Anfang März 2018 hat der Verlag Oxford University Press Tadschikisch zu seinem Projekt Oxford Global Languages (OGL) hinzugefügt. Somit ist Tadschikisch die erste zentralasiatische Sprache dieses Projekts. Anlässlich dieses Ereignisses hat die Website The Open Asia untersucht, ob es möglich ist, in Tadschikistan die Landessprache zu lernen. Novastan übersetzt und veröffentlicht den Text mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Das erste englisch-tadschikische Online-Wörterbuch, welches Professor Abdusalom Mamadnazarow zusammenstellte, enthält 100.000 Wörter und Phrasen. Nun können sich diejenigen, die sich wünschen, diese melodische Sprache zu beherrschen, des praktischen Services bedienen.
Haben auch Russischsprechende, vor allem in Tadschikistan lebende, diese Möglichkeit? Ist es leicht, Tadschikisch in seinem Heimatland zu lernen, indem man jeden Tag unter Muttersprachlern verbringt?
The Open Asia hat sich mit dieser Frage befasst und kam zu folgendem Ergebnis: so paradox es auch ist, aber das Erlernen der tadschikischen Sprache in Tadschikistan ist schwer, teuer und ineffektiv.
Tadschikisch ist eine Amtssprache, jedoch keine Muttersprache
Tadschikisch hat den Status einer Amtssprache, während Russisch die Sprache interethnischer Kommunikation ist.
Die Gesetzte der Republik verlangen von allen BürgerInnen die Beherrschung des Tadschikischen. Die gesamte offizielle Korrespondenz muss ausschließlich in der Amtssprache geführt werden, so auch wissenschaftliche Forschung und Kulturveranstaltungen.
Dabei gibt es kaum Möglichkeiten zum Erwerb der tadschikischen Sprache.
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Besonders prekär ist die Lage für ethnische Minderheiten. Bekanntermaßen bestand für sie zu Zeiten der Sowjetunion keine Notwendigkeit für die Beherrschung des Tadschikischen. Nun stellt das Gesetz entsprechende Forderungen. Doch so einfach ist das nicht.
Irina Aleksandrowa, eine Einwohnerin von Duschanbe (Hauptstadt Tadschikistans), berichtete im Interview mit The Open Asia, dass sie wegen der Nichtbeherrschung der Amtssprache immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert werde. Aus diesem Grund habe sie mit ihrer Freundin, die ebenfalls in Duschanbe lebt, beschlossen, diese Sprache zu lernen. Allerdings habe sich herausgestellt, dass es mehr bedarf als nur den Wunsch.
„Zunächst einmal ist es unmöglich, Gruppenunterricht für Tadschikisch zu finden. Sprachlehrer sind teuer und es gibt Probleme mit den Lehrbüchern. So suchten wir einen ganzen Monat, bis wir uns von unserer Idee verabschiedeten. Für Englisch gibt es hingegen jede Menge Lehrbücher, teure und erschwingliche Sprachkurse – für jeden ist etwas dabei.“ erklärte Irina Aleksandrowa.
Der tadschikische Präsident Emomali Rachmon hat im Jahr 2010 zum Tag der Amtssprache konstatiert:
„Für das effektive Erlernen der Amtssprache und der Gewährleistung einer Einbeziehung aller unserer Nationen und Völker, die unser Land bevölkern, muss man Voraussetzungen schaffen, d. h. man muss Sprachkurse organisieren, Lernmaterialien, allgemeine sowie Fachwörterbücher und Sprachführer zur Verfügung stellen etc.“
Die Erklärung des Präsidenten hat das Problem aber nicht gelöst.
Die Sprache der Dichter
Mehrsprachig zu sein, ist großartig. Die Beherrschung von Fremdsprachen eröffnet viele Perspektiven für die berufliche Entwicklung wie auch für die kulturelle Bereicherung.
Das Tadschikische ist eine Sprache, in der Omar Chajjam (pers. Dichter, Mathematiker, Astronom, Philosoph), Firdousi (pers. Dichter und Epiker), Chafis Scherosi (pers. Dichter und Mystiker), schrieben. Das ist eine Tür zur Welt der klassischen Poesie.
Interessant ist zudem, dass die Mehrheit der Sprachen Zentralasiens – Kasachisch, Kirgisisch, Usbekisch, Turkmenisch – Turksprachen sind. Beherrscht man eine dieser Sprachen, kann man sich im Prinzip mit seinen Nachbarn verständigen.
Aber Tadschikisch – das ist Farsi, eine Varietät des Persischen, welches man in Afghanistan, Iran, Irak, Oman, Jemen, in den Vereinten Arabischen Emiraten und etwas in Bahrain spricht.
Laut Open Source Daten beträgt die Gesamtzahl der persischen MuttersprachlerInnen 60 Millionen auf der ganzen Welt, dabei gilt Tadschikisch (oder umgekehrt Persisch) für 53 Millionen als Zweitsprache.
Schule, Universität, Sprachkurse: Gelernt, aber wieder vergessen
In russischen, usbekischen, kirgisischen und englischen Schulen besteht das Bildungsministerium auf dem Erwerb der tadschikischen Sprache als Amtssprache im Umfang von zwei Schulstunden pro Woche. Und niemandem stört das Resultat: Die Kinder verlassen die Schule mit ausschließlich basalen Kenntnissen.
Warum ist der mehrjährige Unterricht in Schulen und Universitäten ineffizient? Eine klare offizielle Antwort gibt es nicht.
Gibt es denn Sprachkurse für Tadschikisch? Natürlich. Das Fremdsprachenzentrum der philologischen Fakultät an der staatlichen tadschikischen Universität bietet zum Beispiel einen solchen Kurs an. Der Sprachkurs dauert neun Monate und kostet 1300 US-Dollar. Dabei betrug in Tadschikistan das durchschnittliche Monatseinkommen im Januar 2018 125 US-Dollar.
Kommen Teilnehmende solcher Sprachkurse aus dem fernen Ausland, verpflichtet sich die Hochschule, ein Studentenvisum bereitzustellen. Kostenfreie, staatlich geförderte Sprachkurse existieren jedoch praktisch nicht. Die kostenpflichtigen sind rar.
Wie der Direktor Mechrubon Burchonow des Sprachzentrums „Kabir Group“ The Open Asia berichtet hat, gab es bei der Eröffnung des Zentrums die Idee, auch Tadschikisch zu unterrichten. Diese Idee war jedoch aus mangelnden InteressentInnen wieder verworfen worden.
Ein Lehrer und ein Selbstlehrbuch
Für eine gewisse Entspannung der Lage sorgen Sprachlehrer, die sieben US-Dollar pro Stunde oder 90 US-Dollar im Monat verlangen oder, die drei Mal im Monat für anderthalb Stunden unterrichten.
Hilfsmittel für das Erlernen der tadschikischen Sprache sind in der tadschikischen Republik rar und teuer. Auf Amazon kann man jedoch fündig werden. Dort werden beispielsweise Lehrbücher für Anfänger von Autoren wie Asim Bajsoew, Firus Dschumaew und Nasrullo Chodschaeri angeboten. Der Preis schwankt zwischen 10 und 100 US-Dollar.
Für Russischsprachige gibt es das „Lehrbuch für die tadschikische Sprache“ von M. Machadowa, welches noch im Jahr 1993 herausgegeben wurde.
Für Kinder gibt es Lehrbücher mit tadschikisch-russischer sowie mit tadschikisch-englischer Übersetzung.
Hilfe im Internet
Wie man sieht, gibt es in all dem keine Systematik. Diejenigen jedoch, die den unwiderstehlichen Wunsch haben, die Willensstärke und Geduld besitzen, können es schaffen, die tadschikische Sprache mithilfe von kostenlosen Programmen zu erlernen.
Es existiert eine Reihe von Apps für Android und iOS. Zum Beispiel russisch-tadschikische, tadschikisch-russisch-englische Übersetzter und Sprachführer. Aber auch das ist kein staatliches Projekt, sondern die Arbeit von einheimischen Freiwilligen.
Online Wörterbücher bieten Websites wie w2mem.com, sahifa.tj, odob.tj und Google translator an.
Die effizienteste Methode Tadschikisch zu lernen
Selbstverständlich ist die effizienteste Methode eine Sprache zu lernen, unter MuttersprachlerInnen zu leben. Man könnte meinen, Tadschikistan sei sprachlich ein ideal homogener Raum. Jedoch kann sich Duschanbe, so wie jede beliebige andere postsowjetische Hauptstadt, der Existenz einer tadschikischen Hochsprache und einer Bevölkerungsmehrheit, die sie spricht, nicht rühmen.
Sollte ein/e NichtmuttersprachlerIn sich bemühen, sein/ihr Tadschikisch auf den Straßen von Duschanbe, im Café oder in einer Apotheke zu üben, wird man ihm/ ihr auf Russisch oder auf gebrochenem Englisch antworten, um nicht zuzulassen, dass der Gast sich, nach den richtigen Vokabeln suchend, abmüht.
Aus diesem Grund bleibt wohl die einzig wirksame Methode, sich temporär in einem tadschikischen Dorf niederzulassen und in ein authentisches Umfeld einzutauchen. Dort gibt es nicht nur frische Luft und schöne Natur, sondern auch eine Sprachbarriere. Daher wird früher oder später entweder der/die Lernende das Tadschikische beherrschen oder – vice versa.
Im russischen Original auf The Open Asia
Aus dem Russischen von Vera Steschin
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Goertz, 2018-04-20
Hallo, ein kleiner Hinweis: Der o.a. Linkhinweis „Pamirsprachen vom Aussterben bedroht“ führt auf die falsche Seite, nämlich dem Artikel über politische Gefangene.
Viele Grüße
Susanne
Reply
Florian Coppenrath, 2018-04-20
Liebe Susanne,
Vielen Dank für den Hinweis! Ist jetzt korrigiert.
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webmage, 2021-05-29
Inszwischen gibt es auch von Barno Aripova einen Lehrbuch für Tadschikisch (A1 bis B2), die ich sehr gut finde, weil es Vokabular, Beispieltext, Audio, Aussprache, … ziemlich alles sehr kompakt abdeckt. Allerdings sind die Erklärungen der Grammatik nicht sehr ausführlich (z.B. Wortreihenfolge wird nicht abgedeckt, es ist davon auszugehen dass man dies aufgrund der Beispieltext lernt) und es sind keine Lösungen enthalten, und manchmal gibt es Wörter ohne Übersetzung, also vermutlich ist es eher für einem Kurseinsatz oder für jemand der bereits etwas Vorkenntnisse hat geeignet.
Ich muss gestehen bereits Vorkenntnisse (zirka B2) in beide Persisch (Farsi) sowohl auch Russisch hatte als ich mit Tadschikisch angefangen habe auseinanderzusetzen. Das Spracherwerb fiel aufgrund der Vorkenntnisse sehr leicht an — mündliche Gespräche mit Einheimischen könnte ich im Amtssprache auf anhieb mit wenig Schwierigkeiten führen. Allerdings hilft das Amtssprache nur bedingt, da den Alltag wird im Dialekt gesprochen, und den Dialekt hört sich ganz anders an als das Amtssprache! Falls jemand Tadschikisch lernen möchte, kann ich dieser Weg (erst Farsi und Russisch, da beide viele und gute Unterrichtsmaterialen haben und anschließend dann Tadschikisch) kann ich sehr empfehlen. Falls es die Möglichkeit gibt, Dari anstatt Farsi zu lernen, wäre dies noch besser geeignet, denn die Aussprache in Persisch (Dari) ist viel ähnlicher zu Tadschikisch als Persisch (Farsi).
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