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Unwirksame Pestizide bereiten tadschikischen Bauern Kopfzerbrechen

Tadschikistan importiert jedes Jahr mehrere tausend Kilogramm Chemikalien für die Landwirtschaft. In kleinen Dosen haben sie jedoch nicht die gewünschte Wirkung. Bauern sind gezwungen, sie in großen Dosen zu verwenden, was die Bodenzusammensetzung zerstört und großen Schaden für die Umwelt verursacht.

Bauer Pestizide Tadschikistan

Tadschikistan importiert jedes Jahr mehrere tausend Kilogramm Chemikalien für die Landwirtschaft. In kleinen Dosen haben sie jedoch nicht die gewünschte Wirkung. Bauern sind gezwungen, sie in großen Dosen zu verwenden, was die Bodenzusammensetzung zerstört und großen Schaden für die Umwelt verursacht.

Jedes Jahr werden in Tadschikistan Dutzende von Tonnen chemischer Präparate importiert, bestimmt zur Bekämpfung von landwirtschaftlichen Schädlingen, Insekten und verschiedenen Arten von Pflanzenkrankheiten. 

Seit 1995 importieren nur noch Geschäftsleute unterschiedlichen Ranges Pestizide nach Tadschikistan. Auch besonders umweltschädliche Chemikalien, die gesetzlich verboten sind, werden oft ins Land geschmuggelt. Es ist also unmöglich nachzuvollziehen, wie viele Pestizide genau eingeführt werden. Bei Anfragen verweist das Landwirtschaftsministerium auf den Zoll, da der Staat selbst keine Pestizide importiert. Doch wie oft gibt der Zollausschuss realitätsferne Zahlen an.   

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Landwirte beklagen, der Einsatz von Pestiziden in den in der Gebrauchsanweisung angegebenen Dosierungen habe wenig Wirkung. Daher sehen sie sich gezwungen, die zulässigen Dosen um ein Vielfaches zu überschreiten, was wiederum zur Zerstörung der Bodenzusammensetzung, zu Qualitätseinbußen bei den angebauten Produkten und zur Verschlechterung der Umwelt führt.

Wirtschaftliche Schwierigkeiten für Bauern

Amir Scharifow, 53, ist der Leiter der „Amir“-Farm des Bauernverbands namens Firdousi im Bezirk Masttschoh in Tadschikistan. Er hat mehr als dreißig Jahre seines Lebens der Landwirtschaft gewidmet. Auf einer Fläche von zwei Hektar baut er Erdnüsse an, dazu Mais und Weizen. Er erzählt wie früher auf dem Land Baumwolle angebaut wurde, ab den frühen 1960er Jahren, als es noch Kolchosen gab.

Nach Tadschikistans Unabhängigkeit im Jahre 1991, wurden mehrere landwirtschaftliche Reformen durchgeführt. Von diesem Moment an begann die Zeit der wirtschaftlichen Reformen. Vor allem wurden ab 1992 weite Ländereien, die zuvor dem Staat und öffentlichen Kolchosen gehörten, privatisiert. Zuletzt wurde 2012 das „Programm für die Agrarreform der Republik Tadschikistan für 2012-2020“ per Erlass verabschiedet, in dessen Rahmen mehr als hundert kleine Einzel- und Familienbauernbetriebe gegründet wurden.

Zusammen mit anderen Bauern aus der ehemaligen Kolchose erhielt die Familie von Scharifow drei Hektar Land. In den Anfangsjahren säten sie Baumwolle aus. Die Böden erwiesen sich als ausgelaugt. Außerdem war nicht genügend Wasser zur Bewässerung vorhanden. Daher erhielt die Familie Scharifow nicht einmal einen minimalen Ertrag aus der Aussaat von Baumwolle. In den folgenden Jahren beschlossen sie, andere Feldfrüchte anzubauen, darunter auch Erdnüsse.

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In ihrer Erdnussplantage erreichten die Keimlinge jedoch nicht einmal eine Handspanne und wurden welk. Verschiedene Arten von Schädlingen legten in den Wurzeln, Stämmen und Blättern ihre Nester an. Um sie zu zerstören, mussten die Landwirte teure importierte Chemikalien verwenden. Sie bereiteten eine Lösung nach den vorgegebenen Anweisungen vor. Das vorbereitete Präparat brachte ihnen jedoch nicht die gewünschte Wirkung.

Wir sind gezwungen, der Lösung eine zusätzliche Dosis hinzuzufügen. Auch eine Überdosierung in großen Mengen hat keine ausreichende Wirkung. Wir verlangten von den Verkäufern unser Geld zurück, diese beschuldigten uns aber der Inkompetenz und sagten, wir haben die Lösung nicht richtig eingesetzt. Als Folge dieser Verwirrungen entstanden uns große wirtschaftliche und finanzielle Verluste. Schließlich deckt die Ernte nicht einmal unsere Ausgaben für die Aussaat, ganz zu schweigen von Einnahmen“, beklagt Amir Scharifow.

Pestizide werden oft falsch angewandt

Laut dem Agragwissenschaftler und außerordentlichen Professor am Polytechnischen Institut der Technischen Universität in Duschanbe Todschiboi Bojmatow, wählen die Bauern oft die falschen Pestizide. Zum Beispiel werden Fungizide zur Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten verwendet. Die Landwirte behandeln die Pflanzen nicht rechtzeitig. Sie kennen weder die erlaubte Dosierung noch die Applikationsrate. Daher passen sich die Schädlinge an die Pestizide an und erwerben eine Immunität.

Andererseits gebe es aber auch Mangel bei der Qualität der Pestizide. Landwirte kaufen Präparate oft aus den Händen von Privatpersonen und Zwischenhändlern, die auf den lokalen Märkten des Landes verkaufen, da es in ländlichen Gebieten immer noch keine auf den Verkauf von Pestiziden spezialisierten Geschäfte gibt. Beim Kauf von Pestiziden achten Landwirte meist nicht auf das Verfallsdatum, wobei abgelaufene Pflanzenschutzmittel keine richtige Wirkung entfalten. Oft schauen Landwirte auf den Preis und die vorgesehene zubereitete Lösung, achten aber nicht auf die zulässige Dosierung für ein bestimmtes Gebiet, erklärt er.

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Maksut Otabekow, Agronom bei der öffentlichen Organisation Nexigol-Muschowir, ist überzeugt, dass es auf dem Markt für den Verkauf von Pestiziden verschiedene Arten von Unternehmern gibt, die rein finanzielle Interessen verfolgen. Viele von ihnen sind keine Spezialisten und können den Käufern keinen professionellen Rat bieten. Ihm zufolge sei es an der Zeit, Kurse für Verkäufer anzubieten, die auf die Lieferung und den Verkauf von Pflanzenschutzmitteln spezialisiert sind und beim Import eine strenge Qualitätskontrolle durchzuführen.   

Ein Käufer sollte beim Kauf von Waren deren Qualitätszertifikat und Garantiekarte anfordern. Es gibt auch Schmuggelwaren auf dem Markt, die zu relativ niedrigen Preisen verkauft werden. Die meisten von ihnen verfügen nicht über die entsprechenden Zertifikate. Deshalb sollte man von ihnen keine reiche Ernte erwarten“, erklärt Otabekow. „Ich arbeite zum Beispiel mit einer Firma zusammen, die Chemikalien für die Landwirtschaft liefert. Ich gebe dem Kunden ein Maximum an Informationen, und er ist mit den angebauten und geernteten Pflanzen zufrieden„. 

Ein Problem mit Geschichte

Zu Sowjetzeiten war Tadschikistan einer der führenden Produzenten des sogenannten „weißen Goldes“.  Mehr als 90 Prozent der bewässerten Flächen des Landes wurden für die Aussaat und den Anbau der Monokultur Baumwolle genutzt. Trotz der ausgelaugten Böden gab es keine Fruchtfolge, denn der Plan sollte unbedingt erfüllt werden. Deshalb wurden Jahr für Jahr die bestehenden Normen für den Einsatz von Pestiziden und Mineraldüngern erhöht. Im Jahr 1980 meldete Tadschikistan nach Moskau, es produziere und liefere mehr als eine Million Tonnen Rohbaumwolle.

Bis Anfang der 1990er Jahre wurden die Pestizide zentral über das Netz der Bezirks- und Provinzbüros des republikanischen Unternehmens „Tadschikselchoschimija“ geliefert. Die Palette der eingesetzten Pestizide umfasste chemische Präparate, die später als Persistente organische Schadstoffe bezeichnet wurden: Aldrin, Dieldrin, Heptachlor, Endrin, HCB, Toxaphen und DDT.

Laut einem Bericht der Stiftung zur Unterstützung bürgerlicher Initiativen wurden zwischen 1965 und 1990 jährlich zwischen sieben und 14 Tonnen dieser Chemikalien nach Tadschikistan geliefert. In den 1960ern waren noch bis zu 95 Prozent davon DDT. Obwohl der Einsatz von DDT in der Landwirtschaft 1970 durch das Gesundheitsministerium der UdSSR verboten wurde, wurde diese Entscheidung in der Praxis ignoriert. Es wurde bis in die frühen 2000er Jahre des einundzwanzigsten Jahrhunderts verwendet. Laut Berichten der tadschikischen Onlinezeitung Asia Plus gab es noch 2017 knapp 100 Deponien für chemische Abfälle aus der Landwirtschaft.

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Derzeit gibt es in Tadschikistan keine Industriebetriebe für die Produktion von Mineraldüngern und Pestiziden. Alle Pflanzenschutzmittel werden importiert. Der Import und die Qualität von Pestiziden werden formell von Überwachungs- und Kontrollorganisationen im Land kontrolliert.  

Negmatdschon Tadschibajew widmete mehr als vierzig Jahre seines Lebens dem Agrarsektor. Er arbeitete viele Jahre als leitender Mitarbeiter der staatlichen Abteilung für Pflanzenschutz und chemischen Schutz der Landwirtschaft im Gebiet Sughd. Im Gespräch erklärt er, dass sich diese staatliche Einrichtung hauptsächlich nur mit der Schädlingsbekämpfung in Baumwollfeldern beschäftigt. In großen Baumwollplantagen breiten sich häufig Schädlinge wie die Reblaus aus. Alle ihre Bemühungen sind auf ihre vollständige Ausrottung gerichtet. Jedoch ohne Erfolg: Die Insekten wandern oft auf andere Plantagen, auf denen andere Arten von Nutzpflanzen wie Erdnüsse, Mais, Kartoffeln usw. angebaut werden.

Alle Landwirte müssen diese Schädlinge parallel, gemeinsam und koordiniert bekämpfen. Auf diese Weise werden alle Maßnahmen zusammen einen positiven Effekt haben. Außerdem spielen rechtzeitiges Pflügen, Winter- und Frühjahrsbewässerung eine wichtige Rolle bei der Vernichtung oder Verhinderung der Verbreitung von Insekten„, so Tadschibajew. 

Auf natürliche Mittel setzen

Der erfahrene Agrarwissenschaftler Suchriddin Scharobiddinow sagte, dass der Einsatz von Chemikalien zur Erzeugung großer Ernten zulässig ist, wenn die Erde gesund ist. Jeder weiß, dass zu Sowjetzeiten das bewässerte Land stark mit Pestiziden vergiftet und die natürliche Mikroflora des Bodens zerstört wurde. Mineralstoffe wurden als Doping für ihre Aktivität verwendet. Die Bodenmikroflora hat dabei eine große Immunität gegen chemische Substanzen entwickelt. Folglich haben diese Chemikalien in kleinen Dosen keine richtige Wirkung mehr. Der weitere Einsatz von Pestiziden hat nicht nur schädliche Auswirkungen auf die Bodenzusammensetzung, sondern auch auf alle Lebewesen, einschließlich des Menschen.  Daher müssen die Landwirte des Landes auf andere Methoden setzen.

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Die Landwirte müssen die Verwendung von Mineraldüngern auslaufen lassen und auf eine Reihe von mikrobiologischen Düngemitteln umsteigen.  Es gibt keine andere Alternative! Dann erledigt sich die Frage nach der Qualität von Pestiziden von selbst!“, beteuert Scharobiddinow.  

Laut dem Agrarwissenschaftler Todschiboi Bojmatow sind natürliche Mittel zur Schädlingsbekämpfung auch im Hinblick der Kosten eine gute Lösung: „Bauern in Tadschikistan haben nur sehr begrenzte finanzielle und wirtschaftliche Möglichkeiten. Deshalb sollten sie günstigere Lösungen aus natürlichen Kräutern und Pflanzen wie Tomatengras, Zwiebel, Meerrettich, Durian und Asche verwenden“.   

Tadschikistan ist Mitglied der Welthandelsorganisation, deren Charta vorschreibt, dass alle Produkte den Weltstandards entsprechen und Qualitätszertifikate besitzen müssen. Im Falle der Entdeckung von übermäßigen Chemikalien in Produkten, sollte ihr Verkauf verboten und ihre Verbreitung unterbunden werden.  

Nicht zuletzt ist der übermäßige Einsatz von Pestiziden auch gefährlich für die Gesundheit der Bürger, in erster Linie derer, die in der Landwirtschaft arbeiten. Dies wird allmählich von Landwirten, die landwirtschaftliche Produkte anbauen, erkannt.

Bisher werden Pestizide oft auf der Straße und in schönen Verpackungen und Behältern angeboten. Ihre Namen sind amüsant und attraktiv: Alatar, BioKill, Purbio-Insektizid, Fitoverm, Fufaron, Nova, Green Belt, Kinmix, Dust Absolute.  Auf den Packungen steht „Made in Holland“, „Schweiz“, „Österreich“, „Kanada“. Aber so richtig glaubt kaum jemand daran. Viele verweisen auf ihre geringe Qualität und meinen, die Präparate kämen tatsächlich aus den Nachbarländern oder aus China.

Aziz Rustamow
für Novastan.org

Aus dem Russischen von Florian Coppenrath

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Kommentare (2)

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Gehring, 2021-07-13

Lieber Aziz, lieber Florian,
vielen Dank für den Artikel!
In dem Abschnitt „Laut einem Bericht der Stiftung …“ ist etwas durcheinandergekommen.

Viele Grüße
Lukas

Reply

Florian Coppenrath, 2021-07-13

Vielen Dank für den Kommentar! Ist korrigiert 🙂

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