Ein unerwarteter Kälteeinbruch und stornierte Gasimporte haben in Usbekistan zu einer schweren Krise geführt. Viele Städte, einschließlich der Hauptstadt Taschkent, sind bei eisigen Temperaturen ohne Strom und Heizung. Nach der Entlassung eines Teils der Verwaltung und trotz wachsender Unzufriedenheit beruhigt sich die Lage allmählich.
Es ist laut Meteorolog:innen der kälteste Winter, den Usbekistan seit 50 Jahren erlebt hat – mit Temperaturen um die -20 Grad tagsüber in Taschkent. Ein außergewöhnlicher, aber auch katastrophaler Winter: Seit dem 12. Januar befindet sich das ganze Land in einer Notsituation, aufgrund steigender Nachfrage nach Energie, die auf einen unvorhergesehenen Stopp der Gasimporte folgt.
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Wie die Online-Zeitung Gazeta.uz berichtete, froren infolgedessen Rohre der technischen Infrastruktur ein, Heizung und Warmwasser wurden in fast allen Bezirken Taschkents abgestellt. Energieminister Jorabek Mirzamahmudov sagte, geplante Stromausfälle seien erforderlich, um einen katastrophalen netzweiten Ausfall wie im Januar 2022 [fr] zu vermeiden.
Angesichts dieser Notsituation verlangsamt sich das Leben: Die Schulferien wurden bis zum 23. Januar verlängert, Geschäfte und Einkaufszentren waren aufgefordert, ihre Öffnungszeiten zu verkürzen, um so weniger Strom zu verbrauchen. Auch Tankstellen wurden immer wieder geschlossen, damit die Behörden genug Brennstoff für den Hausgebrauch bereitstellen konnten.
Vor allem Taschkent betroffen
In der Hauptstadt Taschkent ist die Situation besonders ernst. Wie Eurasianet darlegt, ist die Stadtbevölkerung – anders als die Landbevölkerung, die mit Öfen heizt – auf Gas und Strom zum Heizen angewiesen. Gegenüber Gazeta.uz erklärt ein Einwohner von Taschkent sogar, dass er die Dorfbewohner:innen beneide, da diese auf die Situation besser vorbereitet sind.
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Die Stadtverwaltung reagierte mit einigen Solidaritätsinitiativen, indem sie zum Beispiel vom 12. bis 16. Januar an verschiedenen Orten der Stadt heißen Plov verteilte, berichtet Podrobno.uz. Einige Tage später wurden den Einwohner:innen, deren Heizung zuhause nicht mehr funktionierte, beheizte Zelte zur Verfügung gestellt.
Stopp von Gasimporten aus Turkmenistan
Die katastrophale Situation ist vor allem auf die Einstellung der Gasexporte aus Turkmenistan zurückzuführen. Laut Reuters unterzeichnete Taschkent im Dezember ein Abkommen mit Aschgabat über den Import von zusätzlichen 1,5 Milliarden Kubikmetern Erdgas während der Wintersaison. Dies sollte das tägliche Importvolumen von 15 Millionen auf 35 Millionen Kubikmeter erhöhen, um den Energiebedarf im Winter zu decken.
Das Unternehmen Turkmengaz sei jedoch in Verzug geraten, berichtete Gazeta.uz am 12. Januar. Aufgrund zu kalter Temperaturen sei es zur Bildung von Hydrat in der Infield-Kommunikation des turkmenischen Gaskondensatfeldes „Galkanyş“ gekommen.
Entlassungswelle in der Verwaltung
Usbekistan Präsident Shakvat Mirziyoyev machte am 16. Januar en Bürgermeister von Taschkent, Jahongir Artihodjayev, zum Sündenbock und erklärte ihn als verantwortlich für die Situation. Er wurde seines Postens enthoben. Der Journalist Nikita Makarenko erklärte gegenüber Radio Ozodliq, dem usbekischen Dienst von Radio Free Europe, dass Artihodjayevs Entlassung hauptsächlich auf einen internen Krieg mit dem Präsidenten zurückzuführen sei, auch wenn der Energiekollaps in Taschkent gewissermaßen „das Fass zum Überlaufen“ gebracht habe.
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Eine weitere wichtige Entlassung war die des stellvertretenden Energieministers Sherzod Hojayev. Mehrere andere hochrangige Beamte von Gasunternehmen sowie Bürgermeister und Landräte wurden nach Angaben von Gazeta.uz degradiert. Darüber hinaus warf Mirziyoyev den Behörden vor, nicht ausreichend vorbereitet gewesen zu sein. Er prangerte ein „von innen heraus ausgehöhltes System [der Energieversorgung]“ an und verwies darauf, dass 5.000 illegale Anschlüsse an das Stromnetz, 4.500 an das Gasnetz und 192 Korruptionshandlungen in den Aufsichtssystemen des Energiesektors aufgedeckt wurden.
Allmähliche Rückkehr zur Ruhe
Um eine Lösung zu finden, setzt der Präsident auf eine Generalüberholung des nationalen Energiesystems. Die „strategischen Unternehmen“ hat er der Agentur für strategische Reformen unterstellt. Wie das Nachrichtenportal Kun.uz berichtet, wird seit dem 18. Januar Strom aus Tadschikistan importiert, um so die Provinz Surxondaryo im Süden des Landes zu versorgen.
Auch die steigenden Temperaturen tragen dazu bei, dass die Situation allmählich wieder unter Kontrolle kommt. Die Einwohner:innen von Taschkent erhalten nach und nach wieder Zugang zu Warmwasser und Heizung.
Verzicht auf Hilfe aus Moskau
Usbekistan verzichtet auch in dieser neuen Krise weiterhin auf russische Hilfe. Moskau hatte Ende 2022 Usbekistan und Kasachstan die Gründung einer trinationalen Gas-Union vorgeschlagen. Wie Gazeta.uz berichtete, erklärte die russische Seite, dass dieser Vorschlag nicht die Lieferung von Gas gegen politische Zugeständnisse impliziere, sondern dass es lediglich um die Koordinierung kommerzieller Interessen gehe.
Die Hauptbedingung Russlands war allerdings die Übertragung des Gasfernleitungssystems Usbekistans in das Eigentum von Gazprom zum Marktwert. Ähnliche Forderungen wurden gegenüber Kasachstans nationaler Gasgesellschaft „Kazakgaz“ vorgebracht. Die zweite von russischer Seite gestellte Bedingung war die Abtretung der Rechte zum Export von Gas nach China. Gazprom bot also an, anstelle des usbekischen Unternehmens „UzGazTrade“ Vertragspartei zu werden. Diese Konditionen wurden aber weder von Kasachstan noch von Usbekistan akzeptiert.
Emma Collet, Redakteurin für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth
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