Während sich Turkmenistan in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, hat Russland seit April letzten Jahres seine Gasbezüge aus dem zentralasiatischen Land wieder aufgenommen. Wird das russische Unternehmen Gazprom Aschgabat bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise unterstützen? Das auf Zentralasien spezialisierte Online-Medium Fergana News hat das regionale Zusammenspiel in historischer Perspektive analysiert. Wir übernehmen den Artikel mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Während China seit 2017 als einzige Abnehmer von turkmenischem Gas verblieben war, scheint die „Gasisolierung“ mittlerweile beendet zu sein. Tatsächlich hat das russische Unternehmen Gazprom am 15. April seine Käufe von Turkmengaz, dem nationalen Gasunternehmen Turkmenistans, wieder aufgenommen. Einige Tage später wurde berichtet, dass Turkmenistan mit einem anderen ehemaligen Käufer, dem Iran, in Verhandlungen tritt. Eine erfreuliche Perspektive für Turkmenistan, die dem Land aus der Wirtschaftskrise helfen könnte. Denn die Krise begann genau dann, als das Land keine Abnehmer für sein Gas mehr fand.
Aber reicht das aus, um die Wirtschaft des Landes wiederzubeleben? Turkmenistan bleibt einer der geschlossensten Staaten der Welt. Die Regeln für wirtschaftliche Verhandlungen, die staatliche Kontrolle über Gasinformationen und die Zuweisung von Haushaltsmitteln für überhebliche Zwecke können ausländische Investoren abschrecken.
Das Rätsel um turkmenisches Gas
Fast alle Quellen stimmen darin überein, dass die Gasförderindustrie die Grundlage der turkmenischen Wirtschaft ist. Die Informationen, die sowohl über diesem Sektor als auch über die Wirtschaft des Landes verfügbar sind, sind jedoch äußerst fragmentiert und verwirrend. Die offiziellen Berichte der turkmenischen Behörden wurden von Experten seit langem als interessantes Thema für die Analyse von Propagandamethoden, aber nicht als Informationsquelle angesehen.
Darüber hinaus sind historische Informationen zur Gasförderung in der Sozialistischen Sowjetrepublik Turkmenistan eher widersprüchlich. Im Jahr 2016 haben Medienberichte ergeben, dass die Turkmenische SSR 1990 85 Milliarden Kubikmeter Gas gefördert hat und dass der absolute Rekord 1988 mit 88,8 Milliarden Kubikmeter aufgestellt wurde. Es wurde sogar festgestellt, dass die Turkmenische SSR die zweitgrößte Republik in Bezug auf die Gasproduktion nach der Russischen Sozialistischen Sowjetrepublik war.
In den Jahren der Unabhängigkeit erklärte der erste Präsident Saparmurat Nijasow (1991-2006), dass er die Gasressourcen nutzen werde, um Turkmenistan in ein „zweites Kuwait“ zu verwandeln. Die Berichte der offiziellen und der unabhängigen Medien begannen allmählich sich zu unterscheiden. Erstere hoben die Erschließung neuer Felder hervor sowie die Pläne zur Steigerung der Produktion. Letztere berichteten, dass das Produktionsniveau im Vergleich zur Sowjetzeit unaufhaltsam zurückging. Im Jahr 2017 begann das Land eine Lebensmittel- und Wirtschaftskrise zu erleben, die mit der von Kuwait vergleichbar ist.
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Die Entdeckung des riesigen Gasfeldes in Südiolotan im Südosten Turkmenistans im Jahr 2006 war nach Expertenmeinung ein Wendepunkt in der Statistik. Zunächst schätzte das britische Unternehmen Gaffney, Cline & Associates die Reserven der Lagerstätte auf 26.200 Milliarden Kubikmeter und machte Iolotan damit zum zweitgrößten Gasfeld der Welt. Infolgedessen wurde das geschätzte Volumen der Gasreserven in Turkmenistan insgesamt von demselben Unternehmen auf 77 200 Milliarden Tonnen geschätzt.
Aber 2012 überprüften westliche Investoren, die an der Entwicklung einer neuen Lagerstätte interessiert waren, die Dokumentation und stellten die Richtigkeit der Bewertung in Frage. Gaffney, Cline & Associates antworteten, dass sie sich nicht auf ihre eigene Forschung verlassen würden, sondern auf Informationen turkmenischer Spezialisten.
Schließlich kamen ausländische Unternehmen zu dem Schluss, dass die Reserven aus Iolotan viel bescheidener waren als berichtet. Danach stuften die turkmenischen Behörden die Statistiken über den Öl- und Gassektor fast vollständig als geheim ein. Infolgedessen konnte man nichts mehr über die Gasreserven in Turkmenistan herausfinden.
Gemessen an den verfügbaren Ressourcen würde das Land nach Russland, dem Iran und Katar immer noch den vierten Platz in der Welt belegen. Aber nach offiziellen Angaben ist Turkmenistan das Land mit den wichtigsten Ressourcen der Welt.
Der delikate Verkauf von Gasressourcen
Das Vorhandensein von Erdgasressourcen ist aber nicht genug. Diese müssen einen Käufer finden. In den frühen postsowjetischen Jahren lieferte Turkmenistan Gas an einige ehemalige Sowjetrepubliken, aber ziemlich schnell wurde Russland zum alleinigen Abnehmer von turkmenischem Gas. 1997 wurde dann eine Pipeline in den Iran gebaut und turkmenisches Gas begann die nördlichen Regionen des Landes zu versorgen, welche schlecht mit den Gasfeldern im Süden verbunden waren.
Damit erhielt Turkmenistan seine ersten Gaskäufer außerhalb des postsowjetischen Raums. Im Jahr 2007 wurde dann eine Gasleitung nach China gebaut. In dieser Zeit wurde auch Gurbanguly Berdimuchamedow als Nachfolger des Ende 2006 verstorbenen Präsidenten Saparmurat Nijasow ernannt.
Ende der 2000er Jahre begannen sich die Beziehungen zwischen den turkmenischen Behörden und dem russischen Riesen Gazprom, der immer noch 90 Prozent des turkmenischen Gases kaufte, zu verschlechtern. Die turkmenischen Behörden fühlten sich durch das Auftauchen neuer Partner unabhängiger von Russland.
Im April 2009 kam es in Zeiten starker Gaspreisspannungen zu einer Explosion an der Gaspipeline, die beide Länder verbindet. Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld für dieses Ereignis. Der Transit musste vorübergehend ausgesetzt werden.
Einige Monate lang blieb der Iran der einzige Abnehmer von turkmenischem Gas. Dennoch wurde im Dezember 2009 die lang erwartete Pipeline nach China eröffnet und Russland nahm seine Käufe im Januar 2010 wieder auf, aber das Volumen der Käufe wurde deutlich reduziert. Gazprom stand dann nach China und dem Iran an dritter Stelle der Abnehmerländer.
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Im Jahr 2016 kam es erneut zu einem Preisstreit zwischen Turkmengaz und Gazprom, der zur Beendigung der Zusammenarbeit führte. Ein Jahr später versuchten die turkmenischen Behörden Druck auf den Iran auszuüben und forderten die sofortige Rückzahlung seiner Schulden. Als Reaktion auf den Druckversuch weigerte sich der Iran die „Beziehungen aufrechtzuerhalten“, also weiter Gas aus Turkmenistan zu beziehen.
China blieb daher 2017 der einzige und dazu noch unrentable Abnehmer für turkmenisches Gas. Die Erschließung von Gasfeldern und der Pipelinebau in Turkmenistan wurden mit chinesischen Darlehen durchgeführt. Unmöglich, dem chinesischen Kunden dann seine Bedingungen aufzuerlegen.
Die erneute Nachfrage nach turkmenischem Gas – ein Segen für das Land?
Natürlich brachten die turkmenischen Staatsmedien ihr Bedauern über den Verlust von Gaskäufern nicht zum Ausdruck. Sie äußerten sich optimistisch über den Anstieg der Lieferungen nach China, erinnerten an den lang erwarteten Bau der Gaspipeline Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Indien (TAPI) und versuchten ohne zu zögern, Kontaktpunkte mit Europa zu finden.
Es scheint, dass diese letztgenannte Perspektive nach der Regelung des Status des Kaspischen Meeres im Jahr 2018 Realität zu werden beginnt. Es wurde jedoch festgestellt, dass Russland und der Iran – die Konkurrenten Turkmenistans im Gassektor – weiterhin in der Lage sind, den Bau der Pipeline aus Umweltgründen zu behindern. Darüber hinaus glauben Experten, dass Projekte zum Bau einer transkaspischen Gaspipeline nicht mehr relevant sind: Die Gasnachfrage in Europa ist rückläufig und Aserbaidschan, das bei diesem Projekt Partner Turkmenistans werden sollte, ist nun mehr daran interessiert, eigenes Gas über den südlichen Gaskorridor zu exportieren.
Im Oktober 2018 gaben die turkmenischen Medien bekannt, dass Gurbanguly Berdimuhamedow persönlich mit dem stellvertretenden russischen Premierminister Konstantin Tschujtschenko und Gazprom-Präsidenten Alexei Miller über die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit im Gassektor gesprochen habe. Letzterer besuchte Turkmenistan im vergangenen November erneut und traf sich ebenfalls mit dem Staatsoberhaupt. Der Senior Manager gab ein Interview im turkmenischen Fernsehen und bestätigte, dass Gazprom daran interessiert sei, die Käufe wieder aufzunehmen. Im März 2019 kam Miller wieder nach Aschgabat. Einen Monat später, am 15. April, wurde die Wiederaufnahme der Lieferung von turkmenischem Gas nach Russland angekündigt.
Nach Ansicht der turkmenischen Seite erfolgen die Lieferungen auf der Grundlage des alten, 2003 abgeschlossenen und bis 2028 gültigen Vertrages. Bis Juni letzten Jahres sagte das Unternehmen, es sei nur bereit, 1,55 Milliarden Kubikmeter zu kaufen. Das Einkaufsvolumen würde dann rund 5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr erreichen, was ein deutlich geringeres Angebot als in der Vergangenheit bedeutet. Zur Erinnerung: Bis 2009 kaufte Gazprom bis zu 40 Milliarden Kubikmeter pro Jahr aus Turkmenistan. Ab 2010 wurden 10 Milliarden Kubikmeter gekauft, und erst 2015, kurz vor dem Zusammenbruch der Beziehungen, die Käufe auf 4 Milliarden Kubikmeter reduziert.
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Analysten sind sich darin einig, dass Gazprom den Vertrag initiiert hat. Im Jahr 2018 wurden in Russland 733 Milliarden Kubikmeter Rohstoffe gefördert, und die fünf Milliarden in Turkmenistan gingen in diesem Zusammenhang irgendwie unter. Selbst nach China lieferte Turkmenistan 2018 nur 47 Milliarden Kubikmeter, was den Vergleich mit dem Umsatz von Gazprom erschwert.
Die von Russland verfolgten politischen Ziele sind nicht mit Sicherheit bekannt. Einige glauben, Russland wolle einen Teil des Gases aus China abfangen, um seinen Einfluss auszuweiten, andere meinen, dieser Kauf stehe im Zusammenhang mit der Absicht, den Bau der transkaspischen Gaspipeline zu verhindern. Oder vielleicht kann die Vertragsverlängerung als eine Art „humanitäre Hilfe“ für das turkmenische Volk angesehen werden? Wer hat recht? Es ist schwer, es wirklich zu wissen. Miller hat es nicht eilig, alle Karten der russischen Außenpolitik aufzudecken.
Die turkmenischen Medien gaben unterdessen bekannt, dass der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif Ende April das Land besucht hatte. Er erörterte mit Gurbanguly Berdimuchamedow die berühmten Schulden, die 2017 zu einer Unterbrechung der Zusammenarbeit führten. Auf der Tagesordnung standen auch die Wiederaufnahme des Angebots und eine mögliche Preissenkung.
Damit kehrt Turkmenistan zur Situation von 2010-2016 zurück, als seine Gasressourcen drei Länder versorgten. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Wirtschaft in die Zeit vor der Krise zurückversetzt wird, wenn die Gaseinnahmen weiterhin für große demonstrative Bauprojekte wie internationale Veranstaltungen verschwendet werden.
Aus dem Französischen von Novastan
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