Das kasachstanische Umweltministerium hat bestätigt, dass von den gegenwärtigen 600 Hektar des Taldykól-Sees nur 20 erhalten werden sollen. An seiner Stelle, am Rande der Hauptstadt Nur-Sultan, wollen die Behörden ein neues Wohnviertel bauen.
Schlechte Nachrichten für Umweltschützer:innen in Kasachstans Hauptstadt Nur-Sultan. Am 25. Oktober kündigte Umweltminister Serikqali Brekeshev an, dass der See Taldykól am Rande der Stadt trockengelegt werde, um Platz für ein neues Wohngebiet zu schaffen. Während der Pressekonferenz, die vom kasachstanischen Nachrichtenportal Vlast übertragen wurde, versuchte der Minister zu beruhigen und erklärte, dass 20 Hektar des Sees „gerettet“ werden würden.
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„[Der See] trocknet auf natürliche Weise aus. Wenn dieser Prozess nicht gestoppt wird und der See nicht gespeist wird, droht ihm die vollständige Austrocknung“, erklärte Brekeshev. Die vom Ministerium und der Stadtverwaltung vorgeschlagene Entwässerungsmaßnahme würde das Gebiet revitalisieren. „Das verbleibende Territorium des Sees ist der größte und tiefste Teil. Der gesamte Rest des Sees wird als Erholungsgebiet organisiert“, fügte der Minister hinzu.
Laut dem kasachstanischen Nachrichtenportal Liter soll das Areal unter anderem auch für den Bau von Schulen und Krankenhäusern genutzt werden. Auf den ersten Blick scheint die Initiative ein Segen für die Region zu sein, insbesondere in Bezug auf die Entwicklung der Dienstleistungen in der Stadt.
Ein Ökosystem in Gefahr
Für Naturschützer:innen scheint allerdings die Erhaltung von 20 Hektar nicht ausreichend zu sein. Tatsächlich hat der Taldykól heute eine Fläche von etwas mehr als 600 Hektar. Laut dem Plan der Regierung würden also lediglich 3,3 Prozent erhalten werden.
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Die Trockenlegung des Sees wird seit mehreren Monaten von Umweltverbänden und Aktivist:innen angeprangert. Am 19. September hatten sie Hoffnung geschöpft, als die lokalen Behörden ankündigten, die Arbeiten bis zur Klärung der Situation auszusetzen. Kaum einen Monat später ist nun aber die Entscheidung gefallen. Der Taldykól ist eine der Lungen von Kasachstans Hauptstadt, in der die Luftqualität eine der schlechtesten weltweit ist. Darüber hinaus zeichnet sich der See durch seine Artenvielfalt aus. Geschützte Arten wie Schwäne, Pelikane und Flamingos sind durch die Arbeiten in Gefahr.
Laufende Arbeiten
Die lokalen Behörden haben bereits mit der Verfüllung eines Teils des Sees begonnen. Laut Radio Azattyq, dem kasachischen Dienst von Radio Free Europe, ist auch der Bau einer Wohnanlage im Gange. Im Dezember 2020 hatte der Bürgermeister der Stadt noch versprochen, den See nicht anzurühren. Doch das Projekt wuchs mit der Zeit. Anwohner:innen und Umweltschützer:innen gründeten die Initiative „SOS Taldykol“, um die von den Behörden durchgeführten Aktionen anzuprangern.
Ein Bericht des „Kasachstanischen Verbandes zur Erhaltung der Biodiversität“ führt verschiedene Argumente für die Rettung des Sees an. So könne die Entwässerung des Sees zu einem Anstieg des Grundwasserspiegels in Nur-Sultan führen. Laut dem Bericht seien mehr als 170 Tierarten gefährdet, von denen einige auf der Roten Liste der Internationalen Naturschutzunion (IUCN) stehen.
Hugo Messina, Redakteur für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth
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