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Tadschikistan: 32 Tote bei einem Gefängnisaufstand

Am Abend des 19. Mai kamen bei einem Aufstand im Gefängnis von Wachdat drei Mitarbeiter und 29 Gefangene ums Leben. Nach Angaben der tadschikischen Behörden waren die Verantwortlichen größtenteils wegen Radikalisierung verurteilt. Laut dem Justizministerium handelt es sich bei dem Ereignis um einen Fluchtversuch.

Wahdat Tadschikistan
Ein Aufstand im Wahdat Gefängnis, 15km östlich von Duschanbe, kostete 32 Menschen das Leben

Am Abend des 19. Mai kamen bei einem Aufstand im Gefängnis von Wachdat drei Mitarbeiter und 29 Gefangene ums Leben. Nach Angaben der tadschikischen Behörden waren die Verantwortlichen größtenteils wegen Radikalisierung verurteilt. Laut dem Justizministerium handelt es sich bei dem Ereignis um einen Fluchtversuch.

Der Aufstand am Abend des 19. Mai im Gefängnis von Wachdat forterte 32 Opfer.  Gegen 20:30 Uhr Ortszeit nahmen 30 radikalisierte und bewaffnete Häftlinge drei Mitarbeiter des Strafvollzugszentrums als Geiseln und töteten sie im Anschluss. Der Aufstand war nach Angaben des Justizministeriums ein schnell unterbundener Fluchtversuch. Die Geiseln sollten demnach zur Verhandlung über die Freilassung eingesetzt werden.

Insgesamt 29 Häftlinge kamen bei dem Aufstand ums Leben, 24 davon wurden von Sicherheitskräften getötet, die in der Strafvollzigsanstalt mit insgesamt 1500 Häftlingen einschritten. Zusammenstöße zwischen Häftlingen forderten weitere fünf Todesopfer. Unter letzteren befanden sich nach Angaben des Justizministeriums prominente Führer der Islamischen Partei der Widergeburt Tadschikistans (IRPT). „Während der Verhandlungen brach ein bewaffneter Konflikt unter den Häftlingen aus, die sich mit Messern und anderen scharfen Gegenständen wehrten und mehrere Mitarbeiter verletzten„, so eine Mitteilung des Ministeriums.

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Die Gefängnis, das auch unter dem Namen Kirpitschnij bekannt ist, befindet sich im Dorf Rochati im Bezirk  Wachdat, 15 Kilometer östlich der Hauptstadt Duschanbe.Die Lage dort war zeitweise beunruhigend. „Die Lage hat sich normalisiert und ist vollständig unter Kontrolle„, so die Behörden.

Ein Aufruhr aufgrund von Radikalisierung

Laut dem tadschikischen Online-Medium Asia Plus, das eine Pressekonferenz des tadschikischen Justizministeriums zitiert, steht mitunter Behruz Gulmurod hinter dem Aufstand. Er ist der Sohn von Oberst Gulmurod Chalimow, einem ehemaligen Kommandeur der tadschikischen Polizei-Sondereinheiten, der zum Islamischen Staat überlief und 2017 in Syrien getötet wurde. Gulmurod wurde im Juni 2017 wegen Verbrechen und versuchtem Verbrechen sowie Söldnerei verurteilt und verbüßte eine zehnjährige Freiheitsstrafe.

Der Aufstand soll auch einigen Berichten zufolge von Fahriddin Gulow unterstützt worden sein. Der 25-Jährige wurde im August 2018 als Leiter einer kriminellen Gruppe zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt. Mitglieder seiner Gruppen planten vermeintlich eine Reihe von Terroranschlägen in der Hauptstadt. Asia Plus berichtet, dass die Aufständischen nach der Ermordung der drei Gefängnismitarbeiter acht Gafangene freiließen, die als Mitglieder der Terrororganisation Islamischer Staat in Isolationshaft saßen. Die medizinische Einheit des Hauses wurde in Brand gesetzt, um den Häftlingen die Flucht zu ermöglichen.

Nachdem sie Lage unter Kontrolle gebracht wurde, eröffnete die Staatsanwaltschaft eine strafrechtliche Untersuchung. Dies berichtete Asia Plus. Die Freilassung der Mitglieder des islamischen Staates weist auf die Radikalisierung der Insassen als Ursache des Aufstands hin.  Edward Lemon , Experte für Sicherfragen in Tadschikistan, erklärte jedoch auf Anfrage von Novastan, dass „bei den breit gefassten Extremismusgesetzen in Tadschikistan die Grenzen zwischen gewaltfreiem Extremismus, gewalttätigem Extremismus und politischem Aktivismus verschwimmen.

Auf die Frage nach der Anwesenheit von Mitgliedern der Islamischen Partei der Widergeburt unter den Opfern weist Lemon darauf hin, dass „es ziemlich zweckmäßig erscheint, dass Angriffe innerhalb des Gefängnisses auf politische Gefangene, einschließlich Mitglieder des IRPT, gerichtet sind. Obwohl die Behörden den Islamischen Staat für diesen Angriff verantwortlich gemacht haben, ist es möglich, dass sie den Aufstand selbst ausgelöst haben, um einige der politischen Gefangenen zu eliminieren.

Ein bezeichnendes Ereignis

Der Aufstand ist keineswegs ein unbedeutendes Ereignis für Tadschikistan. Tatsächlich warnen Experten die Behörden seit langem vor der raschen Radikalisierung von Gefangenen in tadschikischen Gefängnissen. Es ist außerdem der zweite Aufstand dieser Art innerhalb von sechs Monaten. Am Abend des 8. November 2018 brach bereits im Gefängnis von Chudschand im Norden des Landes ein Aufstand aus. Laut offiziellen Angaben wurden dabei 23 Menschen getötet, darunter zwei Mitarbeiter. Neun Mitarbeiter des Strafvollzugszentrums wurden im Anschluss wegen Fahrlässigkeit zu Haftstrafen verurteilt.

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Im Jahr 2017 gab der Sicherheitsrat der Präsidialverwaltung eine Studie über die Radikalisierung in Strafvollzugsanstalten in Auftrag. Die Ergebnisse der Studie wurden nicht veröffentlicht und eine Veröffentlichung ist nicht vorgesehen. Einer der Autoren der Studie nennt jedoch das Ausmaß des Problems und erklärt, dass von den 500 Personen, die 2017 in Tadschikistan wegen Extremismus und Terrorismus verurteilt wurden, etwa 100 tatsächlich radikalisiert sind. Edward Lemon nennt ähnliche Zahlen: „nach offiziellen Angaben sind knapp 1.900 Tadschiken dem Islamischen Staat beigetreten. Die meisten von ihnen wurden dort getötet. 200 sind womöglich zurückgekehrt und andere wurden verhaftet, bevor sie Tadschikistan verließen“.

Dieser Aufstand und die damit verbundenen Todesfälle können vielleicht den tadschikischen Präsidenten Emomalii Rahmon zu einem Strategiewechsel verleiten. Am 17. Mai erklärte er auf einem Gipfel über Sicherheit und Terrorismus: „Tadschikistan ergreift umfassende Maßnahmen, um die Beteiligung von Bürgern an terroristischen und extremistischen Gruppen zu verhindern. Nach der geltenden Gesetzgebung des Landes sind Personen, die freiwillig auf ihre illegale Teilnahme an bewaffneten Zusammenstößen und militärischen Operationen im Hoheitsgebiet anderer Staaten verzichten und in ihr Herkunftsland zurückkehren, von der strafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn keine Beweise für andere Verbrechen vorliegen. Gleichzeitig wird ihre Wiedereingliederung in das friedliche Leben gefördert.“

Die Redaktion

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