Wir haben immer die Interessen unseres wichtigsten strategischen Partners [Russland] respektiert. Wir wollen, dass man auch uns mit Respekt begegnet“, dann prangert er die eigenmächtige Entscheidung Russlands an, die Ukraine überfallen zu haben, ohne sich Gedanken über die negativen Auswirkungen einer solchen Entscheidung auf die tadschikische Volkswirtschaft zu machen, obwohl es sich bei Tadschikistan doch angeblich um einen wichtigen Partner und Freund Moskaus handelt.  

Schrittweise Ablösung

Die Rede Rahmons bereitet die Loslösung Tadschikistans von der russischen Wirtschaft vor. Indem der tadschikische Staatspräsident Distanz zu Putin schafft, gibt er der Welt zugleich zu verstehen, dass sein Land auf der Suche nach neuen strategischen Partnern und Geldgebern ist: „Es ist nicht nötig, viel Geld [in Tadschikistan] zu investieren. Wladimir Wladimirowitsch [Putin], ich bitte Sie, sich gegenüber den Ländern Zentralasiens nicht so zu verhalten, als wären sie noch Teil der Sowjetunion.“ Die Rede Rahmons ist dabei nur der Höhepunkt einer zunehmenden Distanzierung der zentralasiatischen Staaten angesichts der derzeitigen Schwäche Russlands – eine Tendenz, die vor allem bei Kasachstan seit Beginn des Kriegs in der Ukraine zu beobachten ist. Lest auch bei Novastan: Kasachstans schrittweise Entfernung von Russland Andere Akteure in der Region profitieren von der neuen Situation. China versucht bereits, die aktuellen Ereignisse zu nutzen, um sich tiefer in Zentralasien zu verankern. Damit gefährdet es aber die langjährige Freundschaft zu Russland. Man sollte nicht vergessen, dass diese Dynamiken das geopolitische Gleichgewicht in der Region stören und zu neuen Konflikten führen können. Zentralasien befindet sich in einer entscheidenden Phase: Noch ist unklar, wie das geopolitische Umfeld der Region in den kommenden Jahren aussehen wird und wer den Platz einnimmt, den Russland verlässt.

Maxime Delaye, Redakteur für Novastan

Aus dem Französischen von Lucas Kühne

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Kommentieren (1)

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Johannes Reinders, 2023-02-6

Ich staune, dass Putin die Arbeitskräfte aus Zentralasien nicht nutzt, um z.B. die russische Rüstungsindustrie mit Arbeitskräften zu versorgen. Zigtausende
russische Arbeitskräfte, aus denen Soldaten wurden, hätten durch zentralasiatischen Arbeitskräfte ersetzt werden können. Wieso denkt Putin daran nicht und schafft positive Arbeits- bedingungen für Gastarbeiter ?

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