Mit ihrem Buch „Kazakhstan, chroniques vagabondes“ (auf deutsch: Kasachstan, Wanderchroniken) gelingt es Aude Ceccarelli, einen Einblick in den Alltag Kasachstans zu geben. Zwischen kulturellen Beobachtungen und etwas augenzwinkernden Beschreibungen des Landes gibt das Buch ein überraschendes Bild des größten Landes Zentralasiens wieder. Novastan.org hat Aude Ceccarelli in Paris getroffen, um mehr darüber zu erfahren.
Etwas dazu beitragen, Kasachstan bekannter zu machen, das war eines der Ziele Aude Ceccarellis, als sie „Kazakhstan, chroniques vagabondes“ schrieb. Das Buch, das vergangenen April bei éditions Olizane erschien, stellt das Land von A bis Z in 26 Kurzgeschichten vor. Während das Buch zahlreiche persönliche Anekdoten aufgreift, die gleichzeitig gut dokumentiert sind, ermöglicht es dem Leser, ein noch weitgehend fremdes Land kennenzulernen.
Nachdem Ceccarelli nach Almaty, der wirtschaftlichen Hauptstadt Kasachstans, ausgewandert war, arbeitete sie von 2012 bis 2015 in der Geschäftsstelle eines französischen Unternehmens. Indem sie viel las, begann sie, ihre eigene Vorbehalte gegenüber dem Land, zu reflektieren. Die Betonfassaden dort und der raue Umgangston in Almaty setzten ihr viele Monate lang zu. Schließlich wagte sie den Schritt, die kasachische Kultur näher kennenzulernen.
Ihre Arbeit gab Aude Ceccarelli die Gelegenheit, durch das Land zu reisen. Ihre Eindrücke gibt sie wieder, ohne in Klischees zu verfallen. Drei Monate Schreibarbeit und einige weitere Monate für Korrekturen waren nötig, um „Kazakhstan, chroniques vagabondes“ herauszubringen; viel Zeit floss dabei in genaue Recherchen zur Ökonomie und Geografie des Landes. Mit schnellem Tempo und guter Lesbarkeit entführt uns das Buch in alle Winkel des Landes, macht seine Kultur spürbar.
Im Interview mit Novastan.org spricht sie über ihre Erfahrungen.
Novastan.org: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, dieses Buch zu schreiben?
Aude Ceccarelli: Bevor mich die Arbeit nach Kasachstan geführt hat, habe ich Bücher über das Land gesucht und fast nichts gefunden, außer ein paar Reiseführern. Es gab nichts außer einigen, wenigen auffindbaren Quellen über ein so großes Land, von dem ich selbst kaum etwas wusste… Ich wollte diese Leere füllen, indem ich selbst einen eher „witzigen“ Blick darauf werfe, allerdings unter bestimmten Gesichtspunkten (Gesellschaft, Geschichte, Kultur), über die es nur wenige Informationen gibt.
Ihr Buch zielt mit viel Treffsicherheit auf eine Beschreibung des Alltagslebens in Kasachstan ab. Wie nehmen Sie die Klischees über das Land wahr, die hier und da verbreitet sind?
Klischees dienen dazu, ein Fünkchen Wahrheit zu zeigen. Kasachstan ist trotz seiner Größe ein „unsichtbares“ Land. Ein unbekanntes Land, das man nicht einmal genau auf der Weltkarte einordnen kann und schließlich kommt man ein bisschen mit seinem Erscheinungsbild durcheinander. Ich wollte den Reichtum und die Vielfalt Kasachstans durch kleine Anekdoten und kurzweilige Geschichten zeigen. Um nicht zu langweilen, sondern – im Gegenteil – Interesse zu wecken, vielleicht sogar Emotionen anzusprechen, auch in den tragischen Passagen über die Geschichte des Landes.
Mein Buch versucht nicht, mit Klischees aufzuräumen, sondern vielmehr sie zu erklären, ohne sich dabei zu ernst zu nehmen. Es ist weder ein Text mit wissenschaftlichen Ambitionen, noch ein Reiseführer. Es ist ein Bericht über das, was mich bewegt hat und was ich erlebt habe.
Gleichzeitig beschreiben Sie dort Abende mit anderen Ausgewanderten, bei denen man letztlich wenig Austausch mit den Kasachen hat…
Ich wollte einen Blick auf die Welt der Auswanderer werfen und zeigen, wie es sich anfühlt, wenn man fern von der Heimat und etwas überfordert mit einem Land ist, das man gar nicht kennt und dessen Sprache man nicht spricht. Also ja, die ersten Informationsquellen waren abendlichen Cocktailrunden.
Das sind Dinge, die nicht nur für Kasachstan typisch sind. Man bekommt die volle Ladung einer Kultur, über die man gar nichts weiß. Ich habe in Indien gelebt und man findet eine Menge Dinge über Indien heraus, dank der indischen Autoren. Über Kasachstan findet man nur ganz, ganz wenige Informationen – und noch viel weniger von französischsprachigen Autoren.
Wie ist Ihr Eindruck von Kasachstan heute, zwei Jahre nach Ihrer Rückkehr nach Frankreich?
Bei meiner Rückkehr nach Paris, als ich von mir behaupten konnte, in Kasachstan gelebt und gearbeitet zu haben, schauten mich Viele mit Erstaunen oder Bewunderung ant: Ach wirklich? Aber wie ist es dort? Die Leute hatten keine Vorstellung davon (außer durch den Film Borat…), wie das Leben, die Kultur, die Traditionen in diesem Land sein könnten.
Viele taten so, als käme ich vom Mond zurück. Immer haben sie Kasachstan mit Usbekistan verwechselt. Sie wussten nicht genau, wo es liegt, wohl aber, dass es ein bisschen sowjetisch war. Insgesamt wussten sie einfach nicht viel. Dieses Land erregt gleichzeitig Angst und Neugier.
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Ich denke, trotz der Ausrichtung der EXPO hat sich diese Wahrnehmung nicht verändert. Ich dachte, die EXPO wird den Blick der Menschen wandeln und dass diese Vision des modernen Astana, die man überall sehen kann, diesen Eindruck ändern wird. Doch im Grunde genommen sehe ich zurzeit nichts von alledem.
Wenn man Ihr Buch liest, hat man das Gefühl, dass Sie von einer Situation ausgehen, in der Ihnen das Land feindlich vorkommt, doch dann machen Sie sich mit ihm vertraut. Hat sich denn Ihr Blick verändert?
Mein Blick auf dieses Land hat sich verändert, weil es fast ein vertrautes Land geworden ist. Die Sprache, die Kultur, die Traditionen haben eine bestimmte Bedeutung bekommen. Eines der aus dem Alltag hervorstechenden Ereignisse in Kasachstan war für mich der internationale Tag der Frau. Da werden nicht nur Mimosen oder gelbe Blumen auf der Straße überreicht, es ist eine Tradition in allen sowjetischen Ländern und das ist schon ziemlich bewegend. All diese Gedenktage, die man feiert, waren für mich immer „von der anderen Seite der Mauer“, sie haben eine andere Bedeutung als die unsrigen.
Nun bin ich um eine neue Kultur bereichert, um eine neue Sprache, da ich ein kleines bisschen Russisch spreche. Ich kenne dieses Land von innen, seinen völlig verblüffenden kulturellen Mix, der noch nicht asiatisch, sondern vielmehr russisch ist. Es ist ein Land, in dem ich bedeutende Dinge mit meiner Familie erlebt habe und das mir vertraut geworden ist: Es ist das Land, in dem meine Kinder eine schöne Episode ihrer Kindheit erlebt haben.
Glauben Sie, dass der Blick von außen auf Kasachstan heute im Wandel ist?
Ich denke nicht, dass sich der Blick ändert, außer vielleicht in sehr spezifischen Bereichen wie etwa dem Ölhandel, dem Bankwesen, der Investmentbranche und dem Urbanismus. Eben überall dort, wo viel Geld auf dem Spiel steht. Heute sehe ich keine besondere Anziehungskraft auf Touristen, die von Kasachstan ausgeht. Das Interesse verfliegt so schnell wieder, weil es wenige Bilder oder Darstellungen gibt, die bei den Menschen hängen bleiben, leider. Ich wollte das Land bekannter machen – auf meine Art und Weise.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Etienne Combier, Mitbegründer von Novastan.org
Aus dem Französischen von Elisabeth Rudolph
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