Startseite      Tadschikistan: Vertreter der Taliban-Regierung im Konsulat in Chorugh ernannt

Tadschikistan: Vertreter der Taliban-Regierung im Konsulat in Chorugh ernannt

Das Konsulat in Chorugh, Tadschikistan, wurde von der Behörde des Taliban-Regimes übernommen. Der afghanische Botschafter in der Hauptstadt Duschanbe, der von der früheren Regierung ernannt wurde, ist allerdings der Auffassung, dass dieser Vertreter nicht legitim sei. Die tadschikistanische Regierung, die die Taliban nicht anerkennt, äußerte sich nicht zu dieser Frage.

Das Konsulat Afghanistans in Chorugh wurde von einem Vertreter der Taliban übernommen (Illustration). Foto: Nane Bouvier / Novastan.
Das Konsulat Afghanistans in Chorugh wurde von einem Vertreter der Taliban übernommen (Illustration). Foto: Nane Bouvier / Novastan.

Das Konsulat in Chorugh, Tadschikistan, wurde von der Behörde des Taliban-Regimes übernommen. Der afghanische Botschafter in der Hauptstadt Duschanbe, der von der früheren Regierung ernannt wurde, ist allerdings der Auffassung, dass dieser Vertreter nicht legitim sei. Die tadschikistanische Regierung, die die Taliban nicht anerkennt, äußerte sich nicht zu dieser Frage.

In Tadschikistan gibt es nun zwei diplomatische Vertreter Afghanistans, die von zwei verschiedenen Regierungen kommen. Der eine in Duschanbe ist Botschafter Mohammad Zahir Aghbar, der die Regierung der Islamischen Republik Afghanistan unter dem im August 2021 gestürzten ehemaligen Präsidenten Aschraf Ghani vertritt.Der andere ist Nakiboullo Dehkonzoda, der von den Behörden des Taliban-Regimes zum Leiter des afghanischen Konsulats in Chorugh in der autonomen Region Berg-Badachschan ernannt wurde.

Die beiden Vertreter streiten also um die Legitimität. Das letzte Wort hat die tadschikische Regierung, die sich noch nicht dazu geäußert hat.

Zwei Vertreter, zwei Regierungen

Am 7. November zerriss Botschafter Mohammad Zahir Aghbar öffentlich die Kopie eines Schreibens, der im Namen der Taliban an die Medien verteilt worden war. Darin stand, dass einer ihrer Vertreter zum ersten Sekretär der Botschaft in Tadschikistan ernannt worden war. Der Botschafter dementierte dies und forderte die Bevölkerung auf, keine falschen Informationen zu verbreiten:

„Unser Konsulat in Chorog ist in keiner Weise in den Händen der Taliban. Wir haben es aufgrund mangelnder wirtschaftlicher Möglichkeiten vorübergehend geschlossen, und unsere Kollegen arbeiten weiterhin hier [im Büro der afghanischen Botschaft in Tadschikistan]“, sagte er laut dem Sender AsiaTV.

Dennoch, so Radio Ozodi, veröffentlichte der stellvertretende Sprecher des Außenministeriums der Taliban, Hafiz Zia Ahmad, am 9. November auf X (früher Twitter) ein Video, in dem er mit Nakibullo Dehkonzoda spricht und behauptet, mit der direkten Unterstützung und Aufsicht des Außenministeriums des Islamischen Emirats Afghanistan zu arbeiten.

Dekhkonzoda erklärt darin, dass er den tadschikistanischen Behörden für die Öffnung der Grenzposten und -märkte gedankt habe und dass sich die Taliban in den Bereichen Transport, Handel, Grenzfragen und Auslieferung von Gefangenen mit Tadschikistan koordinieren würden. Seinen Worten zufolge werden die Aktivitäten des Konsulats von nun an auf die Bereitstellung von Visa und Pässen für afghanische Bürger ausgeweitet.

Zustimmendes Schweigen

Die tadschikistanischen Behörden äußerten sich allerdings nicht zur Anwesenheit eines Vertreters der Taliban mit diplomatischen Funktionen in Chorugh, obwohl Tadschikistan das einzige Nachbarland Afghanistans ist, das keine diplomatischen Beziehungen zur Taliban-Regierung aufgenommen hat.Der tadschikistanische Präsident Emomalj Rahmon hat die Taliban beschuldigt, Minderheitengruppen, insbesondere die Tadschiken, nicht in die Regierungsführung Afghanistans einzubeziehen, berichtet Intellinews. Tadschikinnen und Tadschiken sollen 27% der afghanischen Bevölkerung ausmachen. Als die Taliban in Afghanistan wieder an die Macht kamen, sorgten sie zudem für Spannungen mit der tadschikistanischen Regierung, indem sie bewaffnete Männer der mit den Taliban verbündeten Jamaat Ansarullah entlang der gemeinsamen Grenze stationierten.

Als Reaktion darauf hat Tadschikistan seit 2021 seine Militärpräsenz im Grenzgebiet verstärkt und die Zahl der Militärposten auf über 100 erhöht, berichtet Asia-Plus. Die tadschikistanischen Behörden haben wiederholt vor Sicherheitsbedrohungen durch extremistische Gruppen aus Afghanistan gewarnt.

Lest auch auf Novastan: Tadschikistan: Jenseits von Krieg und Drogen, ein anderer Blick auf Afghanistan

Es gibt jedoch einen Präzedenzfall für die aktuelle Situation. Nachdem eine Lawine im März die Infrastruktur des Konsulats in Chorugh beschädigt hatte, reiste eine Gruppe von Vertretern der Taliban-Regierung an, um den Schaden zu begutachten, berichtet Avesta. Bei dieser Gelegenheit bestätigten die afghanischen Behörden die Anwesenheit dieser Gruppe, während die tadschikistanische Regierung die Situation weder klarstellte noch dementierte.

Eine wirtschaftlich pragmatische, politisch geschlossene Position

Ein weiteres Indiz für eine mögliche Annäherung zwischen Tadschikistan und Afghanistan ist die Wiederaufnahme der gemeinsamen Handelsaktivitäten an der Grenze Anfang September. Die Maßnahme wurde laut der Stadtverwaltung von Chorog auf „Anweisung des Präsidenten der Republik Tadschikistan, Emomali Rahmon“ ergriffen, so Radio Ozodi.

Tadschikistan setzte auch unter dem Taliban-Regime den Handel mit Afghanistan fort. Im vergangenen Jahr waren beispielsweise die Exporte nach Afghanistan gestiegen, vor allem im Stromsektor, der die Hälfte des Umsatzes ausmacht. Außerdem bestand 97% des binationalen Handels aus Exporten nach Afghanistan.

Der Handelsaustausch geht also weiter.  Der Präsident des Landes hat sich zu dieser diplomatischen Intrige nicht geäußert. Doch der Direktor des Zentrums für strategische Studien Tadschikistans, Khaidriddin Usmonzoda, sagte gegenüber Asia-Plus im August: „Angesichts unserer Nähe zu diesem Land werden wir die wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht einstellen. Denn die Unterstützung Tadschikistans für das afghanische Volk hängt in erster Linie von einer verstärkten wirtschaftlichen Zusammenarbeit ab. Tadschikistan hat alle seine Transportkorridore den Nachbarländern und internationalen Organisationen zur Verfügung gestellt, die dem Land humanitäre Hilfe leisten könnten. Was jedoch die politischen Beziehungen betrifft, so ist die Haltung Tadschikistans gegenüber den Taliban unverändert und stabil.“

Das Taliban-Regime kämpft aufgrund seiner menschenrechtswidrigen Politik immer noch um seine Legitimität in der internationalen Gemeinschaft. Die Haltung der tadschikistanischen Regierung erscheint daher paradox:  Sie bemüht sich, zwischen dem Handelsaustausch zur Unterstützung des afghanischen Volkes, der politischen Unvereinbarkeit und der Sicherheit des tadschikischen Territoriums angesichts der in Afghanistan koexistierenden extremistischen Gruppen zu unterscheiden.

Indira Ramirez, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Michèle Häfliger

Noch mehr Zentralasien findet ihr auf unseren Social Media Kanälen: Schaut mal vorbei bei Twitter, Facebook, Telegram, Linkedin oder Instagram. Für Zentralasien direkt in eurer Mailbox könnt ihr euch auch zu unserem wöchentlichen Newsletter anmelden.

Kommentare

Your comment will be revised by the site if needed.