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Opposition in Usbekistan: Sein oder nicht sein?

Die Opposition ist im heutigen Usbekistan ein besonders faszinierendes Thema. Dafür gibt es viele Erklärungen. Folgende Kolumne von Kamoliddin Rabbimov erschien am 25. Februar 2020 im russischen Original bei Anhor.uz, wir übersetzen sie mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Peggy Lohse 

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Usbekistan vefügt bis heute über keine richtige Opposition (Illustration)

Die Opposition ist im heutigen Usbekistan ein besonders faszinierendes Thema. Dafür gibt es viele Erklärungen. Folgende Kolumne von Kamoliddin Rabbimov erschien am 25. Februar 2020 im russischen Original bei Anhor.uz, wir übersetzen sie mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Erstens: Usbekistan hat eine lange Periode des strengen Autoritarismus überstanden, in der die Opposition als Quelle sozialer und politischer Destabilisierung galt, als Bedrohung für Frieden und Ordnung, als Institut und Phänomen, mit ausschließlich negativen Folgen. Dies waren Verständnis und Auslegung der ersten Regierung. Zu ihrer Ausbildung trugen zahlreiche Faktoren bei, unter anderem die unreife politische Kultur aller beteiligten Seiten. Auch die der Opposition in der ersten Hälfte der 90er Jahre selbst.

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Zweitens: Im vergangenen Vierteljahrhundert hat sich in Usbekistan ein System der politischen und sozialen Überzeugungen herausgebildet, das der Opposition als solche misstrauisch und negativ gegenüber steht. Auch nach dem  Machtwechsel an der Staatsspitze ist dieses Meinungsbild weiter vorherrschend, besonders im Bewusstsein der staatlichen Eliten. Für sie ist eine Opposition in Usbekistan weiterhin nicht gewollt, da sie unter Bedingungen brennender sozialökonomischer Probleme die Situation „aufwiegeln“ und der nationalen Sicherheit schaden könnte.

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 Dennoch nimmt die Angst im gesellschaftlichen Bewusstsein der Bevölkerung Usbekistans in den letzten drei Jahren tendenziell ab. Die neue Regierung unternimmt reale Schritte, um das internationale Image des Landes zu verbessern. Sie will zugunsten des nationalen Wachstums große Investitionen, neue Ideen, Technologien, Fachkräfte und den Tourismus anziehen.

Vor diesem Hintergrund stellt nun selbstverständlich auch ein Teil der Gesellschaft Usbekistans die Frage nach der Notwendigkeit einer Opposition: Ist es nicht an der Zeit, sich von der alten Politik loszusagen und es den Leuten zu erlauben, eigene gesellschaftliche Organisationen zu gründen, darunter auch politische Parteien? Wenn sich die politische Partei dann nicht mehr an der Regierung, sondern an der Gesellschaft orientiert, dann ist diese Partei oder politische Kraft schon in der Opposition.

Wo keine Opposition ist, gibt es keinen Rechtsstaat

Hier muss nun kurz erläutert werden, warum die Welt Staaten nicht vertraut, in denen es keine echte Opposition gibt. Das Fehlen einer realen und registrierten Opposition bedeutet aus Sicht der politischen Freiheit nur eines: Hier wird die Hauptforderung von Freiheit und Demokratie – die Freiheit des Denkens und der Meinungsäußerung – nicht erfüllt. Menschen sind ihrer Natur nach verschieden. Die Vielfalt im Denken und in ihren Interessen spiegelt sich unter freiheitlichen Bedingungen auch in der Zahl und im Charakter ihrer freien Verbände wieder, darunter eben auch in politischen Parteien. Wo es keine solchen echten und freien oppositionellen Verbünde gibt, sind die Staaten in ihrem Kern autoritär und nicht rechtsstaatlich. Sie müssen sich systematischer Gewalt bedienen, damit die Menschen auf ihr Recht verzichten, nach eigenem Belieben politische Vereinigungen zu gründen.

Zu Zeiten der ersten Regierung (nach dem Zerfall der Sowjetunion – Anm. d. Red.) war eine solche Situation noch durchaus verständlich. Denn in der Wertehierarchie standen damals Sicherheit und Stabilität weit vor Freiheit, Recht und Entwicklung. Nun aber, unter den neuen Bedingungen, taucht die Frage nach der Opposition immer häufiger auf der Tagesordnung der gesellschaftlichen Diskurse auf.

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Die politischen und sozialen Funktionen einer Opposition sind äußerst wertvoll und nützlich für die Weiterentwicklung eines Landes. Dazu gehören zwar auch die Risiken, dass eine Opposition in einem multiethnischen und multikonfessionellen Staat wie Usbekistan durchaus ernsthafte Probleme verursachen könnte. Gibt es aber einen entsprechenden politischen Willen, dann könnte da auch ein Kompromiss gefunden werden. Würde die Zulässigkeit einer Opposition anerkannt und würden minimale juristische Bedingungen für eine reale Registrierung neuer politischer Parteien geschaffen, wäre das zweifellos eine historische Entscheidung für die Entwicklung Usbekistans.

Dabei muss aber bedacht werden: Selbst wenn noch heute neue Parteien registriert würden, dauerte es noch Jahre, bis diese politischen Parteien verantwortungsbewusst, effektiv und konkurrenzfähig würden. Denn in der Opposition zu sein, ist lange keine einfache Aufgabe, gleichzeitig aber eine durchaus verantwortungsvolle.

Opposition hält den Staat am Leben

Trotz all solcher Ausreden sind unabhängige beziehungsweise oppositionelle politische Kräfte unabdingbar für einen gut funktionierenden Organismus aus Staat und Gesellschaft. Der Staat an sich erinnert ja an einen lebendigen Organismus: Es gibt Arterien und Venen. Das Blut zirkuliert nur dank diesem System.

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Oppositionsfrage auch eine zivilisatorische Ebene besitzt. Wenn es in einem Land eine Opposition gibt, heißt das, dass es im Staat auch Freiheit, Konkurrenz, Motivation und Überzeugung gibt. Wenn es keine Opposition gibt, herrschen in diesem Land Zwang, Entbehrung, Druck und Unfreiheit. Für die internationale Gemeinschaft bedeutet das Vorhandensein oder Fehlen einer echten politischen Opposition das Wichtigste: ob ein Land frei und rechtsstaatlich ist. Oder eben nicht.

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Die zweite starke politische Funktion der Opposition ist – so paradox es klingen mag – die Konsolidierung der Nation. Zum Beispiel: Wir leben jetzt in der Epoche der Sozialen Netzwerke, des Internets und der superschnellen Kommunikation. Aber noch ist das, was unter den Menschen in Usbekistan zu beobachten ist, eher „sozialer Frust“. Ein bedeutender Teil der Gesellschaft Usbekistans hatte noch höhere Erwartungen an die neue Regierung. Und nicht alle können verstehen, dass sich sozial-ökonomische Erwartungen nicht so schnell erfüllen können, wie wir uns das wünschten.

Negativ ist, dass, wenn eine systemimmanente Opposition fehlt, also keine Opposition offiziell in die staatlichen Organe wie Oliy Majlis (das usbekische Parlament – Anm. d. Red.) integriert ist, sich der soziale Frust chaotisch verbreitet und sich destruktiv gegen den Staat und das Machtsystem wendet. Wenn allerdings eine verantwortungsvolle und in die nationalen Interessen eingebundene Opposition existiert, kann sich ein Teil der sozialen Frustration über diese Opposition kanalisieren. Der übrige Anteil der negativen Stimmungen sinkt dann dank gesellschaftlicher Debatten zwischen den verschiedenen Seiten.

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Ich wage zu vermuten, dass, wenn von der Opposition gesprochen wird, ein bestimmter Teil der politischen Eliten Usbekistans unter einer irrationalen Phobie leidet. Aber früher oder später muss diese Angst überwunden und rational überlegt werden, wie man künftig mit dem politischen System umgehen will: Will man wieder einem System der Zwänge die Priorität überlassen oder entscheidet man sich für einen Übergang zu einer konkurrenzfähigen und kontroversen Demokratie?

Um welche oppositionellen Organisationen es sich dabei konkret handeln könnte, muss die Staatsführung entscheiden. Vielleicht wird jenem Teil der Opposition eine Rückkehr nach Usbekistan erlaubt, der einst durch unbegründete Verfolgung dazu gezwungen wurde, das Land zu verlassen. Dann könnte sie eine Basis für neue politische Projekte schaffen. Es gibt nicht viele Varianten, alles hängt von Innovationen ab oder, wie man heute sagt, von der Kreativität im politischen Denken der Regierung.

Auf Reformkurs hin zu Freiheit und Reichtum

Die Reformen von Präsident Shavkat Mirziyoyev sind bislang klar auf einen demokratischen Rechtsstaat ausgerichtet, in dem das Gesetz regiert, nicht der Zwang durch Strafverfolgungsbehörden. Darum erscheint es logisch, dass die neue Regierung sich bald auch mit Maßnahmen beschäftigen wird, die den Bürgern mehr Möglichkeiten zur Partizipation am politischen Leben des Landes bieten könnten. Sonst drohen die neuen Reformen als vorübergehendes „Tauwetter“ zu enden, nach dem wieder Kurs auf Autoritarismus genommen wird, nur mit neuem Autor.

Die Bürger und die internationale Gemeinschaft legen große Hoffnungen in die Reformen und bieten große gesellschaftliche Unterstützung an. Niemand will, dass die Reformen auf halbem Wege stehenbleiben. Der einzige Weg, die gesellschaftlichen Erwartungen zu erfüllen und die frustrierte Gesellschaft nicht in die soziale Apathie verfallen zu lassen, ist es, allen Interessenten zu erlauben, sich an der Politik zu beteiligen, im freien Wettbewerb und Wettstreit.

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Warum sind die freisten Länder auch die stabilsten und reichsten? Weil sie den Intellekt aller ihrer gesellschaftlichen Schichten zu nutzen wissen, damit auch den der Opposition, die gnadenlos kritisiert und ihre Alternativen empfiehlt. Dann entscheiden die Bürger, die Nation, wessen Entwicklungsplan ihnen am besten entspricht. Selbstverständlich wird eine Seite verlieren, aber sie wird nicht gleich aus dem Land gejagt oder in Lager gesteckt. Denn selbst nach einer politischen Niederlage in einer bestimmten Etappe wird ihre Stimme immer zu hören sein – über ihre Medien und ihre Fraktionen im Parlament des Landes.

Damit ist die Frage einer Opposition nicht nur eine politische Frage, sondern auch eine nach der nationalen Entwicklung, eine Frage der Philosophie und des zivilisierten Charakters des Staates. In den nächsten Jahren wird genau diese Frage höchstwahrscheinlich die wichtigste und historisch bedeutendste Frage sein, der sich die neue Regierung stellen muss. Und von ihrer Antwort hängt ab, wie die Welt auf die Frage antworten wird: Hat sich Usbekistan tatsächlich verändert oder hatten die jüngsten Veränderung nur kosmetischen Charakter?

Kamoliddin Rabbimov für Anhor.uz

Aus dem Russischen von Peggy Lohse

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