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Tadschikistan: Der Druck auf die Aga-Khan-Stiftung wächst

Die Aga-Khan-Stiftung gilt als einer der Hauptarchitekten der Entwicklungsarbeit in Tadschikistan. Doch nun steht die Verstaatlichung von Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen der Stiftung in der Autonomen Provinz Berg-Badachschan an.

Blick über Chorugh, die Hauptstatdt der autonomen Provinz Berg-Badachschan, Photo: Wikimedia Commons

Die Aga-Khan-Stiftung gilt als einer der Hauptarchitekten der Entwicklungsarbeit in Tadschikistan. Doch nun steht die Verstaatlichung von Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen der Stiftung in der Autonomen Provinz Berg-Badachschan an.

Seit Juni haben die Behörden in Tadschikistan zwei Einrichtungen der gemeinnützigen Aga-Khan-Stiftung verstaatlicht. Die von Karim Aga Khan IV. gegründete internationale Organisation gilt als einer der wichtigsten Entwicklungsakteure in Tadschikistan.

Einer dritten Einrichtung, dem Aga Khan Foundation Medical Center in Chorugh, der Hauptstadt der autonomen Provinz Berg-Badachschan, droht die Beschlagnahmung durch die Behörden. Dies berichten Quellen von Radio Ozodi, dem tadschikischen Dienst von Radio Free Europe. Der Verstaatlichungsprozess fand unter strenger Kontrolle statt und wurde erst durch Berichte von Radio Ozodi und dem unabhängigen Nachrichtenportal Pamir Daily News bekannt. Sie zitierten in ihren Artikeln Quellen aus der Stiftung. Die Regierung von Emomali Rahmon hat sich bisher nicht dazu geäußert.

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„Das Hotel Serena Khorog Inn, im Besitz der Aga-Khan-Stiftung, wurde verstaatlicht und steht bereits der Verwaltung der Autonomen Provinz Berg-Badachschan zur Verfügung“, berichtet Pamir Daily News. Das Hotel in Chorugh am Ufer des Pjandsch war Teil des Schweizer Unternehmens Serena Tourism Promotion Services SA, das der Stiftung gehört. Das Unternehmen betreibt eine Hotelkette in mehreren afrikanischen Ländern, Pakistan und Afghanistan. Auch in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe wurde ein Hotel der Marke Serena gebaut, berichtet Radio Ozodi.

Schule verstaatlicht, Lehrer:innen entlassen

Die Kampagne der tadschikischen Regierung gegen die Aga-Khan-Stiftung hat sich in den letzten Wochen verschärft. Betroffen sind nicht nur das Hotel, sondern auch andere Einrichtungen, der Bevölkerung Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen erbringen. So wurde auch die Aga-Khan-Schule verstaatlicht. Sie befindet sich in Chorugh und wurde 1998 in Anwesenheit des Aga Khan und des Präsidenten Emomali Rahmon eröffnet. Laut Radio Ozodi wird sie weiterhin als öffentliche Sekundarschule geführt.

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Ehemalige Schulmitarbeiter:innen sagten gegenüber Radio Ozodi, dass „das Ministerium für Bildung und Kultur die Türen versiegelt und bekannt gegeben hat, dass alle Lehrer entlassen wurden“. Laut Pamir Daily News wurden tatsächlich 120 Lehrer:innen entlassen. Die Schule war eine der wenigen Schulen im Land, an der die Schüler:innen neben Tadschikisch auch Englisch und Russisch lernten.

1 200 Kinder lernten in dieser Schule, die zum Aga Khan Education Service (AKES) gehörte. AKES betreibt fast 200 Schulen, die jährlich mehr als 100 000 Kindern in Asien, Afrika und dem Mittleren Osten Vorschul-, Grundschul- und Sekundarunterricht bieten.

Die Feindseligkeiten sind nicht neu

Die Anfeindungen gegen die Stiftung sind jedoch nicht neu. Pamir Daily News listete bereits im Oktober 2022 den vielfältigen Druck der Regierung auf. Der Artikel zitiert anonyme Quellen innerhalb der Stiftung, denen zufolge das Gebäude der Aga-Khan-Stiftung in Chorugh, in dem sich das Aga Khan Medical Center und die First Microfinance Bank befinden, verstaatlicht werden soll. Dasselbe gelte für das Gebäude, in dem das Mountain Societies Development Support Program untergebracht ist, das ebenfalls der Stiftung gehört.

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Der Stadtpark von Chorugh, der ebenfalls der Stiftung gehörte, wurde im August 2022 an den Staat übergeben. Darüber hinaus wurden Anfang des Jahres nach einer Prüfung durch Inspektoren aus Duschanbe die Gehälter der Mitarbeiter:innen von Pamir Energy und des Aga Khan Medical Center gekürzt.

Wie Eurasianet berichtet, wurde den ebenfalls von der Stiftung errichteten ismailitischen Zentren in Chorugh und Duschanbe verboten, Veranstaltungen zur Förderung der religiösen Bildung durchzuführen. Insgesamt scheinen diese Maßnahmen darauf abzuzielen, den Einfluss der Stiftung auf die Bevölkerung zu verringern oder zu negieren.

30 Jahre für die Entwicklung in Tadschikistan

Die Aga-Khan-Stiftung bezeichnet sich selbst als eine Organisation, die sich für „ein wirtschaftlich dynamisches, politisch stabiles, intellektuell dynamisches und kulturell tolerantes Tadschikistan“ einsetzt. Die Stiftung konzentriert sich auf humanitäre, sozioökonomische und kulturelle Themen, deckt mit ihren Aktivitäten das ganze Land ab und beschäftigt dort laut ihrer offiziellen Website mehr als 3 500 Mitarbeiter:innen. Zwischen 1995 und 2018 hat sie eine Milliarde US-Dollar (895 Millionen Euro) in Tadschikistan investiert.

Die Aga-Khan-Stiftung ist ein wichtiger Akteur in der Entwicklung der gesamten Region und seit über 30 Jahren im Land aktiv. Ismailit:innen machen nur drei Prozent der Muslime in Tadschikistan aus, also etwa 200 000 Menschen. Dennoch hat die Stiftung eine so wichtige Rolle bei der Entwicklung des Landes und in Krisen wie dem Bürgerkrieg (1992-1997) gespielt, dass sie von der tadschikischen Bevölkerung allgemein respektiert wird.

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Aufgrund ihrer Beliebtheit gehen Medien wie Eurasianet davon aus, dass die Maßnahmen gegen die Aga-Khan-Stiftung darauf abzielen könnten, den Einfluss dieses humanitären und religiösen Konglomerats in der sensiblen Pamir-Region zu schwächen, um es der Regierung zu ermöglichen, die Kontrolle über dieses mehrheitlich von Ismailit:innen bewohnte Gebiet zu festigen.

Indira Ramírez, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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