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Zwischen Klimakatastrophe und Nepotismus – der Bruch des Sardoba-Damms in Usbekistan

Der Bruch des Sardoba-Staudamms in der Region Sirdaryo in Usbekistan hat dazu geführt, dass mehr als 100.000 Menschen sowohl im Land selbst als auch im benachbarten Kasachstan evakuiert werden mussten und Tausende Hektar Ackerland überflutet wurden. Die Katastrophe ist einerseits auf heftige Regenfälle in der Region zurückzuführen, andererseits aber auch auf bauliche Mängel am Staudamm. Eine strafrechtliche Untersuchung ist bereits im Gange, und auch der Verdacht der Vetternwirtschaft und Korruption steht im Raum.

Die Redaktion 

Übersetzt von: Robin Roth

Der Bruch des Sardoba-Staudamms in der Region Sirdaryo in Usbekistan hat dazu geführt, dass mehr als 100.000 Menschen sowohl im Land selbst als auch im benachbarten Kasachstan evakuiert werden mussten und Tausende Hektar Ackerland überflutet wurden. Die Katastrophe ist einerseits auf heftige Regenfälle in der Region zurückzuführen, andererseits aber auch auf bauliche Mängel am Staudamm. Eine strafrechtliche Untersuchung ist bereits im Gange, und auch der Verdacht der Vetternwirtschaft und Korruption steht im Raum.

Am 1. Mai ist der Damm des Sardoba-Wasserreservoirs, der erst 2017 in Betrieb genommen wurde, aufgrund einer Schwachstelle gebrochen. An einem aus Erde gefertigten Abschnitt konnte der Damm der Last der Wassermassen, die bei heftigen Gewittern in der Region Sirdaryo im Osten des Landes niedergegangen waren, nicht standhalten. Bis zum 3. Mai wurden nach Angaben der örtlichen Behörden mehr als 70.000 Menschen evakuiert, weil ihre Dörfer unter Wasser stehen, berichtet das usbekische Nachrichtenportal Gazeta.uz. Im benachbarten Kasachstan wurden laut dem kasachstanischen Online-Medium Vlast.kz mehr als 31.000 Menschen aus denselben Gründen evakuiert.

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Nach Angaben der usbekischen und kasachstanischen Behörden sind infolge der Katastrophe keine Menschen ums Leben gekommen. Auf usbekischer Seite wurden fast 60 Menschen verletzt, aber ihr Leben sei nicht in Gefahr, schreibt Gazeta.uz unter Berufung auf die lokalen Behörden. Zwei Soldaten der Nationalgarde wurde bei Rettungsaktionen von einem Wasserstrom erfasst; einer ist dabei umgekommen, der zweite wird noch gesucht, laut Gazeta.uz. Allerdings könnte das Ausmaß der materiellen Schäden, die sich über beide Länder verteilen, erheblich sein. So haben die Menschen nicht nur ihr Zuhause, sondern auch ihre Einnahmequelle verloren, da die Ernten weiträumig zerstört wurden.

Kollateralschaden der Klimaerwärmung…

Laut einer Mitteilung der usbekischen Präsidialverwaltung ist die Katastrophe auf „starke Regenfälle und Stürme in der Region“ zurückzuführen. Auch die Region Buchara in Usbekistan und das Gebiet Lebap in Turkmenistan waren am 27.und 28. April von Orkanen betroffen, welche erhebliche Schäden verursachten. Die Ortschaft Zomin, die in der mit Sirdaryo benachbarten Region Jizzax liegt, wurde laut Gazeta.uz ebenfalls von starken Regenfällen getroffen, durch die zwei Kinder starben. Auch im benachbarten Kirgistan gab es Windhosen, die laut dem kirgisischen Nachrichtenportal Turmush zu  erheblichen Schäden im Gebiet Batken führten.

Diese extremen Wetterereignisse erfolgen zu einer Zeit, in der Eurasien seinen bisher wärmsten Winter seit der Mitte des 19. Jahrhunderts erlebt hat, wie eine vom Copernicus Climate Change Service veröffentlichte Karte zeigt. In Europa war der vergangene Winter im Durchschnitt um 1,4°C wärmer als der vorhergehende Rekord.

Abdugani Sanguinov, Direktor von UzbekHydroEnergo, mit Präsident Mirziyoyev bei der Einweihung des Dammes und nach seinem Bruch
Abdugani Sanguinov, Direktor von UzbekHydroEnergo, mit Präsident Mirziyoyev bei der Einweihung des Dammes und nach seinem Bruch

…oder ein Fall für die Gerichte?

Obwohl die Katastrophe von Sardoba eine Folge der globalen Erwärmung und damit einhergehender extremer Wetterereignisse in der Region sein könnte, sprechen die usbekischen Behörden dennoch von einer „technischen“ Katastrophe, da der Sardoba-Staudamm erst 2017 in Betrieb genommen worden war und offenbar Sicherheitsstandards nicht erfüllte. Nach Angaben von Gazeta.uz hat Usbekistans Generalstaatsanwaltschaft ein Strafverfahren wegen „Verletzung der Sicherheitsvorschriften für Bergbauarbeiten, Bauarbeiten oder explosionsgefährdete Arbeiten“ eingeleitet.

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Der usbekische Blogger Umid Gafurov, der die Facebook-Seite Troll.uz betreibt, wies in einem Beitrag auf eine beunruhigende Tatsache hin. Ihm zufolge soll Abdugani Sanguinov, Direktor von Uzbekhydroenergo (ehemals Uzsuvenergo) und 2017 für den Bau des Staudamms von Sardoba verantwortlich, einem von seinem Sohn geführten Unternehmen den Zuschlag für den Bau des Staudamms von Sardoba sowie vieler anderer Staudämme gegeben haben. „Natürlich beschuldige ich niemanden, für diese konkrete Situation verantwortlich zu sein. Sicherlich gibt es eine Reihe von anderen Personen/Faktoren. Es scheint mir aber dennoch gelinde gesagt ,seltsam´“, schreibt der Blogger. All dies wirft ein schlechtes Licht auf die Qualität wichtiger und sensibler infrastruktureller Bauprojekte in den letzten Jahren und verweist auf die kaum verborgenen Praktiken der Vetternwirtschaft im Land.

Die Redaktion von Novastan France

Aus dem Französischen von Robin Roth

Edit (5.5.20, 5:45 MEZ) : Die Angabe zu zwei Nationalgardisten, die bei der Rettungsaktion vom Wasserstrom erfasst wurden, wurde hinzugefügt.

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