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Tadschikistan: Schwierige Nachbarschaft mit den Taliban

Seitdem die Taliban in Afghanistan an die Macht gekommen sind, muss Tadschikistan seine Politik anpassen, obwohl die Spannungen zwischen beiden Ländern weiter zunehmen. Um seine Grenzen zu schützen, muss das Land mit ausländischen Streitkräften zusammenarbeiten.

Seitdem die Taliban in Afghanistan an die Macht gekommen sind, muss Tadschikistan seine Politik anpassen, obwohl die Spannungen zwischen beiden Ländern weiter zunehmen. Um seine Grenzen zu schützen, muss das Land mit ausländischen Streitkräften zusammenarbeiten.

Radio Azattyq, der kasachstanische Dienst von Radio Free Europe, hat am 19. Mai berichtet, dass die Taliban mehr als 200 tadschikische Lastwagen an der afghanischen Grenze aufgehalten haben. Laut Zeugenaussagen verbot die Polizei den Truckern weiterzufahren, aber auch ihre Fahrzeuge zu verlassen. Der Sprecher der Taliban, Sabiullah Mudschahid, erklärte, man werde „die Beziehungen zu Tadschikistan normalisieren und die Grenze öffnen, sobald die Parteien eine formelle Einigung über eine Reihe von Themen erzielen“.

Unterstützung für die Opposition erzeugt Spannungen

Dieser Vorfall ereignete sich vor dem Hintergrund zunehmender Spannungen zwischen den beiden Ländern. In mehreren Berichten wird behauptet, dass Tadschikistan einigen Anführern der Nationalen Widerstandsfront nahestehe. Diese Oppositionsgruppe besteht hauptsächlich aus Angehörigen der tadschikischen Minderheit in Afghanistan. Zwar hat Duschanbe solche Behauptungen stets bestritten, jedoch hatte Tadschikistans Präsident Emomali Rahmon im September 2021 gefordert, dass die Taliban humanitäre Hilfe für Pandschir zulassen – eine Provinz Afghanistans, die sich gegen die neuen Machthaber stellt.

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Wie das tadschikische Nachrichtenportal Asia-Plus berichtete, erklärte der den Taliban nahestehende ehemalige afghanische Premierminister Gulbuddin Hekmatyar am 11. Mai, dass Tadschikistan, indem es „der afghanischen Opposition Asyl gewährte, Afghanistan den Krieg erklärt“ habe.

Über die wahre Bedeutung seiner Äußerungen streiten sich jedoch die Expert:innen. Der im gleichen Artikel zitierte Politologe Amiri Samon argumentiert, es sei „kein Geheimnis, dass Tadschikistan eine Art Rückzugsgebiet“ für Oppositionsgruppen sei. Hekmatyars Worte wären demnach eine Warnung, die direkt von der neuen Regierung kommt.

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Laut Said Homidow, der ebenfalls in dem Artikel zitiert wird, sollten solche Bemerkungen nicht überinterpretiert werden. Hekmatyar mache wegen seiner persönlichen Erfahrung mit dem Land regelmäßig kritische Bemerkungen gegenüber Tadschikistan. Die Meinung des ehemaligen Premierministers, der mehrere Jahre keine offizielle Rolle mehr bekleidet hat, müsse nicht unbedingt jene der Taliban insgesamt sein.

Tadschikistan hält an Wehrpflicht fest

Die zahlreichen Vorfälle an der afghanischen Grenze haben die tadschikische Regierung ermutigt, die unbeliebte Wehrpflicht aufrechtzuerhalten. Hiervon sind alle männlichen Bürger zwischen 18 und 27 Jahren betroffen. Wird ein Betrugsversuch aufgedeckt, droht der Person eine hohe Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Gefängnis.

Die tadschikische Armee befindet sich jedoch in einer tiefen Krise, da laut Asia-Plus viele junge Menschen zum Arbeiten ins Ausland gehen, um ihrem Militärdienst zu entgehen. Um dieses Defizit auszugleichen, wendet der Staat illegale Methoden an, indem er zum Beispiel Studenten zum Militärdienst zwingt oder „Razzien“ durchführt, bei denen junge Menschen gezwungen werden, sich zu melden. Ein solch ungleiches und repressives System lässt viele Menschen auf eine Reform des Militärapparats hoffen.

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Laut Mahdi Sobir, einem in dem Artikel zitierten Militärexperten, ist die Mehrheit der Länder in der „kapitalistischen Welt“ zur Berufsarmee übergegangen. Der ebenfalls in dem Artikel zitierte Oberst der Reserve Bahtijor Rahmonow ist der Ansicht, dass eine solche Reform das Ansehen der Streitkräfte erhöhen könnte.

Der Soldat hält den Übergang zu einer Berufsarmee aus finanziellen Gründen jedoch für unmöglich. Einen stabilen und menschenwürdigen Lohn zu garantieren, scheint für den ärmsten Staat Zentralasiens nicht machbar zu sein. Daher muss Tadschikistan mit anderen Mächten kooperieren, um effektiver kämpfen zu können.

Allianzen, um interne Schwächen auszugleichen

Tadschikistan muss eine lange, durchlässige Grenze verteidigen und arbeitet daher mit mehreren Großmächten zusammen. Während einer am 10. Mai organisierten Pressekonferenz erklärte John M. Pommersheim, Botschafter der Vereinigten Staaten in Tadschikistan, dass Washington in den nächsten zwei Jahren 60 Millionen US-Dollar (56,7 Millionen Euro) für die Sicherheit des Landes bereitstellen werde. Zusätzlich zu dieser finanziellen Unterstützung wird die US-Regierung Puma-Drohnen zur Überwachung der Landesgrenzen zur Verfügung stellen.

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Auch wenn der Botschafter vor möglichen Angriffen aus Nordafghanistan warnt, schließt Washington die Errichtung einer Militärbasis auf tadschikischem Territorium jedoch aus. In 30 Jahren wurden nach Angaben der Vereinigten Staaten mehr als 330 Millionen US-Dollar (312 Millionen Euro) an Hilfe für die Sicherheit des Landes geliefert.

Anders als die Vereinigten Staaten unterhält Russland seine 201. Militärbasis in Tadschikistan und signalisiert Bereitschaft, die Region vor der Bedrohung durch die Taliban zu schützen. Alexander Sternik, Beamter des russischen Außenministeriums, bekräftigte laut Angaben der russischen Nachrichtenagentur TASS am 15. Oktober 2021 Moskaus Wunsch, die Übungen mit Usbekistan und Tadschikistan fortzusetzen, „solange es die alarmierende Situation [in Afghanistan] erfordert“.

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Nach der Machtübernahme der Taliban hat Duschanbe Truppen und Ausrüstung entlang der Grenze zu Afghanistan verlegt. Wie Radio Free Europe berichtet, haben Russland und Tadschikistan in der Folge immer wieder Militärübungen entlang der Grenze abgehalten.

Paul Mougeot, Redakteur für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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