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Steigende Strompreise und vermehrte Stromausfälle in Tadschikistan

Dank zahlreicher Wasserkraftwerke gehört die Stromversorgung in Tadschikistan zu den günstigsten der Welt. Allerdings gehören auch die Löhne zu den niedrigsten. Die jüngste Entscheidung der Regierung, den Preis pro Kilowattstunde zu erhöhen, verunsichert die Bevölkerung. Während diese regelmäßig unter Stromausfällen leidet, unterzeichnet die tadschikische Regierung neue Exportabkommen.

Briefmarke Nurek Tadschikistan
Die Zentrale von Nurek, das größte Wasserkraftwerk in Zentralasien, ist der ganze Stolz des Landes. Foto: Briefmarke der tadschikischen Post.

Dank zahlreicher Wasserkraftwerke gehört die Stromversorgung in Tadschikistan zu den günstigsten der Welt. Allerdings gehören auch die Löhne zu den niedrigsten. Die jüngste Entscheidung der Regierung, den Preis pro Kilowattstunde zu erhöhen, verunsichert die Bevölkerung. Während diese regelmäßig unter Stromausfällen leidet, unterzeichnet die tadschikische Regierung neue Exportabkommen.

Bis 2016 wurden die Strompreise nur in geraden Jahren erhöht. Seither erfolgt die Erhöhung jährlich, mit Ausnahme der Jahre 2020 und 2021, in denen aufgrund der Coronavirus-Pandemie keine Strompreiserhöhung erfolgte. Seit dem 1. Oktober 2022, als die letzte Preiserhöhung in Kraft trat, sind die Strompreise nicht mehr gestiegen.

Die Ankündigung der Strompreiserhöhung um 16 Prozent erfolgte jedoch am 29. November durch einen Regierungsbeschluss, wie Asia-Plus berichtete. Ab dem 1. Januar 2024 müssen Haushalte in Tadschikistan mehr für Strom bezahlen. Zahlten sie bisher 26,51 Diram (weniger als 2 Cent) für eine Kilowattstunde (kWh) Strom, werden es künftig 30,75 Diram (rund 2 Cent) sein.

Orifdschon Tolibow, Vertreter der Stromverteilungsnetze, erklärte, die Erhöhung der Strompreise sei auf Empfehlungen der Weltbank zurückzuführen:. „Die Weltbank investiert seit mehreren Jahren in den Energiesektor des Landes und eine der Forderungen der Bank ist eine jährliche Erhöhung der Strompreise in Tadschikistan.“

Angekündigte Preissteigerungen bis 2025

Die Weltbank hat Tadschikistan einen Zuschuss in Höhe von 134 Millionen US-Dollar (rund 122 Millionen Euro) gewährt, um die finanzielle Situation des staatlichen Stromversorgers Barki Todschik zu verbessern, der mit mehreren Millionen Somoni verschuldet ist. Im Bericht der Finanzinstitution heißt es, dass „Barki Todschik ohne eine Erhöhung der Stromtarife langfristig finanziell nicht lebensfähig sein“ und „die Regierung Tadschikistans die Stromtarife bis 2025 erhöhen wird.“

Der Wirtschaftsjournalist Abdullo Aschurow bestätigt, dass die tadschikistanische Regierung tatsächlich plant, die Stromtarife bis 2025 schrittweise zu erhöhen. „Die tadschikistanische Elektrizitätsgesellschaft ist bankrott. Wie sollen wir den Rogun-Staudamm (ein Staudamm am Fluss Wachsch, Anm. d. Red.) bauen? Mit der Zeit werden wir, ob wir wollen oder nicht, die Strompreise anheben“, kündigte Präsident Emomali Rahmon am 28. Dezember in seiner Botschaft an das Parlament an, wie Radio Ozodi berichtet.

Verärgerte Bevölkerung

Als im Dezember letzten Jahres die Bevölkerung Duschanbes von Radio Ozodi befragt wurde, äußerten sich die Bürger:innen verärgert. Jemand resümierte: „Es wurden viele Kraftwerke gebaut, aber außerhalb der Stadt gibt es keinen Strom. Es gibt keinen Strom, aber die Strompreise steigen.“  Stromausfälle und Sparmaßnahmen sind in Tadschikistan schon seit Jahren ein Dauerzustand, vor allem in den ländlichen Gebieten, in denen über 70 Prozent der Bevölkerung leben. Gerade im Winter, wenn die Temperaturen nachts auf bis zu -15°C fallen können, leiden viele Menschen.

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Laut Barki Todschik gibt es zwei Gründe für die Stromausfälle: Zum einen die Modernisierungsarbeiten an der Produktions- und Transportinfrastruktur. Zum anderen der sinkende Wasserstand in den Stauseen während der Wintermonate. Einige Anlagen stammen noch aus der Sowjetzeit und wurden seither nie gewartet. Sie sind bei steigender Nachfrage nicht mehr tragfähig.

„Allein in Bochtar, der viertgrößten Stadt des Landes, ist der tägliche Strombedarf um fast das Vierfache gestiegen“, teilt Radschabali Bojakow, Chefingenieur für Energienetze in der Region Bochtar Asia-Plus mit.

20 Prozent unbezahlte Rechnungsbeträge

Charakteristisch für das hydrologische System des Gebietes ist die Schneeschmelze im Frühjahr und die Eisschmelze im Sommer. Dies garantiert Hochwasser in den Sommermonaten, aber der Wasserstand nimmt im Winter drastisch ab. Der Fluss Wachsch beispielsweise, an dem sich der Nurek-Staudamm, das größte Wasserkraftwerk Zentralasiens, befindet, führt im Sommer 2‘000 bis 2‘200 Kubikmeter pro Sekunde, während er im Winter auf 150 bis 200 Kubikmeter pro Sekunde sinkt.

Asia-Plus meldete im Dezember letzten Jahres aus der Region Kulob, dass der Strom für ein Viertel oder ein ganzes Dorf abgeschaltet wurde, sobald manche der Haushalte, in diesem Fall 20 Prozent, mit ihren Zahlungen in Verzug gerieten. Der Strom wurde somit auch für die Bewohner:innen abgeschaltet, die ihre Rechnungen pünktlich bezahlt hatten. Die Anweisung kam nach Angaben von Asia-Plus vom Direktor des Stromversorgungsunternehmens der Stadt Kulob.

Stromexport bringt über 100 Millionen US-Dollar ein

Der Stromexport ist eine nicht zu unterschätzende Einnahmequelle für Tadschikistan, das bisher vor allem Gold, Aluminium und Baumwolle exportiert hat. Bis 2023 liegen Stromlieferverträge mit Usbekistan und Afghanistan vor, wie Asia-Plus schreibt. Diese Verträge dürften bis 2023 bis zu 108 Millionen US-Dollar (ca. 98 Millionen Euro) eingebracht haben, davon allein im November fast 2 Millionen US-Dollar (rund 1,8 Millionen Euro). Zeitgleich hatten die Menschen in einigen ländlichen Gebieten Tadschikistans nur fünf bis sechs Stunden Strom am Tag.

Um die steigende Nachfrage zu decken und Versorgungsengpässe zu verringern, werden immer mehr Bau- und Sanierungsprojekte durchgeführt, die viele ausländische Investoren anziehen. Das Megaprojekt Rogun, der höchste Staudamm der Welt, soll seit Baubeginn 2008 bereits mehr als 35 Milliarden Somoni (2,94 Milliarden Euro) gekostet haben. Die Asian Infrastructure Investment Bank hat einen Kredit in Höhe von 500 Millionen US-Dollar (456 Millionen Euro) zugesagt, die Islamische Entwicklungsbank für bis zu 250 Millionen US-Dollar (230 Millionen Euro). Saudi-Arabien hat nach Angaben von Asia-Plus kürzlich beschlossen, 100 Millionen US-Dollar (91 Millionen Euro) zu investieren.

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Deutschland investiert in Partnerschaft mit der Europäischen Union insgesamt 35,6 Millionen Euro in den Bau des Kraftwerks in Sebzor. Im Dezember letzten Jahres unterzeichnete Berlin ein Finanzierungsabkommen über weitere 10 Millionen Euro. Das Kraftwerk Sebzor liegt am Fluss Schachdara im Pamir-Gebirge und soll mehr als 600‘000 Menschen in der Autonomen Region Berg-Badachschan und den angrenzenden afghanischen Regionen mit Strom versorgen.

Immer mehr Elektrofahrzeuge

Die maximale Wasserkraftkapazität Tadschikistans wird von Asia-Plus auf 527 Milliarden kWh pro Jahr geschätzt, die derzeitige Produktion liegt jedoch bei 317 Milliarden kWh pro Jahr. Nach Angaben des Ministeriums für Energie und Wasserressourcen soll die Gesamtkapazität der Kraftwerke von 1‘100 Megawatt (MW) im Jahr 2015 auf 6‘000 MW im Jahr 2020 steigen und bis 2030 10‘000 MW erreichen.

Dies würde es dem Land ermöglichen, seinen Plan für die Entwicklung von Elektrofahrzeugen bis 2027 umzusetzen. Gleichzeitig könnten damit zwei Ziele erreicht werden: die Abhängigkeit vom Erdöl zu verringern und die Luftverschmutzung zu reduzieren, die in Zentralasien besonders hoch ist. Radio Ozodi bestätigt, dass die Zahl der Elektrofahrzeuge in Tadschikistan stetig zunimmt.

Eléonore Darasse, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Berenika Zeller

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