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Migration, Wirtschaft, Z5+1 – Bundeskanzler Scholz in Zentralasien

Bundeskanzler Olaf Scholz ist vom 15. bis zum 17. September nach Usbekistan und Kasachstan gereist. Auf dem Programm standen neben bilateralen Gesprächen auch ein Wirtschaftsforum sowie ein Treffen mit den Präsidenten der fünf zentralasiatischen Länder im Format „Z5+1“.

Robin Roth 

Shavkat Mirziyoyev und Olaf Scholz auf dem Registon in Samarkand, Photo: Bundesregierung/Marvin Ibo Güngör

Bundeskanzler Olaf Scholz ist vom 15. bis zum 17. September nach Usbekistan und Kasachstan gereist. Auf dem Programm standen neben bilateralen Gesprächen auch ein Wirtschaftsforum sowie ein Treffen mit den Präsidenten der fünf zentralasiatischen Länder im Format „Z5+1“.

Die Reise war lange erwartet worden. Erstmals seit acht Jahren ist wieder ein deutscher Bundeskanzler nach Zentralasien gereist. Am 15. September wurde Olaf Scholz von Usbekistans Präsident Shavkat Mirziyoyev in Samarkand empfangen. Nach einem Besuch des berühmten Registon trafen sich die beiden Regierungschefs zu bilateralen Gesprächen.

Migrationsabkommen mit Usbekistan

Ein für die deutsche Seite besonders wichtiges Ergebnis der Usbekistan-Reise war die Unterzeichnung eines Migrationsabkommens. Dieses ermöglicht die Zuwanderung usbekischer Fachkräfte, die in Deutschland dringend benötigt werden. Andererseits regelt das Abkommen, dass abgelehnte Asylsuchende unbürokratisch nach Usbekistan zurückkehren. Wie RND aber hervorhebt, ist deren Zahl gering: Gerade einmal 60 Anträge und rund 30 Ablehnungen seien es in diesem Jahr bis August gewesen.

Nicht von diesem Abkommen betroffen sind abgelehnte Asylsuchende aus Afghanistan. Im Juni war berichtet worden, dass die Bundesregierung mit Usbekistan darüber verhandelt, afghanische Asylsuchende über das zentralasiatische Land abzuschieben. Von einem Journalisten im Rahmen des Pressestatements danach befragt, hielt der Kanzler sich bedeckt. „Ansonsten gibt es natürlich vertrauliche Gespräche über Kooperationen in vielen Bereichen“, so Scholz.

Die usbekische Seite stellte vor allem wirtschaftliche Aspekte in den Vordergrund. Vereinbarungen und Verträgen auf der Ebene führender Unternehmen aus Usbekistan und Deutschland seien in Bereichen wie grüner Energie, chemischer Industrie und Maschinenbau abgeschlossen worden. „Wir betrachten dies [den Besuch des Bundeskanzlers, Anm. d. Red.] als Bestätigung Ihrer besonderen Aufmerksamkeit für die Weiterentwicklung der vielfältigen usbekisch-deutschen Beziehungen und Ihrer Unterstützung für unumkehrbare Reformen im Neuen Usbekistan, erklärte Präsident Mirziyoyev.

Wirtschaftliche Partnerschaft mit Kasachstan

Am 16. September reiste die deutsche Delegation weiter in Kasachstans Hauptstadt Astana. Mit dem Präsidenten Qasym-Jomart Toqaev sprach Scholz über Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Auch eine Gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit wurde verabschiedet.

Der Fokus der Gespräche lag aber auf wirtschaftlichen Themen. Besonderes Augenmerk wurde dabei laut Pressedienst des kasachstanischen Präsidenten auf die Zusammenarbeit in den Bereichen Energie und grüne Wende, Industrie, Bergbau, Transport und Logistik, Klimawandel, Ökologie, Landwirtschaft und Bildung gelegt.

Olaf Scholz und Qasym-Jomart Toqaev im Gespräch, Photo: Akorda.kz

Auch die Versorgung Deutschlands mit Rohöl war Thema, insbesondere für die PCK-Raffinerie in Schwedt. „Es geht um die Möglichkeit, Rohstoffe zu nutzen, um Ölversorgung für Deutschland, insbesondere für Schwedt; es geht um Perspektiven für die weitere Zukunft, was den Ausbau von erneuerbaren Energien und die Möglichkeiten des Einstiegs in Wasserstoffwirtschaft betrifft; es geht immer wieder um Logistikfragen und darum, wie wir Infrastrukturen weiter ertüchtigen können, sodass sich die wirtschaftlichen Beziehungen mit dieser Region weiter und besser entwickeln können; und natürlich geht es immer auch um ganz konkrete Investments deutscher Firmen“, erklärte Bundeskanzler Scholz. Eine neue Vereinbarung hierzu wurde aber nicht geschlossen, wie aus einer von Informburo.kz veröffentlichen Liste der verabschiedeten Dokumente hervorgeht.

Wie die offizielle kasachstanische Nachrichtenagentur Kazinform berichtet, hob Präsident Toqaev im Rahmen eines Deutsch-Kasachstanischen Wirtschaftsforums hervor, dass der bilaterale Handel im vergangenen Jahr um 41 Prozent gestiegen sei und sich auf 3,9 Milliarden US-Dollar beliefe. Auch die deutschen Direktinvestitionen hätten einen deutlichen Anstieg um 64 Prozent und einen Rekordwert von 770 Millionen US-Dollar erreicht.

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„Die Gewinnung und Verarbeitung natürlicher Ressourcen erfolgt nach der pragmatischen Formel „Investition und Technologie im Austausch gegen kritische Rohstoffe“. Unsere Mineralressourcenbasis umfasst mehr als fünftausend unentdeckte Vorkommen, die auf Billionen Dollar geschätzt werden. Heute produzieren wir 19 der 34 Seltenerdmaterialien, die für die EU-Wirtschaft von entscheidender Bedeutung sind. Im Rahmen dieser Bemühungen gründen die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) und kasachische Partner ein Konsortium zum Handel mit kritischen Rohstoffen. Wir freuen uns auf die zügige praktische Umsetzung dieser Initiative“, sagte der Präsident.

Laut Toqaev sei Kasachstan aufgrund seiner strategischen Lage ein wichtiges intraregionales Zentrum für Handel und Logistik in Eurasien. Er schlug vor, den Mittleren Korridor mit dem Transeuropäischen Verkehrsnetz und der EU-Global-Gateway-Initiative zu verbinden, um das wachsende Handelsvolumen zwischen Ost und West zu unterstützen.

Z5+1 in Neuauflage

Den Abschluss der Zentralasien-Reise des Bundeskanzlers bildete am 17. September ein Treffen mit den Präsidenten aller fünf zentralasiatischen Staaten in Astana – im sogenannten Z5+1-Format. Dieses war erstmals im September letzten Jahres in Berlin ins Leben gerufen worden, um die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Zentralasien zu vertiefen.

„Heute bin ich mit den zentralasiatischen Staatschefs zusammengekommen. Wir haben über die gesamte Bandbreite unserer Beziehungen zwischen Deutschland, Europa und der Region gesprochen, die von wachsender Bedeutung auch für die Diversifizierung unserer wirtschaftlichen und politischen Beziehungen ist und die uns viele Möglichkeiten bietet, die auch für die Zukunft unseres eigenen Landes wichtig sind“, erklärte Olaf Scholz im Anschluss an das Treffen.

Die Teilnehmer des Z5+1-Treffens in Astana, Photo: Akorda.kz

Der Bundeskanzler hob hevor, dass dazu „auch die Bewertung der schwierigen Situationen in der Nachbarschaft, was zum Beispiel Afghanistan betrifft, und die Diskussion über die Fragen, die sich nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine stellen“, gehören.

Usbekistans Präsident Mirziyoyev stellte im Rahmen des Treffens eine Reihe neuer Initiativen für die Zusammenarbeit vor. Er forderte Deutschland auf, dabei zu helfen, europäische Institutionen für die Entwicklung alternativer Verkehrskorridore zwischen Zentralasien und Europa zu gewinnen. „Das größte Hindernis für die Vertiefung unserer Partnerschaft ist die schlechte Entwicklung der Verkehrsverbindungen, einschließlich des Land- und Luftverkehrs“, betonte Mirziyoyev nach Angaben von Fergana News.

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Im Vorfeld des Gipfels war Scholz mit Kirgistans Präsidenten Sadyr Dschaparow, dem turkmenischen Präsidenten Serdar Berdimuhamedow und dem Präsidenten Tadschikistans, Emomali Rahmon, zu bilateralen Gesprächen zusammengekommen. Wie Asia-Plus berichtet, schlug Rahmon Deutschland vor, sich am Bau des Rogun-Staudamms zu beteiligen. Darüber hinaus sprach er Scholz eine Einladung nach Tadschikistan aus.

Eine Region mit wachsender Bedeutung

Die Zentralasien-Reise des Bundeskanzlers reiht sich ein in eine Liste hochrangiger Staatsbesuche aus Europa und zeugt somit von der wachsenden Bedeutung der Region Zentralasien. Sicherheitspolitische Bedenken im Zusammenhang mit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan und die Suche nach neuen Wirtschaftspartnern und Handelsrouten infolge von Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine haben die Länder der Region verstärkt in den Fokus gerückt. Hinzu kommt innenpolitischer Druck in Bezug auf Abschiebungen nach Afghanistan, der die Bundesregierung nach verlässlichen Partnern in Zentralasien suchen lässt.

Die zentralasiatischen Länder wissen dieses neue Augenmerk zu nutzen. Wie Carnegie Politika hervorhebt, bricht der Handel zwischen Zentralasien und der Europäischen Union Rekorde: Im Jahr 2022 wuchs er um 59 Prozent, im Jahr 2023 um weitere 11 Prozent. Allein nach Deutschland lieferte Kasachstan im vergangenen Jahr 8,5 Millionen Tonnen Öl und avancierte so zum drittwichtigsten Öllieferanten hinter Norwegen und den USA.

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Dennoch bleibe Deutschland hinter seinen Möglichkeiten zurück und sorge so für Enttäuschung, meinen Experten. „Mein Eindruck ist, dass hier sehr viel Symbolpolitik betrieben wird, und ehrlich gesagt, sehe ich eher eine Frustration in den zentralasiatischen Ländern, die hohe Erwartungen an die Zusammenarbeit mit Deutschland hatten“, erklärte Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gegenüber der Deutschen Welle.

Trotz allem verdeutlichen das Format Z5+1 sowie die Zunahme bilateraler offizieller Besuche in den letzten Jahren eine wachsende Bedeutung der Region. Dies spiegelt sich auch im Themen-Setting wider, das sicherheitspolitisch geleitet ist und nun verstärkt die Gemeinsamkeiten betont.

Fragen der Freiheiten und Menschenrechte, die bei vorangegangenen offiziellen Besuchen aus Deutschland in den Fokus gestellt wurden, kamen während dieser Reise nicht prominent zur Sprache. Dennoch konnte Kanzler Scholz sich nicht eine kleine Spitze in diese Richtung verkneifen. Als er nach dem Gespräch mit Qasym-Jomart Toqaev allein vor die Presse trat und hierzu befragt wurde, antwortete er: „Ich jedenfalls wünsche mir, dass es gute Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten in aller Welt gibt. Deshalb stehe ich hier auch für Sie zur Verfügung, um dazu einen kleinen Beitrag zu leisten.“

Robin Roth für Novastan

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