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„Man hat uns übers Ohr gehauen“

In der Republik Kasachstan hat es am 11.Februar eine drastische Abwertung der Nationalwährung gegeben. Diese plötzliche Verarmung schürt das Misstrauen gegenüber der Regierung im kasachischen Volk. Besonders betroffen von der Abwertung sind Rentner und Studenten.

dominikv 

Platz der Republik Almaty

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Platz der Republik Almaty

In der Republik Kasachstan hat es am 11.Februar eine drastische Abwertung der Nationalwährung gegeben. Diese plötzliche Verarmung schürt das Misstrauen gegenüber der Regierung im kasachischen Volk. Besonders betroffen von der Abwertung sind Rentner und Studenten.

„Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten“ steht auf dem Zettel, der an dem rot-weißen Flatterband klebt, welches den Zugang zum Unabhängigkeits-Denkmal auf dem Platz der Republik in Almaty weiträumig versperrt. Passanten oder Angestellte, die in den Büros des anliegenden Gebäudes arbeiten, müssen die Absperrung umgehen. Es ist weit und breit kein Baufahrzeug oder ein Hinweis darauf zu erkennen, dass das Unabhängigkeitsdenkmal restauriert wird. Im Gegenteil: Die Absperrung ist übrig geblieben vom Wochenende. Sie sollte verhindern, dass Demonstranten, die auf die ihre Missbilligung gegenüber der Wirtschaftspolitik zum Ausdruck brachten, das Denkmal beschädigen. Der Platz der Republik wurde am 15. und 16. Februar zum Schauplatz von zwei Demonstrationen, bei denen einige Bürger Almatys ihre Verärgerung über die willkürliche und repressive Wirtschaftspolitik zum Ausdruck brachten.

Hintergrund sind das im Juli kommende Einfuhrverbot von Spitzenunterwäsche und die plötzliche Abwertung der Nationalwährung. Der Dollarkurs wurde von der Nationalbank von heute auf morgen von 155 Tenge auf 185 Tenge angehoben. Damit sind Studenten, Arbeitnehmer, Angestellte und Rentner, die ihr monatliches Gehalt in Tenge ausgezahlt bekommen, plötzlich ärmer geworden. Besonders hart getroffen hat es Lehrer, Verkäufer und einfache Angestellte. Sie verdienen ein durchschnittliches Gehalt von 30.000- 60.000 Tenge. Das waren vor dem „schwarzen Dienstag“ noch umgerechnet 195 bis 387 Dollar. Seit dem 11. Februar haben die Menschen plötzlich 20 Prozent weniger in der Tasche. Hinzu kommt die Verteuerung vieler Importwaren, aber auch einiger Milchprodukte, die in Kasachstan hergestellt werden.

Am Unabhängigkeitsdenkmal ist es still, seitdem am Sonntag die letzten Demonstranten verhaftet. Der Verkehr fließt im gewöhnlich, zähflüssigem Tempo über die anliegende Saptaew-Straße, Studenten gehen vorbei, auf dem Weg zur unmittelbar am Platz der Republik gelegenen Turau-Universität. Es scheint, als wäre nichts gewesen. Nur die grell rot leuchtenden Zahlen auf den Schildern der Wechselstuben erinnern eine Woche später an den „schwarzen Dienstag“. Sie zeigen die neue Valuta. Auch der Euro ist gestiegen: von 209 Tenge Anfang Januar auf 250 Tenge.

Diesen Umrechnungskurs zeigt auch eine Wechselstube in der Schewtschenko-Straße, in unmittelbarer Nähe der Abylai-Chana-Universität an. Dort studiert Diana Nurlanowa Philologie. Die 22-jährige Studentin lebt bei ihren Eltern und bekommt ein staatliches Stipendium, wie viele ihrer Kommilitonen. Das sind im Monat 15.000 Tenge, umgerechnet sind das nun ca. 81 Dollar. Im Januar hatte sie noch ca. 98 Dollar bekommen. Doch ob sie ihr Stipendium in diesem Monat noch ausgezahlt bekommt, ist unklar. „Heute habe ich erfahren, dass die Bank, mit der unsere Universität zusammenarbeitet, pleite ist. Nun wird es wohl Probleme geben, das Stipendium weiterhin zu bekommen“, erklärt Nurlanowa.

Dazu passen die Gerüchte über einen baldigen Bankrott der Kaspi-Bank, Alijanz-Bank und der Central Kreditbank, die alle drei Teilhaber des staatlichen Einlagensicherungsfonds sind. Bisher ist noch nicht ganz klar, ob diese Gerüchte stimmen. Obwohl der Chef der Nationalbank Karat diese Gerüchte Dementiert ist schon am Dienstag in einigen Bank-Filialen, in denen sich Schlangen voll besorgter Menschen bildeten, das Geld ausgegangen.

Vor der Abylai-Chana-Universität steht Diana zusammen mit ihrer Kommilitonin Marina. Beide gehen am abgesperrten Unbhängigkeitsdenkmal, das an die Dezember-Aufstände von 1986 erinnert, entlang. Hier und vor dem Palast der Republik fanden am Wochenende Proteste gegen die repressive Wirtschaftspolitik statt. Das gab es schon lange nicht mehr in Almaty. Dabei trauten sich die rund 200 Demonstranten am 15. und 16. Februar öffentlich zu zeigen, dass ihr Vertrauen in die Regierung gestört ist. Einige von ihnen wurden für 14 Tage eingesperrt, eine bekamen Geldstrafen. Diese Sanktionen täuschen allerdings nicht mehr darüber hinweg, dass die Tenge-Abwertung eine Vertrauenskrise in die kasachische Regierung ausgelöst hat.

„Ich finde, dass die Menschen ein Recht darauf haben, auf die Straße zu gehen und ihre Unzufriedenheit kund zu tun. Allerdings muss man auch sagen, dass die Kasachen ein sehr passives Volk sind, die vieles aushalten. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass bald vielmehr Menschen auf die Straße gehen, wenn das Vertrauen in die Regierung weiterhin fällt“, kommentiert Marina Utschernenko. Sie fühlt sich im Stich gelassen von der Regierung und ist wenig beeindruckt von den Ankündigungen in den Medien.

Dieses Bewusstsein scheint bei den Almatyner Bürgern im Vergleich stärker ausgeprägt zu sein als in anderen Städten. In Astana zum Beispiel fanden keine Demonstrationen statt. Dennoch kämpfen dort einige Menschen gegen den persönlichen Ruin, weiß Xenia Sutula. Sie ist freie Journalistin und lebt in der kasachischen Hauptstadt.

„Hier In Astana versuchen Rentner zum Beispiel etwas dazu zu verdienen. Sie verkaufen selbstgekochte marinierte Gurken, Tomaten, gebratene Sonnenblumenkernen und Brötchen. Den ganzen Tag sitzen sie einfach draußen auf der Straße, sogar bei Minustemperaturen. Dafür bekommen sie ein paar Groschen, für die sie Brot kaufen können.“

Zum ersten April sollen die Gehälter für Stipendiennehmer, Rentner und staatlich Angestellten steigen. Ob es Marina und Diana dann besser geht, wissen sie selber nicht. Sie wollen sich eigentlich um ihr Studium kümmern und sich nicht über solche Probleme den Kopf zerbrechen müssen, sagen sie. Nurlanowa fügt hinzu: „Es fällt mir schwer zu sagen, aber eigentlich ist es ja so: man hat uns übers Ohr gehauen“.

Dominik Vorhölter
ifa-Redakteur der Deutschen Allgemeinen Zeitung
Almaty

 

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