Mosaikplatten und Fassaden an Hochhäuser sind eine Besonderheit Taschkents und machen die usbekische Hauptstadt einzigartig. Wie ist diese Tradition entstanden und welche Bedeutung haben Mosaike heute im Stadtbau? Folgender Artikel wurde von Novastan übersetzt und erschien im Original auf Kommersant.uz.
Die Idee, einfache Gebäude mit Mosaiken zu dekorieren kam von Peter und Nikolai Scharski. Die Künstler wurden in Frankreich in einer russischen Emigrantenfamilie geboren. Schon in ihrer Kindheit kamen die Gebrüder Scharski permanent mit Kunst in Berührung: Ihr Vater malte und fotografierte, ihr Großvater und ihr Onkel spielten Musikinstrumente, so haben auch alle Brüder die künstlerische Tradition in der Familie weitergeführt und eine Kunstausbildung erhalten. 1947 kehrte die Familie nach Russland zurück und 1966 kamen Peter und Nikolai wie viele andere nach Taschkent, um die vom Erdbeben zerstörte Stadt wiederaufzubauen.
Lest auch auf Novastan: Die nationale Identität Usbekistans: Das Erbe einer Debatte
Sie haben ihre Arbeit in einer Fabrik für Stahlbetonprodukte begonnen. Dort haben sie Skizzen für Mosaikplatten für mehrstöckige Gebäuden entwickelt. Typische sowjetische Bauten wurden so individualisiert. Die Tradition der Mosaikdekoration hat sich weiterentwickelt und heute sind sie nicht nur an Fassaden, sondern auch an Eingängen, Brunnen, Kuppeln und ganzen U-Bahn-Stationen anzutreffen.
Die Geschichte der Mosaike
Ein charakteristisches Merkmal der usbekischen Mosaike sind die orientalischen Muster. Sie beschreiben Geschichten und besondere Ereignisse. Die Mosaike der Stadt zeichnen sich durch geometrische, märchenhafte, festliche (wie zum Beispiel die Tafel „Navruz“) sowie agitatorische Motive aus. Hier werden wichtige Ereignisse dargestellt, die Freundschaft der Völker, Helden der Arbeit oder einzelnen Berufe symbolisiert.
Die Wandpaneele dienten nicht nur als Dekoration, sondern auch als Propagandainstrumente. Oft zeigten sie Geschichten über Pioniere, über die universelle Gleichheit und Brüderlichkeit, und Helden der damaligen Zeit. Viele von ihnen wurden heute abgebaut oder übermalt.
Viktoria, eine Studentin des Taschkenter Instituts für Architektur und Bauwesen: „Mir gefällt, dass Mosaike in Taschkent so interessant und vielfältig genutzt wurden. Ich gehe gerne spazieren und schaue auf die Häuserwände, die in den weiten Stadtteilen unerwartet vorkommen. Mosaike – das ist eine Technik mit tausendjähriger Geschichte und es tut mir sehr leid, dass es heute einfacher ist, ein Banner zu drucken, als eine Wand mit einem Muster zu gestalten, das für lange Zeit schön bleibt. “
Eine komplizierte Technik
Die Blütezeit der Mosaikdekorierung war in den 1960er bis 1980er Jahren. Der Herstellungsprozess ist sehr aufwendig und dauerte lange. Der (glasierte) Teil der Fliese wurde mit Papier beklebt und die Platte wurde mit der Vorderseite nach unten auf den Boden der Form gelegt. Von den einzelnen Tafeln wurden Keramikteppiche der Zeichnungen angefertigt. Die installierten Platten wurden verstärkt, mit Beton übergossen und in einer Wärmekammer getrocknet.
Domin Barma, Administrator der Facebook-Gruppe „Ташкент строится (Tashkent is under construction)“: „In der Sowjetzeiten waren Mosaikdekorationen ein weit verbreitetes Phänomen. Sie waren überall. Heute ist die künstlerische Dekoration von Gebäuden keine große Priorität mehr. “
Mosaike sind überall
Architekten versuchten, jedem Gebäude Individualität zu geben. Mosaike wurden nicht nur an den Fassaden, Zwischenräumen, Wänden über dem Eingang sondern auch an Bushaltestellen, U-Bahn-Stationen, Treppen, Brunnen, Fassaden von Kindergärten und Abteilungsinstitutionen benutzt.
Kleine Tafeln wurden an den Eingängen typischer neunstöckiger Gebäude angebracht. Oft waren dies geometrische oder orientalische Muster, abstrakte oder animalische Themen. Heute sind viele von ihnen mit Werbung beklebt oder wurden im Laufe von Reparaturarbeiten einfach übermalt.
Die ungewöhnlichsten Mosaike Taschkents
Eines der berühmtesten Mosaikpaneele ziert die Wand der Schule Nummer 110, die nach dem ukrainischen Dichter Taras Schewtschenko benannt wurde. So ist auch das Mosaik seiner Arbeit gewidmet.
Noch ein besonderes Mosaik ist das, welches die Wand in der Lobby des Fernsehturms von Taschkent einrahmt. Das Mitnehmen von Telefonen und Kameras in den Fernsehturm ist verboten, so dass nur wenige wissen, dass in der Lobby schöne Kompositionen von Schmuck- und Halbedelsteinen zu sehen sind. Die Dekorationen zwischen ihnen sind in der Technik des florentinischen Mosaiks angefertigt.
Eines der seltsamsten Mosaike befindet sich an der Wand eines neunstöckigen Gebäudes im Labzak-Gebiet in Taschkent (C-13). Drei benachbarte Gebäude sind mit einer Reihe von Werken zum Thema Raumfahrt und Luftfahrt geschmückt. Eine der Platten mit Teilen des Luftschiffes und des Helikopters ist spiegelverkehrt angebracht.
Ein weiteres „irreguläres“ Mosaik mit einer sehr malerischen märchenhaften Tafel befindet sich im 11. Viertel von Yunusabad. Auch hier ist eine der Platten spiegelverkehrt. Dies schien also kein seltener Fehler zu sein. Warum die Platten allerdings nicht ausgebessert wurden, bleibt ein Rätsel.
Fotima Abdurakhmanowa, die Administratorin der Gruppe „Mosaike von Usbekistan“: „ Leider sind im Moment keine neuen Mosaike in dem sich dynamisch entwickelnden Taschkent vorgesehen. In den letzten Jahrzehnten wurden nicht nur keine Mosaike an Neubauten angebracht, sondern es wurden auch viele rücksichtslos zerstört oder übermalt. Meine Meinung, das ist natürlich die Meinung einer aufmerksamen Person, denn nur wenige Menschen achten auf die Mosaiktafeln an den Fassaden von Wohngebäuden, Bürogebäuden und Institutionen. Außerdem bin ich auch jemand, der nicht gleichgültig ist gegenüber dieser Art von Kunst.
Lest auch auf Novastan: Die Geschichte des ersten Designers der kirgisischen SSR
Ich möchte die Aufmerksamkeit von Künstlern, Architekten, Entwicklern auf die Wiederbelebung der Mosaike in unserer schönen Stadt lenken. Wir müssen uns daran erinnern, wie die Künstler – die Brüder Peter, Nikolai und Alexander Scharski, Arnold Gan, Vladimir Chub und viele andere – die Farben des Landes mit modernem Stil harmonisch verbinden konnten. Die Wiederbelebung von Mosaikpaneelen auf modernen architektonischen Strukturen wird der Stadt eine zusätzliche Anziehungskraft geben, einen ganz besonderen, einzigartigen Charme, der sich mit dem nationalen Kolorit kombinieren wird.“
Alexandra Stimban Kommersant.uz
Aus dem Russischen übersetzt von Sobira Majidova
Noch mehr Zentralasien findet Ihr auf unseren Social Media Kanälen, schaut mal vorbei bei Twitter, Facebook, Telegram, Linkedin oder Instagram. Für Zentralasien direkt in Eurer Mailbox könnt ihr Euch auch zu unserem wöchentlichen Newsletter anmelden.
Schuster, 2018-05-11
Das sind teilweise wirklich sehr künstlerische Arbeiten, die über reine „Dekoration“ hinausgehen. Ein paar habe ich mir gleich mal als Inspiration gespeichert.
Reply