Tadschikistan hat gewählt: Bei der Parlamentswahl am 1. März erhielt die regierende Demokratische Volkspartei mehr als 50 Prozent der Zweitstimmen. Die einzige zu den Wahlen zugelassene Oppositionspartei scheiterte an der 5-Prozent-Hürde.
Der 1. März war großer Wahltag in Tadschikistan. So waren die BürgerInnen aufgerufen, nicht nur die Abgeordneten für Regionalparlamente und Stadträte zu wählen, sondern auch über die Zusammensetzung des Unterhauses abzustimmen. Das nationale Parlament Tadschikistans besteht aus zwei Kammern, wobei die Mitglieder des Nationalrats durch Regionalparlamente und den Präsidenten ernannt werden, während die 63 Abgeordneten des Unterhauses vom Volk gewählt werden.
Vorhersagbare Ergebnisse
Die Ergebnisse, die der Leiter der Wahlkommission, Bachtijor Chudojorsoda, am Nachmittag des 2. März vorstellte, brachten keine Überraschungen. So konnte die regierende Demokratische Volkspartei Tadschikistans 50,4 Prozent der Zweitstimmen auf sich vereinigen. Ebenfalls im Parlament vertreten sind die Partei für Wirtschaftsreformen (16,61 Prozent), die Agrarpartei (16,5 Prozent), die Sozialistische Partei (5,15 Prozent) und die Demokratische Partei (5,1 Prozent).
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Sowohl die Kommunistische Partei (3,1 Prozent) als auch die Sozialdemokratische Partei (0,32 Prozent) scheiterten an der 5-Prozent-Hürde. Die KommunistInnen profitieren allerdings davon, dass 41 der insgesamt 63 Abgeordneten in Direktwahlkreisen bestimmt werden. Wie Asia-Plus berichtete, konnte ihr Vorsitzender Mirodsch Abdullajew seinen Wahlkreis gewinnen. Mit der Sozialdemokratischen Partei geht jedoch die einzige zu den Wahlen zugelassene Oppositionspartei leer aus.
Die genaue Sitzverteilung wird erst mit den Ergebnissen aus den 41 Direktwahlkreisen bekannt sein. Doch laut Fergana News gehen die meisten TadschikInnen davon aus, dass mindestens zwei Drittel davon an VertreterInnen der Regierungspartei gehen werden.
Ein zahmes Parlament
Auch wenn sechs der sieben angetretenen Parteien im Parlament vertreten sein werden, wird Präsident Emomali Rahmon kaum mit Gegenwind zu seiner Politik rechnen müssen. Zwar nannten sich in einer von Radio Ozodi organisierten Podiumsdiskussion die Vorsitzenden der Mehrheit der Parteien oppositionell, konnten aber nicht deutlich erklären, wo ihre Positionen von denen der Regierung abweichen.
Die SozialdemokratInnen hingegen waren früh auf Konfrontationskurs gegangen. Die Partei verkündete, dass sie nicht daran glaube, dass die Wahlen transparent sein werden, dass sie aber daran teilnehme, „um den Willen des Volkes zu stärken“. Die Teilnahme der Sozialdemokatischen Partei an der Parlamentswahl wäre außerdem fast daran gescheitert, dass KandidatInnen ein Pfand von 5800 Somoni (580 Euro) hinterlegen müssen.
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Auch der Politikwissenschaftler Parwis Mullodschanow kommt zu dem Schluss, dass das Parlament keine bedeutende Rolle spielen wird. „Alle Entscheidungen in politischen und wirtschaftlichen Fragen werden von der Exekutive getroffen, und mehr als 90 Prozent der Sitze gehören der Regierungspartei. Das Parlament spielt unter solchen Bedingungen keine bedeutende Rolle. Diese Institution bestimmt den Prozess und verfolgt den Kurs der allgemeinen Politik, aber Entscheidungen werden im Büro des Präsidenten gemacht“, erklärte der Wissenschaftler gegenüber Fergana News.
Abstimmen für die ganze Familie
Noch vor Bekanntgabe der Wahlergebnisse hatte die Zentrale Wahlkommission verkündet, dass ihr „keinerlei Beschwerden und Eingaben bezüglich Gesetzesüberschreitungen während des Wahlprozesses“ vorlägen. Auch die WahlbeobachterInnen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit bezeichneten die Wahl als transparent und demokratisch. „Die Wahlen entsprachen den Anforderungen der Wahlgesetzgebung der Republik und den vom Land akzeptierten internationalen Verpflichtungen“, erklärte der stellvertretende Generalsekretär der Organisation, Nurlan Aqqoshqarov.
An dieser Darstellung sind jedoch Zweifel angebracht. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erklärte in einem Vorbericht zur Wahl sie sehe keinen Mehrwert in der Entsendung einer Wahlbeobachtungsmission, denn „Die Achtung der Grundfreiheiten hat sich seit den letzten Wahlen weiter verschlechtert, und die Wahl zwischen politischen Alternativen ist mangels unabhängiger Medien und einer funktionierenden Opposition eingeschränkt„. Sie entsendete dennoch eine kleine, kurzfristige Beobachtungsmission, dessen Bericht jedoch noch ausbleibt.
JournalistInnen von Asia-Plus führten ihrerseits in der Hauptstadt Duschanbe ein Experiment durch, bei dem sie versuchten für andere Personen die Stimme abzugeben. Tatsächlich gelang dies gleich in mehreren Wahllokalen.
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„Als ich drei [Wahl-]Benachrichtigungen für alle Mitglieder meiner Familie einreichte, wurde ich gefragt, ob ich für alle stimmen würde. Ich habe bejaht, mir wurde eine Liste gegeben, wo ich für alle Familienmitglieder unterschrieb und ich erhielt die Stimmzettel. […] Ich habe für alle abgestimmt und dann alle Stimmzettel zusammen in die Wahlurne geworfen, aber niemand, selbst nicht die Wahlbeobachter, haben sich daran gestört“, berichtet einer der JournalistInnen.
Fälle wie dieser, aber auch das Ausbleiben jeglichen Wahlkampfs im Vorfeld des Urnengangs, zeugen von dem geringen Interesse der Staatsmacht an wirklich freien und demokratischen Wahlen. Auch wenn die Wahlbeteiligung offiziell bei 75,1 Prozent lag, ist die tadschikische Gesellschaft nur wenig politisiert. „Zu einer Politisierung der Gesellschaft kommt es dann, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass sie den Prozess beeinflussen können oder glauben, dass sie den Prozess beeinflussen sollten, aber in Tadschikistan wird dies noch nicht beobachtet. In letzter Zeit verlassen immer mehr Vertreter des aktiven Teils der Bevölkerung, die politisiert werden könnten, das Land für immer, auch durch das Programm der Umsiedlung nach Russland“, fasst Parwis Mullodschanow die Situation zusammen.
Robin Roth, Redakteur für Novastan
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