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Mehr europäische Investitionen nach Tadschikistan?

In den letzten zehn Jahren kamen die meisten Investitionen in Tadschikistan aus dem benachbarten China. Tadschikistan plant nun, sein "Anlageportfolio" zu diversifizieren, wie die Besuche des Präsidenten in Europa zeigen. Folgender Artikel erschien im russischen Original bei Asia Plus, wir präsentieren ihn in übersetzter und gekürzter Version mit freundlicher Genehmigung.

Korwon Dushanbe Tadschikistan Bild des Tages
Tadschikistan will seine Wirtschaft durch ausländische Investitionen ankurbeln. Dafür reiste Präsident Rahmon nach Europa

In den letzten zehn Jahren kamen die meisten Investitionen in Tadschikistan aus dem benachbarten China. Tadschikistan plant nun, sein „Anlageportfolio“ zu diversifizieren, wie die Besuche des Präsidenten in Europa zeigen. Folgender Artikel erschien im russischen Original bei Asia Plus, wir präsentieren ihn in übersetzter und gekürzter Version mit freundlicher Genehmigung.

Mit seinem Besuch in der Schweiz und Frankreich in der vergangenen Woche wollte Präsident Emomali Rahmon europäisches Kapital anziehen. Das Interesse Tadschikistans an Schweizer Investitionen verkündete das Staatsoberhaupt am 6. November am Unternehmerforum der beiden Länder in Bern. Rahmon stellte fest, dass nationale und regionale Projekte vorbereitet wurden, deren gemeinsame Durchführung für beide Seiten von Vorteil sei. Nach Angaben des Präsidenten sind derzeit mehr als 25 Schweizer Unternehmen und tadschikisch-schweizerische Gemeinschaftsunternehmen in verschiedenen Wirtschaftsbereichen des Landes tätig.

„In den letzten zehn Jahren haben Schweizer Investoren nur 167 Millionen US-Dollar in Tadschikistans Wirtschaft investiert, davon 96 Millionen US-Dollar Direktinvestitionen und 71 Millionen US-Dollar Kredite, die von Unternehmen und Organisationen aufgenommen wurden“, sagte Präsident Rahmon. Gleichzeitig gab er an, dass sich das Gesamtvolumen der Investitionen in die tadschikische Wirtschaft von 2007 bis heute auf 9,5 Milliarden US-Dollar beläuft, wobei der Anteil des Schweizer Kapitals nur 1,9 Prozent beträgt. Der Präsident zeigte sich mit diesen Zahlen unter Berücksichtigung „aller verfügbaren Ressourcen und Möglichkeiten“ der beiden Länder unzufrieden. Er sei jedoch überzeugt, dass die Investitions- und Geschäftsaktivitäten der Schweizer Wirtschaft in Tadschikistan deutlich ausgeweitet werden könnten.

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Einen Tag später traf der Präsident in Paris mit französischen Geschäftsleuten und Investoren zusammen. Laut dem tadschikischen Präsidenten sind derzeit 20 französische Unternehmen in Tadschikistan tätig, es sei aber notwendig, so Rahmon, die zwischenstaatliche Zusammenarbeit in vielversprechenden Sektoren auszubauen.

Zu diesem Zweck schlug der Präsident vor, [einen Standort der] Französischen Entwicklungsagentur in Tadschikistan aufzubauen. Er forderte die französischen Geschäftsleute auf, die Republik zu besuchen, um sich mit den Investitionsmöglichkeiten des Landes besser vertraut zu machen.

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Attraktives Umfeld

Bei Treffen mit europäischen Investoren versicherte Rahmon, die Regierung ergreife notwendige Maßnahmen, um das Investitions- und Geschäftsklima im Land zu verbessern. So sei die Handels- und Wirtschaftsgesetzgebung des Landes mit den internationalen Standards in Einklang gebracht, und Investoren rechtliche Garantien geboten worden.

Nach Angaben des Präsidenten sieht die Gesetzgebung des Landes mehr als 100 Privilegien und Vergünstigungen vor, darunter 50 für die Hersteller von Waren. Er hält auch fest, dass die tadschikische Seite das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche und das Haager Apostillenübereinkommen ratifiziert hat, die den Registrierungsprozess von Unternehmern verbessern.

Rahmon erinnerte auch daran, dass Tadschikistan in den letzten Jahren vier Mal, so auch in diesem Jahr, in die Top Ten der führenden Reformer zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen im Ease of Doing Business Rating der Weltbank aufgenommen wurde. Dies zeige Tadschikistans steigende Attraktivität für Investitionen.

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Der Präsident machte die europäische Wirtschaft auf eine Reihe spezifischer Bereiche aufmerksam, in denen die tadschikische Seite Investitionen benötige, so etwa die Wasserkraftindustrie, deren großes Potenzial noch größtenteils ungenutzt bleibe. Die Regierung ergreife praktische Maßnahmen, um neue Wasserkraftwerke zu bauen und die bestehenden nach internationalen Standards zu erneuern. Er schlug außerdem vor, in Infrastrukturprojekte zu investieren, die darauf abzielten, „die Transitmöglichkeiten in der Region zu erweitern, auch durch Afghanistan in Richtung südasiatischer Häfen“.

Tadschikistans Präsident Rahmon bei der Einweihung der zweiten Turbine des Rogun-Wasserkraftwerks
Tadschikistan will ausländische Investitionen anziehen, insbesondere in der Wasserkraftindustrie. Hier weiht Präsident Rahmon 2018 das Rogun-Wasserkraftwerk ein

Darüber hinaus hob der Präsident den Sektor der industriellen Produktion hervor, um eine beschleunigte Industrialisierung zu erreichen. Die Schwerpunkte lägen dabei im Bergbau, der Leicht- und Lebensmittelindustrie, einschließlich der Verarbeitung von umweltfreundlichen landwirtschaftlichen Produkten, Metallen und Edelsteinen, Baumwollfasern, Kokons und die Herstellung von Endprodukten aus Rohstoffen.

Das Land habe gute Möglichkeiten für die Entwicklung des Maschinenbaus, der chemischen Industrie, der Metallurgie und anderer prioritärer Produktionsbereiche. Darüber hinaus, so Rahmon, verfüge Tadschikistan über reiche natürliche Ressourcen, darunter Wasserressourcen, mineralische und nichtmineralische Rohstoffe, ein günstiges Klima und genügend Arbeitskräfte. Er schlug den Schweizer Geschäftsleuten vor, ihre Tätigkeit in der Finanz- und Bankensphäre der Republik zu etablieren. „Um diese Chancen zu nutzen, brauchen wir Investitionen und moderne Technologie“, fügte er hinzu.

Entwicklung ausländischer Investitionen

Um eine beschleunigte Industrialisierung im Einklang mit der nationalen Entwicklungsstrategie zu erreichen, hofft die Regierung Tadschikistans, jährlich 3,6 Milliarden US-Dollar aus dem Privatsektor (ausländische und inländische Investitionen) anzuziehen.

Nach den Prognosen des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Handel erwartet die Republik im Jahr 2020 ausländische Investitionen (Kredite, Zuschüsse und Direktinvestitionen) von mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar, mehr als doppelt so viel wie noch 2018, als die ausländischen Investitionen rund 650 Millionen Dollar betrugen. Mehr als die Hälfte davon wurden aus China angezogen, an zweiter Stelle stehen Großbritannien mit 28 Millionen und Russland mit 22 Millionen US-Dollar. Auch kleinere Investionen aus 36 Ländern flossen in das Land, darunter Afghanistan.

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Gleichzeitig aber hat sich der Zufluss ausländischer Investitionen gegenüber 2017 insgesamt fast halbiert, insbesondere die Direktinvestitionen. Die Vertreter des Präsidialen Beirats für die Verbesserung des Investitionsklimas sind zuversichtlich, dass in den kommenden Jahren das Volumen der ausländischen Direktinvestitionen steigen, und die Rolle der inländischen Unternehmer sowie der Privatwirtschaft zunehmen wird. Der Rat empfiehlt, „Geduld zu haben“, bis der Mechanismus von Privilegien und Präferenzen für ausländische Investoren und inländische Unternehmer voll funktionsfähig ist.

 

Hauptinvestor China

Erst in der zweiten Hälfte der Jahrtausendwende begannen chinesische Investitionen in die tadschikische Wirtschaft zu fließen – die ersten größeren Investitionen wurden 2007 angezogen, nachdem die beiden Länder den Vertrag über gute Nachbarschaft, Freundschaft und Zusammenarbeit unterzeichnet hatten. Ein signifikanter Zufluss an chinesischen Investitionen begann jedoch, nachdem die beiden Länder ihre territorialen Fragen im Jahr 2011 geklärt hatten.

Innerhalb von zehn Jahren überholte China Russland in Bezug auf das Volumen der in die tadschikische Wirtschaft investierten Finanzmittel. Russland hatte in der gesamten jüngeren Geschichte Tadschikistans stets eine führende Rolle gespielt. Das Gesamtvolumen der bisher aufgelaufenen chinesischen Direktinvestitionen hat bereits 1,5 Milliarden US-Dollar erreicht.

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Gegenwärtig werden chinesische Investitionen in allen Sektoren der tadschikischen Wirtschaft getätigt, wobei der Schwerpunkt auf dem Bergbau, der Energieerzeugung, der Infrastruktur, der Chemie- und Textilindustrie sowie der Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen Verarbeitung liegt.

China ist Tadschikistans Hauptinvestor: Hier trifft Rahmon den chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang im Oktober 2018 in Duschanbe

Die tadschikischen Behörden erklären dieses Phänomen auf einfache Weise: China verfüge derzeit über große Mengen an freien Finanzmitteln, die andere Länder nicht hätten. So sagte der tadschikische Industrieminister Sarobiddin Fajsullosoda Anfang des Jahres, dass man sich heute nur noch auf chinesische Investoren verlassen könne. Westliche Unternehmen, die vor ihrer Ankunft eine Erlaubnis erhalten hatten, in der Republik zu arbeiten, seien später nicht mit der Finanzierung zurechtgekommen, so der Industrieminister.

Unterdessen sind einige Experten in Tadschikistan skeptisch gegenüber der Expansion chinesischer Investitionen und fordern die Behörden auf, mit diesem Thema sorgfältiger umzugehen. Die übermäßige Anziehungskraft von Investitionen aus China könne eine Bedrohung für die Unabhängigkeit kleiner Länder wie Tadschikistan darstellen, so der politische Analyst Nurali Dawlatow. Zuvor warnte der promovierte Wirtschaftswissenschaftler Professor Hojamchmad Umarow, zu hohes chinesisches Kapital könne die nationale Sicherheit und Integrität des Landes bedrohen.

 

Wie geht es weiter?

Experten erkennen zwar die Anstrengungen der Regierung, um die Investitionsattraktivität des Landes zu verbessern. „Auf der anderen Seite bleiben aber die Hauptprobleme, mit denen Investoren in Tadschikistan konfrontiert sind, ungelöst: Korruption, Vetternwirtschaft in relativ profitablen Marktnischen und administrative Barrieren seitens der Beamten“, so der Ökonom Subchon Chodijew. Ohne die Beseitigung dieser Probleme würde es schwierig werden, bedeutende Investitionen anzuziehen und diese auch zu behalten.

„Jeder Investor, wird, zusammen mit den Vorteilen und den rechtlichen Nuancen, die reale Situation der ausländischen Unternehmen im Land analysieren. Wenn er zum Beispiel den Bau von Wasserkraftwerken plant, wird er sich fragen, wie russische und iranische Stromwechselrichter (etwa bei den Sangtuda-Wasserkraftwerken im Einsatz) laufen, wenn er in die Telekommunikationsbranche investieren will, wird er zu Megafon und Tcell gehen und fragen, wie es ihnen geht. Erst danach wird er entscheiden, ob er in Tadschikistan arbeiten will“, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler Chodijew.

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Länder wie Tadschikistan müssten laut dem Analytiker Sulton Safarov in jeder Hinsicht außergewöhnliche Bedingungen schaffen, um ihre ungünstige geographische Lage auszugleichen (schwieriges bergiges Gelände, Entfernung zu den Seehäfen, Grenze zu dem politisch instabilen Afghanistan, etc.). „Lasst uns nicht über die Chinesen sprechen, denn sie werden geduldig all die Mühen ertragen, um ihre letztendlichen Ziele zu erreichen. Die Europäer werden mit dem fast völlig ungeschützten Eigentum des Investors, Vetternwirtschaft, Korruption und Bürokratie, nicht lange bleiben“, sagte er.

Der Analytiker rät den Behörden, ihre Einstellung zu Investitionen und zur Privatwirtschaft zu ändern, um auf die dringend nötigen Ressourcen zur Förderung der Wirtschaft und der Industrialisierung zählen zu können.

Asia Plus

Aus dem Russischen von Hannah Riedler

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