Die „Großen Sieben Turkmenistans“ – wer sind sie? Superhelden oder ein Tanzensemble? Margarita Agadschanjan von Caspian News machte sich auf die Suche nach dem Geheimnis dieser sieben und stößt auf die interessante Geschichte der turkmenischen Kunstszene während der Sowjetzeit. Novastan übernimmt diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung der Redaktion von Caspian News.
Tatsächlich sind die „Großen Sieben“ eine Künstlervereinigung aus Turkmenistan, die 1971 im damals noch sowjetischen Moskau eine gemeinsame Ausstellung hatte.
Die jüngste Kunstform Turkmenistans
Kaum eine andere nationale Malereitradition ist so jung wie die turkmenische. Als Entstehungszeitpunkt gilt das Jahr 1920, als der Künstler Ilja Masel, der im Ersten Weltkrieg zufällig in der Hauptstadt Aschgabat gelandet war, gemeinsam mit seinem Regimentskameraden Aleksandr Wladytschuk, einem autodidaktischen Künstler, die Schule der Künste des Orients gründete. Auch wenn die Schule nur wenige Jahre Bestand hatte, so war doch der Grundstein für die Entwicklung der bildenden Kunst im Lande gelegt. Masels raffinierte Auffassung von Kultur machte die Herausbildung einer einzigartigen Mischung der traditionellen Ornamente aus der Teppichweberei mit der bildenden Kunst möglich. Langsam, aber sicher bewegte sich etwas.
In den darauffolgenden Jahren wurde in Aschgabat eine Kunstschule eröffnet, die Künstlervereinigung Turkmenistans entstand und junge turkmenische Künstler erhielten eine Ausbildung in Moskau und Leningrad. Einer dieser Nachwuchskünstler war Issat Klytschew, der erste ernstzunehmende Maler Turkmenistans und nebenbei die wichtigste Inspirationsquelle für die zukünftigen Mitglieder der „Großen Sieben“.
Issat Klytschew – von Krieg und Kunst
Issat Klytschew war die Entdeckung, der Star seiner Generation, ein Unikum in der turkmenischen Malerei. Kaum zu glauben, dass diese leuchtenden und farbgesättigten Gemälde von der Hand eines Menschen mit so schwerem Schicksal stammen. Im Alter von zehn Jahren wurde Klytschew Vollwaise, nachdem seine Eltern bei der Deportation in den Norden Kasachstans umgekommen waren. Um seine Erziehung kümmerte sich sein älterer Bruder, der ihn auch auf die Kunstschule schickte. Dann kam der Krieg. Klytschew ging 1942 als Freiwilliger an die Front und kam dabei bis nach Berlin.
Nach seiner Rückkehr besann er sich auf seine Berufung und inskribierte sich an der Leningrader Fakultät für Malerei. Bereits seine Abschlussarbeit, das Gemälde „In der Wüste Karakum“, erlangte großen Erfolg und so ging Issat Klytschew in die Geschichte ein als einer der größten Künstler seiner Zeit.
Seine Bilder sind unvergesslich, mit ihrer Leuchtkraft und Unnachahmlichkeit gehen sie direkt ins Herz. Im Fokus von Klytschews Arbeiten steht häufig der gewöhnliche Mensch, ruhig und statisch, wodurch ein unerschütterliches Gleichgewicht zwischen Farbe und Motiv seiner Gemälde entsteht. Seine Bilderserie „Mein Turkmenien“ wurde zu einem einschneidenden Erlebnis für die zukünftigen „Großen Sieben“.
Die Entstehung eines Mythos
Die „Sieben“ – Schamuchammed Akmuchammedow, Tschary Amangeldyjew, Stanislaw Babikow, Durdy Bairamow, Kulnasar Bekmuradow, Mamed Mamedow und Dschuma Dschumadurdy – sind ein beinahe magisches Phänomen. Die Informationen über die sieben Künstler sind spärlich, fast überall findet sich nur ein Nachhall der Emotionen, die sie ausgelöst haben.
Die Einmaligkeit der „Sieben“ ist unbestreitbar, denn weder vor noch nach ihnen feierten turkmenische Maler einen solchen Erfolg. Es heißt, dass die Werke in ihrer Bedeutung nur deshalb so einen besonderen Effekt erzielen konnten, weil die Künstler ausschließlich gemeinsam ausstellten. Der Zauber ihres Schaffens lag in der Quintessenz des „vorgegebenen“ Themas, des Symbolismus, der Zurückhaltung des Motivs sowie der besonderen romantischen Atmosphäre.
Die Ausstellung „Auf der Erde Turkmeniens“ ist heute praktisch ein Mythos, auf den man doch wenigstens einen kleinen Blick werfen möchte. Wer waren sie, die Gesandten der höheren Kunst? Talente, Sänger ihrer Heimat, aber gleichzeitig gewöhnliche Menschen mit ihrem Schicksal, ihren Freuden und Nöten.
Sieben Künstler – sieben Schicksale
Stanislaw Babikow war ein Meister der Farbe, der seine Seele für die Malerei „verkauft“ hatte. Sein Schicksal war ein schweres. Er unterschied sich von den anderen darin, dass er seinen eigenen Weg gegen die Fortsetzung der Stilrichtung Klytschews hin zu lebendigeren und plastischeren Bildsymbolen ging. Aufgrund seiner Abwendung von den Traditionen zugunsten von mehr Offenheit wurde Babikow des Verrats und des Formalismus beschuldigt, weshalb sein Werk leider nur einem sehr engen Kreis zugänglich blieb.
„Was bedeutet es denn, in der Kunst zu lügen? Diese Frage war für uns sehr schwierig zu beantworten … Uns wurde klar, dass das einstudierte Handwerk unaufrichtig ist, dass das Leben vielseitig und veränderlich ist, und es ist so schwer, jedes Mal genau die eine Farbe zu finden, diese eine Verflechtung der Linien, diese eine Farboberfläche, diese eine Anordnung auf der Leinwand, woraus dann etwas Unnachahmliches entsteht, das charakteristisch für diesen einen Menschen ist, genau seiner Stimmung entspricht, mal einen weichen und samtigen Charakter, mal kalte Überheblichkeit widergibt, oder aber Weisheit, und zwar genau diese eine Art von Weisheit“, überlegte der Künstler.
Tschary Amangeldyjew hingegen wurde zum herausragenden Nachfolger Klytschews und brachte in leuchtenden Farbtönen die Erregung und Besorgnis seines Künstlerwesens zum Ausdruck. Er war und ist eine starke Persönlichkeit, die nie den leichten Weg nahm: Als er nach seiner Kindheit im Kinderheim zur Malerei gefunden hatte, war dies eine Entscheidung für immer. Er war ein fleißiger Schüler und wurde durch Anstrengung und Beharrlichkeit erfolgreich, zuerst als Mitglied der „Großen Sieben“ und später dann als Freischwimmer. Tschary Amangeldyjew experimentiert in seinen Gemälden nach wie vor mit verschiedenen Genres und Themen.
Durdy Bairamow gilt als Glückspilz der „Sieben“, seine Lehrer waren nämlich Issat Klytschew und Gennadi Brusenzow, beide grandiose Meister ihrer Zeit. Unter seinen Kameraden, die peinlich darauf bedacht waren, einander in ihrem Schaffen unähnlich zu sein, war er der jüngste Maler. Den wichtigsten Ratschlag, der einerseits einfach und banal, gleichzeitig aber so wichtig war, erhielt er von ihnen: „Sei kein Nachahmer. Finde deinen eigenen Stil.“
Bairamow fand sich selbst in der Porträtmalerei wider; in der Darstellung seiner Figuren ähnelt er Rembrandt, den er als eine seiner Inspirationsquellen nennt. Im Spiel mit Licht und Schatten bringt er eine unglaublich lebendige Energie auf die Leinwand.
Über Kulnasar Bekmuradow wissen wir wenig. Er schuf Gemälde und Grafiken, war lakonisch im Leben wie auch in seinem Werk. Eines seiner bekanntesten Gemälde ist „Das Erwachen der Stummen“, ein Werk über die Emanzipation der Frau, die Veränderung ihrer Rolle im Leben – ganz bewusst stellt er die Frauen in roten Gewändern dar, ein Symbol für das Herz und das Leben.
Mamed Mamedow besaß unbestreitbar ein unverschämtes Talent und ebenso unbestreitbar einen dunklen Charakter. Aus seiner Art zu malen, die anfangs fragmentarisch, dann leuchtender und freier und später selbstsicher, großflächig, aber von raffinierter Zurückhaltung war, zeigt sich wie in einem Prisma der Werdegang des Künstlers als Persönlichkeit.
Mamedow war ein Geflecht aus Widersprüchen, am quälendsten dabei war für ihn der Gegensatz zwischen Kunst für die Seele und Kunst für das materielle Überleben. Diesen Widerspruch konnte er Zeit seines Lebens nicht lösen und nahm ihn mit ins Grab.
Schamuchammed Akmuchammedow war ein richtiges Universalgenie: Künstler, Schauspieler, Schriftsteller, Drehbuchautor und Sänger. Wie auch die anderen Künstler der Gruppe ein Waisenkind, besaß er eine besondere Standfestigkeit: Niemals tat er etwas in Eile und schaffte doch immer alles. Als Maler war er ebenso ein Tausendsassa wie in seinen anderen Schaffensbereichen. Bei allem Experimentieren mit verschiedenen Stilen verlor Akmuchammedow jedoch nie seine Individualität und bekam so zu Recht einen Platz unter den „Großen Sieben“.
Und schließlich Dschuma Dschumadurdy mit seiner anstoßerregenden und eigentümlichen Art, der eigentlich kein Maler war und als letzter zur Gruppe hinzustieß. Dschuma war Bildhauer und der einzige, der nur eine Ausbildung in Turkmenistan vorzuweisen hatte. Die Hauptaufgabe seines Schaffens sah er in der Vereinigung zwischen Westen und Osten, zwischen Kontinuität und Innovation – ein Ziel, das ihn mit den restlichen Mitgliedern der „Großen Sieben“ vereinte.
Ein flüchtiges Phänomen
Ein Phänomen ist eine Anomalie, etwas, das sich nicht so manifestiert, wie man es erwartet. Im Falle der „Sieben“ kann man sogar von einer zweischichtigen Anomalie sprechen: Niemand hätte eine solche Originalität und Professionalität von turkmenischen Malern erwartet, aber ebenso wenig hätte man dem Phänomen nach einer derartigen Furore ein so schnelles Erlöschen vorausgesagt. Nach 1971 gab es keine Gruppenausstellungen und auch keinen gemeinsamen künstlerischen Weg mehr. Der Grund für die erste Anomalie ist mehr als klar, aber was ist mit der zweiten? Die „Großen Sieben“ sind nach wie vor ein Mythos, wichtig und notwendig, rätselhaft und berührend, doch nichtsdestotrotz ein Mythos. Wie zufällig hatten die Mitglieder der Gruppe zusammengefunden und wollten sich und ihre Verschiedenheit, vereint in einem gemeinsamen Ziel, zeigen. Jedoch gelang es ihnen nicht, zu einer Einheit zu werden. Andererseits ist das wohl auch nicht das Ziel. Die Kunst ist, wie man weiß, ein Handwerk für die Einsamen.
Im Russischen Original von Margarita Agadschanjan für Caspian News
Aus dem Russischen übersetzt von Debora Nischler